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Onlinehandel SellerX: Einhorn-Versteigerung abgesagt

SellerX positioniert sich als sogenannter Amazon-Aggregator: Sie kauft kleinere Amazon-Shops auf und optimiert diese unter einem Dach.
SellerX positioniert sich als sogenannter Amazon-Aggregator: Sie kauft kleinere Amazon-Shops auf und optimiert diese unter einem Dach.
© Imagebroker / IMAGO
Weil das einstige Milliarden-Start-up SellerX seinen Kredit nicht mehr bedient, soll es diese Woche eigentlich unter dem Hammer landen. Doch nun macht Gläubiger Blackrock offenbar eine Kehrtwende

Im holzvertäfelten Gartensaal des Hotel Bristol in Berlin hätte am Dienstag eigentlich eine Premiere stattfinden sollen: ein deutsches Start-up-Unicorn unter dem Hammer, 100.000 Euro Startgebot, eine öffentliche Versteigerung aller Anteile an den Höchstbietenden. So stand es in den Auktionsunterlagen für die SellerX Germany GmbH und deren Tochter SellerX Nullum GmbH.

Wenige Stunden vorher dann die Kehrtwende: Die mandatierte Kanzlei Freshfields hat die Versteigerung des E-Commerce-Firma am späten Montagabend abgeblasen. Gründe für die spontane Absage nannte sie keine.

Die einstige Milliarden-Firma war zuvor in Verzug mit einer Kreditzahlung gekommen. Kreditgeber Blackrock hatte daraufhin seine Sicherheiten eingefordert – und die Versteigerung der Unternehmensanteile durch den Schuldeneintreiber Glas veranlasst. In der Branche war allerdings schon vermutet worden, dass die Auktion nur eine Drohgebärde sein könnte, um die SellerX-Investoren zu einer Entscheidung zu drängen: Angeblich will Blackrock den Kredit lieber in Anteile umwandeln – und so vom Gläubiger zum Eigentümer werden.

Darauf deutet auch ein Eintrag beim Bundeskartellamt hin: Dort haben Blackrock und Mitgläubiger Victory Park Capital bereits im August die Prüfung einer möglichen Übernahme beantragt. Vergangene Woche gab die Behörde grünes Licht.

Ein Unternehmenssprecher von SellerX teilte dazu mit: „Wir begrüßen die Absage der Auktion, die signalisiert, dass die Gespräche zwischen unseren Aktionären und unseren Kreditgebern über die Vereinfachung und Stärkung unserer Kapitalstruktur gut vorankommen.“

Blackrock wollte sich auf Capital-Anfrage nicht dazu äußern. Victory Park Capital war zu einer Stellungnahme kurzfristig nicht erreichbar. 

Aufstieg zum Einhorn

SellerX wurde im August 2020 von Philipp Triebel und Malte Horeyseck in Berlin gegründet und war mit dem Rückenwind der Corona-Sonderkonjunktur schnell zu einem deutschen E-Commerce-Star aufgestiegen.

Die Firma positioniert sich als sogenannter Amazon-Aggregator: Sie kauft kleinere Amazon-Shops auf und optimiert diese unter einem Dach. Die Synergien und Skaleneffekte sollen dann zu einer Wertsteigerung führen – und SellerX in den Rang eines „globalen Konsumgüterkonzerns der neuen Generation“ katapultieren.

Anfangs sah es so aus, als könnte der Aufstieg zum digitalen Handelsriesen gelingen. 2021 war ein goldenes Jahr für die Amazon-Aggregatoren: Die Corona-Pandemie trieb die Umsätze im Onlinehandel nach oben, zudem beflügelte der Erfolg des US-Vorbilds Thrasio den Optimismus der Investoren. Geldgeber pumpten damals insgesamt etwa 13,2 Mrd. US-Dollar in die Branche, bei einem günstigen Zinsumfeld.

Auch bei SellerX liefen die Geschäfte prächtig: Der Umsatz explodierte von rund 1,2 Mio. auf 76,3 Mio. Euro, gleichzeitig gelangen dem Start-up 29 Akquisitionen sowie eine Series-B-Finanzierung, die das Start-up eine Milliardenbewertung bescherte – Einhorn-Status.

Ein verhängnisvoller Kredit

SellerX nutze damals die Gunst der billigen Kredite, um die Kriegskasse für weitere Übernahmen zu füllen. Im November 2021 liehen sich die Gründer einen Kredit in Höhe 400 Mio. Euro von den Vermögensverwaltern BlackRock und Victory Park Capital. Das Darlehen wurde 2023 im Zuge der Akquisition des Mitbewerbers Elevate Brands noch mal neu verhandelt. Wie viel Geld damals floss, wurde nicht mitgeteilt.

In der Bilanz des „BlackRock Credit Strategies Fund“ von 2023 steht SellerX aktuell mit einem Kredit in Höhe von insgesamt rund 670 Mio. US-Dollar in der Kreide, umgerechnet gut 600 Mio. Euro. Die Verbindlichkeiten wurden dem Start-up nun offenbar zum Verhängnis. 

Markt ist abgekühlt

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist das Marktumfeld für die sogenannten Amazon-Aggregatoren abgekühlt. Sinkende Konsumlaune und steigende Zinsen machen den Händlern zu schaffen. So sind wohl auch die mutmaßlichen Zahlungsschwierigkeiten bei SellerX zu erklären.

Mit den Problemen ist die Firma nicht allein: Das US-Vorbild Thrasio musste bereits Insolvenz anmelden. Auch die deutschen SellerX-Konkurrenten Razor und Berlin Brands Group dürften sich angesichts der Marktlage schwer tun. 

„Das Modell war von Anfang höchst kapitalintensiv und erschien nur attraktiv, solange Geld nichts kostete“, sagte Investorin Madeline Lawrence bereits im Mai in einem längeren Interview mit Capital.

SellerX-Mitgründer sah die Konsolidierungswelle schon vor einem Jahr kommen. Sie sei eine Chance, um Konkurrenten aufzukaufen: "Mit der Übernahme von Elevate Brands sind wir da ganz vorne dabei", sagte er noch im Juni 2023 dem Handelsblatt. Nun könnte SellerX selbst zum Übernahmekandidaten werden.

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