So etwas haben sie hier vermutlich noch nie gesehen: Ein Hoteltester, der mit PKW und Transporter anreist. Der Grund ist banal. Mein Sohn zieht von Köln in die Schweiz und wir haben einen Teil seines Hausstandes auf meinen Wagen und einen Miet-Sprinter verteilt. Baiersbronn ist unser Zwischenstopp, und bei der Ankunft im Hotel Engel Obertal eilen uns sofort zwei Mitarbeiter zu Hilfe. Selbst der Gärtner stellt seinen Rechen beiseite und kommt dazu. Sein süffisantes „Ziehen Sie hier ein?“ wird von einem freundlichen Augenzwinkern begleitet.
Das können die Schwarzwälder, nämlich einem Gast das Gefühl zu geben, man habe nur auf ihn gewartet. Da ist Hoteldirektor Simon keine Ausnahme, der diese Willkommenskultur aus seinem vorherigen Job als stellvertretender Direktor des Brenners Parkhotel in Baden-Baden mitgenommen zu haben scheint. Auf einer Landkarte in der Lobby zeigt er mir, worauf sie hier alle stolz sind: den Nationalpark Schwarzwald, eine der schönsten Waldlandschaften Deutschlands. Und das Hotel „Engel Obertal“ liegt mittendrin. Wer die Lobby verlässt, betritt quasi gleich einen Wanderweg, und auch der Mummelsee mit seinen reizvollen, mitunter anspruchsvollen Touren ist nicht weit entfernt.
Vom Schwarzwald-Gasthof zum Wellness-Resort
Das Fünf-Sterne-Superior-Hotel und sein weitläufiges Gelände fügen sich harmonisch ein in die Umgebung mit ihren Hochflächen, Bergheiden und Hochmooren. Die in sich geschlossene Anlage wirkt wie ein eigenes Dorf im Dorf Obertal und besteht aus mehreren Häusern, gepflegten Wiesen sowie einem Wellnessbereich drinnen wie draußen.
Der einstige Gasthof wurde 1780 als „Fuhrmanns-Wirtschaft und Wursterei“ gegründet, direkt gegenüber vom heutigen Standort. Von 1948 bis 2017 war das Hotel in den Händen von Familie Möhrle aus Baiersbronn, dann übernahm die deutsche Unternehmerfamilie Mankel das Hotel und integrierte es in ihre „Fährhaus Hotel Collection“. Der Charme eines familiengeführten Hotels und das „Der Gast ist König“-Gefühl sind geblieben.
Die 95 Zimmer und Suiten verteilen sich auf vier miteinander verbundene Häuser. Elsa und Paul Möhrle sowie die nachfolgenden Generationen erweiterten die ehemalige „Beherbergungsstätte“ kontinuierlich. Erst jüngst wurde das Ursprungshaus namens „Buhlbachsaue“ renoviert, wo nun 28 neue Zimmer und Suiten im modernen Schwarzwaldstil mit viel Licht durch bodentiefe Fenster zur Verfügung stehen. Neu eingeführt wurde zudem die Kategorie „Modernes Superior Doppelzimmer“ mit warmen, angenehmen Farben, hellen Holzfußböden und hochwertigem Mobiliar.
Hotel mit eigenen Chalets für Familien
Regionales Flair ist auch in den sechs Chalets präsent, die 2020 errichtet wurden. Hier bieten der nach oben offene Wohnbereich sowie je zwei Schlafzimmer und Badezimmer viel Platz für Familien. Besonders gut gefällt mir die Infrarotsauna im Obergeschoss – perfekt, um sich nach einem Wandertag im herbstlichen Schwarzwald aufzuwärmen und zu entspannen. Nur ein Detail des umfassenden Wellness-Konzeptes, das seit dem Inhaberwechsel stetig weiterentwickelt wurde.
Der Spa-Bereich umfasst insgesamt bereits 5000 Quadratmeter, doch das reicht den Besitzern nicht. Für den Abend lädt mich der Hoteldirektor zur Einweihung einer Aufguss-Panoramasauna und eines gläsernen Dampfbades ein, mit denen das Saunadorf – samt Erd- und Kaminsaunen in Blockhäusern und Naturbadeteich – weiter wächst. Ob im Süß- oder Salzwasser-Pool oder im Fitnessraum mit acht Metern Deckenhöhe – überall lockt der Blick auf den idyllischen Schwarzwald. Planen Sie unbedingt den Besuch der Salzlounge mit ein, wo blauer Salzstein aus dem Iran dekorativ integriert wurde. Im Feng-Shui wird ihm positive Wirkung auf Stresshormone und das Immunsystem zugeschrieben. Im Floating-Pool der Lounge schwebt man bei 36 Grad Wassertemperatur auf einer hochprozentigen Sole. Herrlich.
Acht Michelin-Sterne im kleinen Baiersbronn
Um hervorragend zu speisen, braucht kein Gast das Resort zu verlassen. Die Küche mit den beiden Chefs Markus Wolf und Peter Müller steht für bodenständige, regionale und schwäbische Gerichte mit Zutaten wie Reh aus dem Schwarzwald oder Forelle aus einer Obertaler Zucht. Und natürlich führt kein Weg an einem Stück Schwarzwälder Kirschtorte aus der Hotel-Patisserie vorbei.
Das Fine Dining überlassen die Engel-Köche den Restaurants in Baiersbronn, die den kleinen Ort mit gleich acht Michelin-Sternen zu den besten Gourmetadressen überhaupt gemacht haben. Die „Schwarzwald-Stube“ des Hotels „Traube Tonbach“ und das Restaurant „Bareiss“ halten allein jeweils drei Sterne und zählen für mich zur absoluten Weltspitze. Zum Vergleich: In der Haute-Cuisine-Hauptstadt Paris mit 2,2 Millionen Einwohnern und unzähligen Touristen gibt es gerade einmal neun Restaurants, die drei Sterne halten. Ich entscheide mich für ein Dinner in der „Traube Tonbach“, die sich gerade für die Zukunft neu aufstellt. Mit Investitionen von 20 Mio. Euro werden die Fassaden modernisiert und die Hotelzimmer umgebaut, um zur Elite der Luxushotellerie aufzuschließen.
Beim Abschluss-Tee mit Hoteldirektor Simon Sein frage ich mich, warum solche herzerwärmende Gastfreundschaft meist nur in der Individual-Hotellerie möglich ist, also in unabhängigen Häusern oder kleineren „Kollektionen“. Warum gelingt das großen Hotelketten so selten?
Das „Kontorhaus“ auf Sylt, wo man seit langem eigenen Tee herstellt, gehört ebenfalls zur Fährhaus Collection. Das „Engel Obertal“ hat nun mit Schwarzwälder Tee-Kreationen nachgezogen, die mir gut schmecken. Der letzte Schluck aus der Porzellantasse holt mich gedanklich zurück zur bevorstehenden Abreise. Und zur Plackerei mit dem Sprinter. Macht nichts, denn die Auszeit im „Hotel Engel Obertal“ haben mich mit frischer Energie versorgt, dank der ich den Umzug gestärkt fortsetzen kann.