Was Dieter Müller und Ursula Schelle-Müller machen, das machen sie richtig. Etwa mit der Gründung der Erfolgskette Motel One, dem Vorreiter für sogenannte Smart-Budget-Konzepte. Das Ehepaar schuf sich damit ein lukratives Lebenswerk und wurde erneut kreativ: Es folgten das herrliche Kitzhof Mountain Design Resort in Kitzbühel und das gemütliche Grassauer Resort Das Achental. Nun eröffneten sie das luxuriöse Chiemgauhof Lakeside Retreat in der kleinen Gemeinde Übersee.
Der erste Eindruck: Das Hotel wirkt, als habe es ein Regisseur in die umwerfende Kulisse des südöstlichen Chiemsee-Ufers setzen lassen. Eine magische Präsenz, die der Mailänder Stararchitekt Matteo Thun inszenierte – so zauberhaft wie bei vielen anderen Hotelprojekten aus seiner Feder. Den neuen Chiemgauhof hat Thun gemeinsam mit Ursula Schelle-Müller entwickelt, die auch im Motel One ihr Design-Know-how gewinnbringend einbrachte.
Zwischen Seeufer und dem Naturschutzgebiet Feldwieser Bucht übersetzte das Team den Charme bayerischer Scheunen ins 21. Jahrhundert, eine zeitgemäße Interpretation der historisch eher schlichten alpenländischen Architektur. Das Ensemble besteht aus drei flachen Gebäuden mit Natursteinsockeln und regionalem Lärchenholz als wichtigstem Fassadenelement. Dazu kommen große Glasflächen und Dächer aus Naturschindeln. Eine attraktive Brücke von der reduzierten Gestaltung moderner Rückzugsorte zur Umgebung mit ihren alten Eichen und viel Tradition.
Neuer Luxus auf dem Chiemgauhof
Mittlerweile haben sich auch die wenigen Kritiker beruhigt, die es bei Bauvorhaben am Chiemsee nahezu immer gibt. Sie befürchteten einen vom Dorf und seinen Bewohnern abgeschotteten Riesenkomplex. Der im Jahr 2022 abgerissene Chiemgauhof war ihnen lieb geworden: Dorthin ging man für bezahlbare Mittag- und Abendessen, ein Helles oder einen Wein im Biergarten und genoss die hinter der Herreninsel glutrot abtauchende Sonne. Manche Nacht an der Sundowner-Bar soll legendär gewesen sein …
Nach einer Besichtigung des neuen Chiemgauhofs waren die anfänglichen Bedenken rasch ausgeräumt. Als kluger Schachzug öffnet die Gastronomie – drinnen wie draußen – ab 12 Uhr auch für Nichtgäste. Am Sonntag gibt es einen Braten auf der Karte, der mit einem Preis von 28 Euro noch bezahlbar bleiben sollte – damit neuer Luxus und regionale Identität zu Harmonie finden.
Den Braten, wie auch frisches „Beuschel“ – ein Ragout aus Kalbsinnereien – oder mit hausgemachter Blutwurst veredelte Kroketten, bereitet Max Müller zu. Der Chef des Restaurants Chiemgauhof hat das gastronomische Angebot mit Edip Sigl ausgetüftelt, der im nahen Stammhaus Achental sein Drei-Sterne-Restaurant es:senz betreibt. Das Gemüse, ganze Kälber oder Schweine kauft Müller bei Bauern aus der Region. Als etwas exotischer entpuppt sich die Lakeside Bar, das zweite kulinarische Standbein. Sie setzt auf Kreationen von Sushi-Meister Naoki Terai aus München, der dafür Fische aus dem See verarbeitet.
Zwischen beiden Häusern wurden weitere praktische Synergien erschlossen. Zum Beispiel verkehren Elektrobusse in rund 15 Minuten zum Achental, etwa für eine Partie Golf oder ein Dinner im es:senz. Andersherum lockt ein Sunset-Cocktail im neuen Chiemgauhof. Dessen Wellnessbereich ist eher klein, besitzt aber einen 18 Meter langen, beheizten Außenpool, einen Yoga- und Fitnessbereich – und die Möglichkeit, vom hoteleigenen Steg direkt in den klaren Chiemsee zu springen.
Das Haus hat 28 Suiten, die alle einen Blick über das „bayerische Meer“ oder in die Berge bieten. Ihre geölten Eichenböden, die teils handgewebten Teppiche des Chiemgauer LPJ Studios und die Bäder mit dunklem Naturstein neben hellem Holz fügen sich famos in das übrige Ambiente. Die Kacheln der Kaminöfen stammen von der Inseltöpferei Klampfleuthner auf der Fraueninsel. Ein Clou der Chiemsee-Suiten: japanisch inspirierte Lärchenholz-Badewannen! Zu sehen sind auch Gemälde von Julius Exter, einem Vertreter der Münchener Secession, der in der Nähe einst den künstlerischen Nachwuchs unterrichtete.
Mein Vertrauen in den Erfolg des Chiemgauhofs hat zudem personelle Gründe, nämlich Managing Director Nikolai Bloyd und Resident Manager Louis Steinle. Der eine hat sich im legendären Hideaway Schloss Elmau einen guten Ruf erarbeitet, der andere ist der aktuelle „101 Next Generation Hotelier des Jahres“ und hat sich im Achental bewährt. Beide sind Garanten dafür, dass der Chiemsee künftig von mehr Besuchern als Ziel gebucht werden wird – und nicht bloß als Station auf dem Weg in die Alpen.