Das Rennen um den Spitzenkandidaten der Unionsparteien für die Bundestagswahl könnte bald entschieden sein. Noch im Laufe der Woche soll die Entscheidung zwischen NRW-Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet und Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder fallen. Anlässlich der ausstehenden Entscheidung unterzieht Capital die wirtschaftspolitischen Ansätze der beiden Anwärter einem Vergleich.
Markus Söder: der Macher
In einer Sache sind sich Markus Söder und Armin Laschet einig: Beide sehen sich wirtschaftspolitisch in der Tradition der sozialen Marktwirtschaft, beide glauben daher auch an Eingriffe des Staats , wenn es darum geht, die Wirtschaft voranzubringen.
Söder setzt dabei auf eine Vielzahl an Fördermaßnahmen und wirtschaftlichen Anreizen: Schon in seiner Zeit als bayerischer Finanzminister versinnbildlichte nichts diese Strategie so gut wie die zahlreichen Förderbescheide für Infrastrukturprojekte, die er gerne auch persönlich überreichte .
Das Herzstück seiner Wirtschaftspolitik als Ministerpräsident ist die 2 Mrd. Euro schwere Hightech-Agenda. Damit will er Digitalisierung und technologische Innovationen im Freistaat vorantreiben. „Bisher hat Söder als Ministerpräsident die richtigen Schwerpunkte gesetzt, darunter Bildung und Forschung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz, weil man damit auf die Themen abzielt, die für die Zukunftsfähigkeit von Bayern wichtig sind“, lobt Gunther Friedl, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München. „Dieses Programm schafft die Grundlagen, von denen letztlich auch Unternehmen profitieren.“
Die Botschaft hinter dieser Politik: Söder, der Macher, der bei großen Themen voranschreitet – sei es die Annahme des Volksbegehrens für mehr Artenvielfalt, eigentlich ein grünes Kernthema, sei es der Start der Raumfahrtinitiative Bavaria One. Er gilt als ehrgeiziger Stratege, kennt Partei und Landesregierung nach Jahren auf der Karriereleiter in- und auswendig. Ins Narrativ passen dabei auch die kleinen Verhältnisse, in denen Söder nach eigenen Angaben als Sohn eines Maurers mit eigenem Betrieb aufgewachsen ist – und natürlich das Poster von Franz-Josef Strauß, der als Jugendidol über Söders Bett hing.
Armin Laschet: der Verlässliche
„Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet – und darauf können sie sich verlassen“, so warb Armin Laschet in seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz für sich selbst. In NRW zeichnet sich der Aachener bislang vor allem durch seine aktive Industriepolitik aus. Oberste Priorität: die Arbeitnehmer – und damit das Kernklientel in der langjährigen SPD-Hochburg NRW. Das zeigte sich bei seiner Kritik an der Werkschließung des Autozulieferers Continental im Herbst 2020, bei seinem Engagement für den strauchelnden Stahlriesen Thyssenkrupp oder bei den Verhandlungen über den Kohleausstieg.
Er gilt als einer, der Kollateralschäden durch zu viel zu schnelle Veränderung vermeiden will. Das gilt nicht nur für die eigene Partei, das gilt auch in seinem Bundesland. Bei Unternehmen und Gewerkschaften ist Laschet daher beliebt, gilt als interessierter Zuhörer und Vermittler. „Er hört zu, ist an den Themen ernsthaft interessiert und geht sie lösungsorientiert an“, lobt Berater Gerd Kerkhoff im Interview mit Capital . „Zudem versteht er es, trotz unterschiedlicher Meinungen ein Wohlfühlgefühl für alle Beteiligten zu entwickeln, welches den Kompromiss leichter macht.“
In Nordrhein-Westfalen, wo noch immer ein tiefgreifender Strukturwandel im Gange ist, versucht Laschet mit Schwerpunkten auf Forschung und dem Aufbau neuer Branchen gegenzusteuern. Zu den jüngsten Förderprojekten seiner Amtszeit gehören deshalb E-Mobilität, Batteriezellenentwicklung und grüner Wasserstoff. Als Vorzeigeprojekt, das er auf Bundesebene übertragen will, sieht der Ministerpräsident seine sogenannten „Entfesselungspakete“: Damit will er unnötige bürokratische Vorschriften abschaffen. In Nordrhein-Westfalen hat er damit bereits in 59 Fällen die Verwaltung verschlankt.
Schwächelnde Industrieregion vs. aufstrebender Freistaat
Nordrhein-Westfalen, der einstige Motor des deutschen Wirtschaftswunders, kämpft immer noch mit den Spätfolgen des Niedergangs der Kohle- und Stahlindustrie. Auch deshalb erbte Laschet einen der höchsten Schuldenberge der Bundesrepublik: 9744 Euro pro Kopf. Vor der Pandemie konnte die Landesregierung die Schulden zwar etwas senken, Beobachtern wie dem Landesrechnungshof ging das aber nicht weit genug. Bayern liegt dagegen am genau gegenteiligen Ende der Skala: Lagen die Landesschulden pro Kopf Ende 2017 noch bei 1308 Euro, waren es 2019 nur noch 987 Euro – also etwa ein Zehntel der Summe in NRW.
In Bayern gilt der Wandel vom Landwirtschafts- zum Technologiestandort als erfolgreich abgeschlossen. Vor der Krise, im Jahr 2019, lag die bayrische Arbeitslosenquote mit 2,8 Prozent weniger als halb so hoch wie die in NRW (6,5 Prozent). Das bayrische Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre war deutlich stärker als das nordrhein-westfälische. 2018 lag es bei 2,5 Prozent, 2019 bei 0,5 Prozent. NRW schaffte 2018 nur 0,9 Prozent, 2019 sogar nur 0,2 Prozent.
Wer kommt besser durch die Krise?
Zugegeben: Für die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung können die beiden Landesfürsten, die seit 2017 respektive 2018 regieren, kaum verantwortlich gemacht werden. Für ihre Performance während der Corona-Krise hingegen aber durchaus.
In der Pandemie konnte NRW tatsächlich Boden gutmachen. Laut Berechnungen des Ifo-Instituts verbüßte das Land im ersten Lockdown Wertschöpfungsverluste von 51,7 Prozent, in Bayern waren es dagegen 56,3 Prozent. Während die bayrische Wirtschaft 2020 um 5,5 Prozent schrumpfte, verzeichnete NRW ein Minus von 4,4 Prozent. Damit lag NRW unter dem Schnitt aller Länder (minus 4,9 Prozent). Lediglich auf dem Arbeitsmarkt konnte Bayern die Einbrüche besser abfedern: Hier stieg die Arbeitslosigkeit in 2020 im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 0,6 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent, in NRW mit einem Prozentpunkt dagegen fast doppelt so stark auf 7,5 Prozent.
Während der Corona-Krise konnte Armin Laschet seinen Rückhalt in der Wirtschaft weiter ausbauen – auch, weil er als einer der ersten Ministerpräsidenten das Wiederhochfahren der Wirtschaft gefordert hatte. Die Forderung nach einem „Belastungsmoratorium“ für die Wirtschaft ist unter Unternehmern ebenfalls populär. „Das kommt natürlich gut an und zeigt sein Verständnis, dass der Staat nur mit einer prosperierenden Wirtschaft funktioniert“, sagt Kerkhoff.
Bayern traf die Krise vergleichsweise schwer, vor allem die Industrie musste Einbußen verkraften. Die Wirtschaftsleistung brach um 11,6 Prozent ein. Zum Vergleich: Bundesweit sank sie für das Verarbeitende und das Baugewerbe um 9,7 Prozent. Söder reagierte, indem er seiner Hightech-Agenda zusätzliche 900 Mio. Euro verpasste. „Dort anzusetzen, wo die Pandemie Schwächen offengelegt hat und zum Beispiel die Hightech-Agenda angesichts der fehlenden Digitalisierung voranzutreiben – das war ein richtiger Schritt“, sagt Friedl.
Das Fazit: Was ihre wirtschaftspolitische Agenda angeht, liegen die beiden Kandidaten nicht weit auseinander. Als Typen aber sind Laschet und Söder grundverschieden – und der daraus folgende jeweilige Politikstil wird ganz sicher aus Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

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