Der US-Präsident hatte lange gezögert. Während die Europäer schon länger gegen die russische Ölbranche vorgehen und versuchen, deren Exporte zu bremsen und Einnahmen zu reduzieren, zielte Donald Trump bisher in erster Linie auf die Abnehmer russischen Öls – etwa Indien, das seit dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkt Rohöl aus Russland einkauft und weiterverarbeitet.
Doch jetzt hat Trump auch in diesem Bereich einen Politikschwenk hingelegt. Am Mittwoch verhängte er direkte Sanktionen gegen die beiden größten russischen Ölriesen Lukoil und Rosneft sowie ihre Tochterunternehmen – offenbar auch ein Ausdruck seiner wachsenden Verärgerung über Russlands Präsident Wladimir Putin. Tage zuvor war in Washington noch die Rede von einem neuen Gipfeltreffen der beiden Staatschefs in Budapest. Nun nannte Trump ein solches Treffen nicht nur „vergeudete“ Zeit, sondern er nimmt auch die russische Ölindustrie direkt ins Visier, deren Exporte immer noch eine wichtige Einnahmequelle des Kreml sind.
Ölpreis schießt hoch
Zur Begründung für die Sanktionen nannte Trumps Finanzminister Scott Bessent ausdrücklich Putins „Weigerung, diesen sinnlosen Krieg zu beenden“. Daher sanktioniere man die größten Ölkonzerne, die die Kriegsmaschine des Kreml finanzierten. Zudem rief Bessent die Alliierten der USA auf, sich den Schritten anzuschließen. In der vergangenen Woche hatte schon Großbritannien Sanktionen gegen Lukoil und Rosneft beschlossen. In Deutschland waren Vermögenswerte von Rosneft wie die PCK-Raffinerie in Schwedt bereits 2022 unter staatliche Kontrolle gestellt worden.
Als Reaktion auf die Ankündigung der US-Regierung am Mittwochabend legte der Ölpreis kräftig zu. Der Preis für die Nordseesorte Brent stieg zeitweise um fast acht Prozent und überschritt am Donnerstag die Marke von 66 Dollar pro Barrel. Die US-Sorte West Texas Intermediate verteuerte sich zeitweise um rund fünf Prozent auf mehr als 61 Dollar. Nach Schätzungen von Experten läuft über Lukoil und Rosneft fast die Hälfte der gesamten russischen Rohölexporte, die sich im vergangenen Jahr auf ein Volumen von 240 Millionen Tonnen beliefen. Die Aktien westlicher Ölkonzerne legte ebenfalls zu.
Europa importiert nur noch wenig Öl aus Russland
Marktbeobachter werteten die Sanktionen zwar als hartes politisches Signal des US-Präsidenten, der seit Beginn seiner zweiten Amtszeit keine klare Linie in der Ukrainefrage verfolgt – und sich zuletzt wieder mit den Bedingungen von Putin für einen Waffenstillstand gemein zu machen schien. Zu den längerfristigen Auswirkungen auf die internationalen Ölmärkte äußerten sich die Experten allerdings zurückhaltend. Die große Frage ist etwa, wie wirksam die Sanktionen sind und ob den Maßnahmen gegen die beiden Produzenten auch Sanktionen gegen Banken und Händler folgen, die weiterhin Geschäfte mit Lukoil und Rosneft machen wollen. In vielen Fällen erweisen sich gerade solche Sekundärsanktionen der USA als ein effektives Instrument.
In jedem Fall dürften es die US-Sanktionen Russland weiter erschweren, Öl zu exportieren, sagte Carsten Fritsch, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. Er verwies auf die Ankündigung Indiens, kein Öl mehr von den neun sanktionierten Unternehmen abzunehmen. „Indien war bislang nach China der wichtigste Abnehmer von russischem Öl und muss das Öl nun anderweitig beziehen“, sagte Fritsch weiter. Dies dürfte die Nachfrage nach nicht-russischem Öl erhöhen und zu höheren Ölpreise führen.
Dagegen sind für Europa die Auswirkungen auf der reinen Versorgungsseite überschaubar. Commerzbank-Analyst Fritsch verwies darauf, dass die Europäer bis auf „geringe Mengen“, die über die Druschba-Pipeline kommen, kein Öl mehr aus Russland beziehen. 2024 importierte die EU nach Eurostat-Daten Öl für rund 250 Mrd. Euro. Die größten Lieferanten waren die USA, Norwegen und Kasachstan. Russland taucht bei den offiziellen Daten nicht mehr als einer der sieben wichtigsten Lieferanten auf.
Sollte der Ölpreis dauerhaft reagieren, wären dies aber auch für Europa spürbar. In dieser Woche hatte die EU ein weiteres Sanktionspaket gegen den russischen Energiesektor beschlossen. Das inzwischen 19. Paket zielt neben dem kompletten Ausstieg aus russischen Flüssigerdgaslieferungen bis 2027 auch auf die Schattenflotte von Tankschiffen, mit denen Russland versucht, Sanktionen zu unterlaufen.
Problem für China und Indien
Für China, den mächtigsten Verbündeten Russlands, könnten die Sanktionen größere Folgen haben. Bislang ist die Volksrepublik vor Indien der größte Abnehmer von russischem Rohöl. Bis zu 20 Prozent der Rohölimporte stammen aktuell aus Russland – das entspricht rund zwei Millionen Barrel pro Tag. Für die Raffinerien in China und Indien, die das russische Öl zu Benzin, Diesel oder Kunststoffprodukten weiterverarbeiten, dürften die US-Sanktionen ein „großer Grund zur Sorge“ sein, sagte Vandana Hari, Gründerin des Analysehauses Vanda Insights.
Nach den neuen Sanktionen kündigte Trump an, mit Chinas Präsident Xi Jinping über den chinesischen Import von russischem Öl zu sprechen. Das Gespräch soll bei einem für nächste Woche geplanten Treffen in Südkorea stattfinden.
Ob der kurzfristige Effekt auf den Ölpreis, der in diesem Jahr selten über 70 Dollar je Barrel Brent geklettert ist, anhält, wird auch daran hängen, wie die anderen wichtigen Förderländer auf die US-Sanktionen reagieren. Analysten verwiesen darauf, dass große Opec-Staaten wie Saudi-Arabien eng mit den USA verbündet seien und gute Kontakte zu Trump und dessen Regierung pflegten. „Wenn es hart auf hart kommen sollte, werden die Saudis und die Länder des Opec-Kartells ihre Mengen erhöhen“, sagte Baader-Bank-Chefvolkswirt Robert Halver der „Bild“-Zeitung. Auch China habe kein Interesse an hohen Ölpreisen. Darüber hinaus könnten auch die USA ihre Förderung ausweiten – mithilfe von Frackingmethoden, die sich bei höheren Preisen umso stärker rechnen.