Zieht sich der Mutterkonzern Siemens bei seiner Gesundheitstochter Healthineers weiter zurück? Vielleicht sogar ganz? Seit dem Börsengang der Gesundheitssparte 2018 schwebt diese Frage über dem Konzern. Doch jetzt dürfte es wirklich so weit sein, dass eine schnelle Entscheidung naht. Die Siemens AG kann die Investoren nicht enttäuschen, die fest mit einem Votum des Mehrheitsaktionärs rechnen.
Gegenwärtig hält der Mutterkonzern noch 70 Prozent an Healthineers. Jetzt müsste die Beteiligung mindestens unter 50 Prozent fallen, damit wirklich etwas in Bewegung kommt. Die ehemalige Gesundheitssparte bindet 45 Mrd. Euro an Kapital, das Siemens besser in die Entwicklung zum Software-Riesen investieren könnte, der die „digitale Welt mit der realen Welt der Industrie verbindet“, wie es bei Siemens so schön heißt. Langfristig dürfte auch Healthineers profitieren, wenn sich die Siemens AG final verabschiedet. Kurzfristig aber drohen Finanzprobleme, weshalb der Kurs der Aktie seit langem dahin dümpelt.
Siemens schafft sich selbst Probleme
Das größte Problem von Siemens-Chef Roland Busch: Wenn die Trennung von Healthineers gelingt, brandet sofort die nächste Debatte an den Kapitalmärkten auf. Denn alle Argumente, die für einen Rückzug aus der Gesundheitstechnik sprechen, sprechen auch für den Abschied vom Bereich Mobility. Die Zugsparte des Konzerns bindet Kapital, das anderweitig eingesetzt höhere Renditen bringen dürfte. Synergien mit den zentralen Technik-Feldern des Unternehmens gibt es kaum. In die neue Strategie Buschs, die unter der Überschrift „One Tech Company“ läuft, passt das Geschäft nicht wirklich hinein.
Mit einer Rendite von rund neun Prozent hängt die Zugsparte weit hinter den beiden Bereichen Digital Industries (zuletzt 14,5 Prozent) und Smart Infrastructure (zuletzt fast 19 Prozent) her. Die Manager des Bereichs Mobility arbeiten in anderen Schwerpunktmärkten als die anderen Sparten und mit einer gänzlich anderen Kundenstruktur. So spielt die Zugsparte zum Beispiel in China keine Rolle – einem Schlüsselmarkt für die beiden anderen Bereiche. Statt mit privaten Unternehmen verhandeln die Mobility-Manager vor allem mit staatlichen Akteuren.
Ist der Geist schon aus der Flasche?
Natürlich kann man nicht damit rechnen, dass der Siemens-Vorstand das Thema Mobility sofort auf die Tagesordnung setzt. Im Gegenteil: Kommt es tatsächlich zu einem weiteren Rückzug bei Healthineers, dürfte Busch ein flammendes Plädoyer für einen Verbleib der Zugsparte im Konzern halten. Allein schon deshalb, um die Spekulationen im Zaum zu halten. Die Vergangenheit aber zeigt, dass solche Bekenntnisse bei Siemens gewöhnlich nicht sehr lange halten.
Seit Buschs Vorgänger Joe Kaeser die Abspalterei während seiner Amtszeit auf neue Höhen getrieben hatte, bekommt der Konzern die Erwartungen der Investoren nicht mehr in den Griff. Man kann die These wagen: Nichts kann sie stoppen. Siemens bleibt ein Konzern in Bewegung – im Guten wie im Schlechten.
Die Aktie der Siemens AG hat sich in den letzten fünf Jahren besser entwickelt als der Dax, aber lange nicht so gut wie von vielen Experten erwartet. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt bei 190 Mrd. Euro. Und damit weit entfernt von den US-Technologiekonzernen, mit denen sich Siemens eigentlich gern messen möchte. Ein Urteil über den Sinn oder Unsinn der Abspaltungen steht also noch aus.