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Volkswagen-Krise Mit diesem Aufsichtsrat wird keine VW-Fabrik geschlossen

VW-Vorstandsvorsitzender Oliver Blume im März bei der Jahrespressekonferenz der VW Group
VW-Vorstandschef Oliver Blume bringt Werksschließungen ins Spiel, und die Belegschaft gegen sich auf
© Jens Schicke / IMAGO
Deutschlands größter Autobauer geht es miserabler als angenommen. Nun erwägt Vorstandschef Oliver Blume Werksschließungen. Der Tabubruch könnte einen Machtkampf auslösen 

Der VW-Konzern ist krisenerprobt. Doch das, was der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume am Montag bei einer Führungskräftetagung verlauten ließ, dürfte Wolfsburg anders erschüttern. Der Autobauer muss den Gürtel noch enger schnallen, laut Unternehmensquellen geht es um bis zu 4 Mrd. Euro, die zusätzlich eingespart werden müssen. Dafür stehen nun auch ein deutsches Werk und die Beschäftigungssicherung auf der Kippe. Dass VW ausgerechnet jetzt mit zwei Tabus brechen will, hat seine Gründe. 

Bislang lief der Sparkurs noch verhältnismäßig geräuschlos. Kosten wurden vor allem durch Ausnutzung der sogenannten demografischen Kurve gesenkt. Das bedeutet, die Jobs der ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden schlicht nicht erneuert, wenn möglich, wurden Angestellte durch Altersteilzeit und Abfindungsprogramm zum freiwilligen Gehen bewegt. Jetzt steht fest, dass das nicht ausreicht, um den taumelnden Auto-Riesen zu stabilisieren. 

Der Volkswagen-Vorstand hat unterschätzt, wie ernst die Lage ist und wie schlecht der Konzern dasteht: Der europäische Automarkt stagniert bestenfalls, die Überkapazitäten in den VW-Werken steigen. Und in China, VWs größtem Absatzmarkt, hängt der deutschen Autobauer hinterher. Alles wurde so schnell elektrisch, sodass der technische und kostenmäßige Rückstand VW schon im vergangenen Jahr den Marktführerposten in China kostete. Gleichzeitig rauscht die chinesische Konjunktur schnell in den Keller, auch das macht dem Konzern zu schaffen. 

Mitarbeiter könnten Einfluss verlieren 

Angesichts dieser Entwicklung reicht die Zahl der freiwilligen Abgänge nicht aus, damit der Konzern seine – eigentlich gar nicht so üppigen – Ziele in Sachen Gewinnträchtigkeit erreichen kann. Der Vorstand fährt stärkere Geschütze auf. Dabei droht nun, eines der höchsten Güter des Konzerns unter die Räder zu kommen: der enorme Einfluss der Mitarbeitervertretung. 

Im Herbst stehen bei VW die Verhandlungen mit der IG Metall über einen neuen Haustarifvertrag für die westdeutschen Werke an. Die Gewerkschaft fordert sieben Prozent mehr über zwölf Monate. Das dürfte das VW-Budget nicht mal annähernd hergeben. Parallel dazu findet die Planungsrunde bei VW statt, bei der die Investitionen und Werksbelegungen festgezurrt werden. Dass die Arbeitnehmer dabei mitreden und mitbestimmen dürfen, ist einmalig in der Unternehmenslandschaft. Erst im vergangenen Jahr hat der Konzern etwa auf Druck der Mitarbeiter in der Planungsrunde zugesichert, in Wolfsburg einen elektrischen SUV bauen zu lassen, um die Beschäftigung ab 2026 zu sichern. Dieses Versprechen hat Vorstandschef Oliver Blume nun auch infrage gestellt. 

Kampfansage vom Vorstandschef 

Der Zuschlag für den E-SUV – einkassiert. Beschäftigungsgarantie bis 2029 – wackelt. Werksschließungen – angedroht. Blumes Ankündigungen stellen nicht nur einige Mitarbeiter-Privilegien in Frage. Sie gleichen einer Kampfansage. 

Der bislang als freundlich und zugewandt auftretende Vorstandsvorsitzende Blume geht in den offenen Konflikt mit Mitarbeitern und Betriebsrat. Er taktiert, er eskaliert. Auf der anderen Seite wird es sich der Betriebsrat kaum gefallen lassen, dass die Chefetage an den traditionellen Besitzständen und Ansprüchen der Belegschaft rüttelt. Gleichzeitig löst sich die wirtschaftlich schlechte Lage nicht einfach in Luft auf, ganz ohne Sparkurs geht es eben nicht – eine Pattsituation für beide Seiten. 

In Wolfsburg könnte es auf einen Machtkampf hinauslaufen. Die von Blume ins Spiel gebrachte Abschaffung der Jobgarantie und eine mögliche Werksschließung dürften dabei wohlpositionierte Verhandlungsmasse darstellen. Vor allem dass tatsächlich Fabriken geschlossen werden sollen, ist unwahrscheinlich, schließlich verfügen Arbeitnehmervertreter und das Land Niedersachsen im Aufsichtsrat über eine Mehrheit und damit über Blockademacht. 

Das Schicksal von Blumes Vorgänger Herbert Diess kommt vielen in diesen Tagen in Erinnerung. Dieser musste vor zwei Jahren seinen Posten räumen, unter anderem, weil er intern die Frage aufgeworfen hatte, ob man in Wolfsburg auf 30.000 Mitarbeiter verzichten muss. Inzwischen dürften deutlich mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. 

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