Vor zehn Jahren hatten Start-ups im Wert von mindestens einer Mrd. Dollar Seltenheitswert. Für Anlegerin Aileen Lee mussten deshalb 2013 notorisch scheue, mythologische Geschöpfe herhalten, um die neue Klasse junger, wertvoller Unternehmen vor dem Börsengang oder Exit zu benennen: die Einhörner. Die haben sich seitdem allerdings stark vermehrt. Allein Deutschland kam zuletzt auf rund die Hälfte der Zahl an Einhörnern, die 2013 weltweit zu finden waren.
Die New Yorker Analyseplattform CB Insights zählte im August 2021 weltweit 804 Einhörner. Die Bewertung der Firmen belief sich den Angaben zufolge auf insgesamt 2,6 Billionen Dollar. Fast exakt die Hälfte der Start-ups entfiel auf die USA (404). Die Vereinigten Staaten dominieren das Ranking mit Unternehmen wie Stripe (95 Mrd. Dollar) und SpaceX (74 Mrd. Dollar). Die US-Einhörner müssen sich jedoch hinter der weltweiten Nummer eins aus China, Bytedance (140 Mrd. Dollar), einreihen.
Deutschland konnte laut der Untersuchung zuletzt 19 Unicorns vorweisen. Das waren zwei mehr als Frankreich, aber deutlich weniger als das Vereinigte Königreich (33). Auch bei der Größe spielte die Bundesrepublik im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Das im August 2021 am höchsten bewertete Einhorn aus Deutschland kam auf der Liste von CB Insights erst an 30. Stelle. Dagegen sind mit Klarna (Schweden) und Revolut (Vereinigtes Königreich) zwei Start-ups aus Europa in den Top 10 vertreten.
Dies sind die zehn wertvollsten Einhörner in Deutschland
Die größten Einhörner in Deutschland
Mit einer Bewertung von 1,7 Mrd. Dollar ist Personio das zehntgrößte deutsche Einhorn. Das Münchner Unternehmen von CEO Hanno Renner (Foto) bietet Software für HR-Management und Recruiting an und richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen. Es ist seit Januar 2021 im Einhorn-Ranking von CB Insights vertreten. Der Sprung über die Milliarden-Marke gelang mit 125 Mio. Dollar in einer Series D-Finanzierung. „Die aktuelle Series-D-Runde wurde von Bestandsinvestor Index Ventures angeführt, der bereits namhafte Software-Unternehmen wie Slack, Dropbox und Zendesk erfolgreich bis zu ihrem Börsengang begleitet hat“, teilte das Unternehmen mit. Auch auf Platz neun findet sich ein Unternehmen, das 2021 neu in die Liga der deutschen Einhörner vorgestoßen ist. Das Berliner Fintech Mambu wurde zuletzt von CB Insights mit einer Bewertung von 2,1 Milliarden Dollar geführt. Es kam damit auf Platz neun in Deutschland. Zu den Geldgebern gehörten demnach Runa Capital, Acton Capital Partners und Point Nine Capital.
Ob Investmentgesellschaften Einhörner sind, darüber gibt es geteilte Meinungen. CB Insights jedenfalls führt die Dachgesellschaft Nucom Group aus Unterföhring mit einer Bewertung von 2,2 Mrd. Dollar in ihrem Ranking (an Stelle 273; die Liste ist nicht nummeriert). In der Nucom Group sind die Beteiligungen des Medienunternehmens ProSiebenSat.1 Media an nationalen und internationalen Online-Handelsunternehmen gebündelt. Deutlich vor Nucom landet das Versicherungs-Start-up Wefox, das in seiner dritten Finanzierungsrunde im Sommer nach eigenen Angaben 650 Mio. Dollar einsammelte – laut Wefox die weltweit größte Finanzierungsrunde im Bereich InsurTech. Die Bewertung stieg auf drei Mrd. Dollar, wie das Unternehmen am 1. Juni 2021 mitteilte. Die Finanzierungsrunde sei vom VC Target Global angeführt worden. Das Ranking von Wefox war bei CB Insights nicht auf dem aktuellen Stand. Das Start-up wurde im August 2021 noch mit lediglich 1,7 Mrd. Dollar auf dem neuten Platz in Deutschland geführt.
Wefox teilt sich den fünften Platz der größten deutschen Einhörner mit FlixMobility und Contentful. Der Flixbus-Betreiber aus München sammelte zuletzt in einer neuen Finanzierungsrunde 650 Mio. Dollar ein. Das erhöhte die Bewertung auf über drei Mrd. Dollar, wie es am 2. Juni 2021 hieß. Das Geld soll unter anderen in eine globale Expansion nach der Covid-19-Krise fließen, unter anderem in den USA.
Ebenfalls auf über drei Mrd. Dollar kam Contentful im Juli 2021. In einer Series-F-Finanzierungsrunde hatte das Berliner Start-up 175 Mio. Dollar eingesammelt. Die Plattform für digitale Inhalte wird nach eigenen Angaben von rund jedem dritten Unternehmen der Fortune 500 genutzt. CB Insights führt es seit Juli 2021 in der Liste der Einhörner. Zu den Investoren gehören demnach Balderton Capital, General Catalyst und Tiger Global Management.
Der Prothesenhersteller Otto Bock gehört laut CB Insights mit einer Bewertung von 3,5 Mrd. Dollar zur Spitzengruppe der deutschen Einhörner. Aus der sticht das 1919 gegründete Traditionsunternehmen nicht nur mit seiner langen Firmengeschichte heraus. Der nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Prothetik hat seinen Sitz nicht in Berlin oder einer anderen Großstadt, sondern stammt aus dem niedersächsischen Duderstadt. Er ist bereits seit 2017 im Club der Einhörner vertreten. Damals hatte das schwedische Private Equity-Unternehmen EQT 20 Prozent an Otto Bock übernommen.
Auf ebenfalls 3,5 Mrd.Dollar kam zuletzt im CB-Insights-Rankings N26. Das Berliner Banking-Start-up wurde 2013 gegründet und ist seit Januar 2019 auf der Liste vertreten. Im Sommer 2021 gab es Berichte über eine neue Finanzierungsrunde. Es wurde über eine Bewertung von bis zu elf Mrd. Dollar spekuliert. Damit könnte N26 zum deutschen Spitzenreiter aufschließen. Zu den Investoren gehören den Angaben zufolge Redalpine Venture Partners, Earlybird Venture Capital und Valar Ventures.
„Monster-Funding“ hieß es im Mai 2021 über Trade Republik. Der 2019 gestartete Online-Broker schloss die dritte Finanzierungsrunde mit einem Volumen von rund 900 Mio. Dollar ab. Sie wurde angeführt von Sequoia. Der Wagniskapitalgeber aus den USA ist auch an Apple, Google und Klarna beteiligt. Das Fintech kam laut CB Insights zuletzt auf eine Bewertung von 5,3 Mrd. Dollar. Das war allerdings nur die Hälfte des deutschen Spitzenreiters.
Celonis ist das einzige deutsche Start-up, das in die Gruppe der Decacorns vorgestoßen ist. Damit sind Einhörner gemeint, die mindestens zehn Mrd. Dollar wert sind. Und das Münchner Softwareunternehmen wächst weiter. Anfang Juni 2021 verkündete es den Abschuss einer Serie-D-Finanzierungsrunde in Höhe von einer Mrd. Dollar. Das habe die Bewertung auf mehr als elf Mrd. Dollar erhöht. Die Finanzierungsrunde wurde laut Celonis von Durable Capital Partners LP und T. Rowe Price Associates angeführt. Das Unternehmen war im Juni 2016 mit einer ersten Finanzierungsrunde in Höhe von 27,5 Mio. Dollar gestartet. Celonis ist nach eigenen Angaben Marktführer im Bereich Execution Management. Die Software soll beispielsweise die Leistung in den Bereichen Produktion, Verwaltung oder Kundenservice verbessern.