Im Leben und in der Natur geht es oft um Balance, nicht um die perfekte, sondern um die richtige, die das System stabil hält. Befinden sich beispielsweise Arbeit und Entspannung nicht im Gleichgewicht, werden wir krank. Essen wir viel Junkfood, drohen schlechte Blutwerte und im schlimmsten Fall ein Herzinfarkt. Geben wir für eine Sache zu viel Geld aus, fehlt es an anderer Stelle, weil die Ressource Geld nur einmal verteilt werden kann. Ist generell wenig Einkommen da, wird Stress zum ständigen Begleiter. Es fehlt die Balance, das Finanzfundament stabil zu halten.
Ich erinnere mich an eine Klientin, nennen wir sie Carmen. Sie verdiente gut. Es gelang ihr dennoch nicht zu sparen. „Es bleibt einfach nie etwas übrig!“, sagte sie frustriert.
Carmen lebte allein und arbeitete als Lehrerin. Eine detaillierte Auswertung ihrer Ausgaben ergab, dass sie etwa 80 Euro monatlich für Bücher ausgab und ähnlich viel für Kosmetik. Dazu gönnte sie sich spontane Kleidungskäufe und ging regelmäßig mit ihren Freundinnen ziemlich teuer essen. Jedes Jahr musste es mindestens eine Fortbildung für Tausende Euro sein, obwohl Carmen fachlich top war. Sie hatte deshalb Schulden und kaum Rücklagen.
Carmens Konsummuster standen in keinem guten Verhältnis zu ihrem Einkommen. Ihr fehlte nicht nur der Überblick über ihr Geld, sondern auch ein Gleichgewicht zwischen Wünschen, Ansprüchen und Eigenfürsorge. Ihre Finanzen folgten keiner Struktur. Hier setzt die 50-30-20-Regel an. Ich nenne sie:
Die Budgetfaustformel
Die Formel haben Elizabeth Warren, US-Politikerin und Harvard-Professorin, und ihre Tochter Amelia Warren Tyagi auf der Basis jahrzehnte- langer Forschung zu Insolvenzrecht und Haushaltsführung entwickelt. Sie wurde durch ihr Buch „All Your Worth: The Ultimate Lifetime Money Plan“ bekannt. Ich arbeite ausgesprochen gern mit dieser Budgetfaustformel und habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Die Grundidee ist: Gib nicht mehr als die Hälfte deiner verfügbaren Einnahmen für Grundlegendes aus. Dann bleibt dir genug Geld, um dein Leben zu genießen und vorzusorgen. Das Herzstück der Formel sind also die verfügbaren Einnahmen. Sie werden in drei Budgets aufgeteilt:
- 50 Prozent für Grundlegendes = feste Ausgaben
- 30 Prozent für Lebensstil = variable Ausgaben, die das Leben bunt machen
- 20 Prozent für Eigenfürsorge = Rücklagen, Altersvorsorge, Bildung, Schulden tilgen
Du kannst die Formel auf zweierlei Arten nutzen: Einmal, um zu sehen, wo du stehst. Zum anderen, um deine Finanzen zu organisieren und im Griff zu behalten. Das ist wie bei einem Schrank. Hat er drei Schubladen, fällt es leichter, Ordnung zu schaffen und beizubehalten. Fehlt ein System, fliegt schnell alles wieder durcheinander.
Ein Beispiel: Eine Familie mit zwei Kindern hat ein Netto-Einkommen von 3800 Euro. Nach der Faustformel 50-30-20 würde das Einkommen so budgetiert werden:
- 1900 Euro für feste Ausgaben
- 1140 Euro für variablen Ausgaben
- 760 Euro für Rücklagen und Altersvorsorge
Nur 1900 Euro für feste Ausgaben? Ganz schön wenig. Machen wir den Gegencheck: Die Familie hat tatsächlich Fixkosten von 2600 Euro im Monat. Sie gibt also 68 Prozent statt 50 Prozent für Grundlegendes aus. Rech- ne: 2600 : 3800 × 100. Also viel zu viel. Die Familie wird deshalb kaum Geld für Rücklagen und Altersvorsorge haben, weil vermutlich auch die variablen Ausgaben höher sind als 30 Prozent.
Rechnen wir eine zweite Variante. Jetzt hat die Familie doppelt so viel netto, 7600 Euro. Laut Faustformel könnte sie wie folgt budgetieren:
- 3800 Euro für feste Ausgaben
- 2280 Euro für variablen Ausgaben
- 1520 Euro für Rücklagen und Altersvorsorge
Was sofort ins Auge fällt: 3800 Euro für Grundlegendes ist selbst bei einer Großstadt-Miete üppig. Auch die 2280 Euro für den Lebensstil sind reichhaltig. Würde die Familie wie in Variante eins fixe Ausgaben von 2600 Euro haben, würde sich der Spielraum für Lebensstil und Vorsorge sehr stark erhöhen.
Die Beispiele zeigen zweierlei: Je höher das monatlich verfügbare Einkommen ist, desto größer ist der finanzielle Spielraum und die Budgets verschieben sich. Der Anteil der grundlegenden Ausgaben kann dann tendenziell unter 50 Prozent sinken, die Anteile für Lebensstil und Sparen steigen. Je weniger Geld wir dagegen haben, desto schwerer wird es, überhaupt zu sparen, weil der Anteil für Grundlegendes schon viel Raum einnimmt. Deshalb steckt in der Budgetformel auch eine unumstößliche Wahrheit: Um selbstbestimmt und frei in jedem Alter zu leben, brauchst du ein gewisses Einkommen. Dann kannst du deine Finanzen in Balance halten und für dich sorgen.
So nutzt du die Budgetfaustformel:
- Nimm deine verfügbaren Einnahmen und berechne die drei Budgets. Dann vergleiche sie mit deinen tatsächlichen Ausgaben und dem, was du sparst. Hast du keinen oder nur einen geringen Sparanteil, miste deine Ausgaben aus.
- Andersherum kannst du auch deine Ausgaben und dein Spar- und Investitionsbeträge jeweils durch deine Einnahmen teilen und sehen, wo du bei den Budgets stehst. Optimiere deine Ausgaben so lange, bis mindestens die Relation 50-30-20 erreicht ist, besser noch 40-30-30. Arbeite gezielt darauf hin.
Ich halte die Budgetfaustformel für ein unglaublich praktisches Tool, weil sie einfach anzuwenden ist und funktioniert. Sieh die Prozentwerte als Richtwerte an und passe sie an dein Leben an. Die Formel ist kein Gesetz, sondern ein Tool, das du für dich nach deinen Prioritäten nutzt. Einzige Bedingung aus meiner Sicht: Das Budget „Eigenfürsorge“ ist gesetzt. Kämpfe hier um jeden Prozentpunkt. Es steht für deine Sicherheit und Zukunft.