Die Frauenquote für Aufsichtsräte hat Wirkung gezeigt. Zu diesem Schluss kommt das Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). 2015 wurde eine verbindliche Geschlechterquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen beschlossen. Schon zwei Jahre später erreichten die betroffenen Unternehmen diese Marke, im vergangenen Jahr lag der Anteil bereits bei 36 Prozent.
Weit weniger dynamisch zeigt sich die Entwicklung bei den Unternehmensvorständen: Wie das Managerinnen-Barometer zeigt, waren im Herbst des vergangenen Jahres gerade einmal 101 von 878 Vorstandsmitgliedern weiblich. Das entspricht einem Anteil von rund zwölf Prozent. Im Vergleich zu 2019 stieg der Anteil nur um einen Prozentpunkt. Bei den Dax-30-Unternehmen stagnierte der Frauenanteil sogar, von einer Frau angeführt wird derzeit keines dieser Unternehmen.
Doch warum verläuft die Entwicklung bei den Vorständen schleppender als in den Aufsichtsräten? Zum einen gibt es noch keine gesetzliche Quote, die den Anteil von Frauen festschreibt. Erst kürzlich brachte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg, der die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen regeln soll. Er sieht vor, dass börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit einem mindestens vierköpfigen Vorstand künftig einen der Vorstandsposten mit einer Frau besetzen müssen.
Gesetzliche Quote für Vorstände könnte Personalpolitik beeinflussen
Dieses Gesetz würde den Studienautorinnen zufolge eine deutliche Entwicklung anstoßen. Laut Managerinnen-Barometer wären von dem neuen Gesetz 74 Unternehmen betroffen, etwa 30 von ihnen haben bislang keine Frau im Vorstand. Würden diese Unternehmen künftig einen Posten mit einer Frau besetzen, stiege der Anteil der Vorständinnen in den betroffenen Unternehmen von 13 auf etwa 21 Prozent an. Im Unterschied zu Aufsichtsrätinnen werden Vorständinnen meistens aus den Hierarchieebenen direkt unterhalb des Vorstandes rekrutiert. Hier liegt jedoch ein Problem: Denn in eben diesen Hierarchieebenen sind Frauen unterrepräsentiert, so das DIW.
Doch gerade deswegen könne das Gesetz eine Wirkung haben, sagt Katharina Whorlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics in der Abteilung Staat am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Wir sprechen hier über 74 große, börsennotierte Unternehmen, die alle wissen, dass sie Frauen in die Vorstände berufen müssen“, sagt sie. „Wenn sie nicht darauf angewiesen sein wollen, diese Frauen auf dem externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren, also im Zweifel von anderen Unternehmen abzuwerben, müssen sie dafür sorgen, dass sie im eigenen Unternehmen Karrieremöglichkeiten schaffen und genügend Frauen die Möglichkeit geben, Berufserfahrung unmittelbar in der Hierarchieebene unterhalb des Vorstandes zu sammeln“, so Whorlich. Das könne dazu führen, dass sich die Personalpolitik in den betroffenen Unternehmen generell ändere.

Whorlich stellt jedoch auch fest, es sei nicht zu erwarten, dass sich durch ein Gesetz oder eine einzelne Maßnahme in kurzer Zeit deutlich etwas ändern werde. Aber das Gesetz sei ein erster wichtiger Schritt. „Wir müssen jetzt beobachten, wie sich das Gesetz auswirkt und ob es eine Art Strahlkraft entwickelt auch auf Unternehmen, die die Quote nicht unmittelbar erfüllen müssen“, sagt sie. Die Hoffnung sei, dass Geschlechterstereotype verblassen, je mehr Frauen in diesen mächtigen Positionen sichtbar seien, so Whorlich. Geschlechterstereotype seien ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. „Es gibt viele politische Ansatzpunkte, beispielsweise in der Familien- oder Steuerpolitik“, sagt Whorlich.
Im europäischen Vergleich steht Deutschland mit Blick auf den Frauenanteil unter Mitgliedern mit Exekutivfunktion in den höchsten Entscheidungsgremien der größten börsennotierten Konzerne nicht gut dar: Mit einem Anteil von 15 Prozent liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt von 19 Prozent. Spitzenreiter ist Litauen mit einem Frauenanteil von 29 Prozent. Anders zeigt sich der Vergleich der Frauenanteile unter Mitgliedern mit Kontrollfunktion: Hier liegt Deutschland mit einem Anteil von 36 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 31 Prozent – ein Grund dafür ist wohl die gesetzliche Quote. „Es wird Zeit, dass sich nach den Aufsichtsräten auch in den Vorständen endlich etwas tut“, sagt Wrohlich. Das sei auch im Interesse der Unternehmen, denn mehr Geschlechterdiversität wirke sich meistens „äußerst positiv“ aus.
Frauen in Kontrollgremien beeinflussen das Diskussionsklima
Welche Auswirkungen es hat, wenn mehr Posten in Kontrollgremien mit Frauen besetzt sind, hat eine zweite Studie des Managerinnen-Barometers untersucht. Dafür wurden 60 Männer und Frauen befragt, die insgesamt 75 Aufsichtsratsmandate in börsennotierten Unternehmen innehatten. Das Ergebnis: Frauen in Aufsichtsräten haben einen positiven Einfluss auf die Interaktion, Diskussion und Entscheidungsfindung in den Gremien.
„Viele Aufsichtsratsmitglieder haben geschildert, dass Diskussionen jetzt umfassender und facettenreicher geworden sind, dass sie intensiver und strukturierter geworden sind, dass ein größeres Meinungsspektrum zu Tage kommt und Themen von unterschiedlichen Richtungen beleuchtet werden“, fasst Anja Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Personalpolitik an der Freien Universität Berlin, die Untersuchungsergebnisse zusammen. Im Forschungsbericht wird ein Aufsichtsratsmitglied zitiert, das berichtet, der Umgang sei „sensibler“ und „rücksichtsvoller“ geworden.
Zudem berichteten Aufsichtsratsmitglieder davon, dass Frauen eine „Sparringsituation“ erzeugen, weil sie „beharrlich“ und „investigativ“ nachfragen. Es habe Äußerungen gegeben, dass Frauen die Entscheidungen des Vorstandes hinterfragen und mehr Informationen anfordern bevor sie Entscheidungen treffen, so Kirsch. „Wir kommen zu dem Schluss, dass die Geschlechterdiversität im Aufsichtsrat durch diese Stärkung der Diskussionen und das stärkere Hinterfragen von Entscheidungen dazu beitragen kann, die Vorstände effektiver zu kontrollieren“, sagt Kirsch.