Schlimmer geht’s nimmer auf dem Weg nach St. Moritz. Ich habe mein iPad im Flugzeug vergessen, an einem Samstagnachmittag. Was jetzt? Meine Rettung ist ein Anruf bei Matteo Piazza, dem Concierge des Badrutt’s Palace, meines Reiseziels. Er bleibt ruhiger als ich und lässt sich den Kontakt meines IT-Fachmanns geben. Rund 100 Minuten später überreicht er mir beim Check-in ein neues iPad mit allen benötigten Daten darauf. Phänomenal!
Nach meinem holprigen Start nimmt mein Test-Aufenthalt in dem geschichtsträchtigen Luxushotel am St. Moritzersee einen glücklichen Verlauf. Das „Badrutt’s Palace“ wurde 1896 von Caspar Badrutt eröffnet, dessen Vater Johannes einst den Wintertourismus nach St. Moritz gebracht hat. Zudem verwandelte Johannes Badrutt eine Zwölf-Betten-Pension in das mondäne Kulm Hotel St. Moritz, der Grundstein für ein Imperium.
Auch im „Badrutt’s Palace“ ist das Bemühen um Harmonie zwischen gestern und heute sichtbar – und erfolgreich. Ein gutes Beispiel sind die Zimmer: Holzdielen, Mobiliar im Regency-Stil, türkische Teppiche und italienische Tapeten, in Szene gesetzt von funkelnden Kristalllüstern. Ein in seiner Eleganz geradezu zeitloser Mix. Doch damit endet die Liebe zum Detail noch lange nicht. Im weißen Marmorbad steht eine Rose, frisches Bergwasser läuft aus dem Hahn, mein Lieblingstee von Ronnefeldt ist parat, das Obst gleicht einem Gemälde. Der Bademantel, die Badeschlappen, selbst der fesche Sommerhut tragen das Logo des Badrutt’s – und meine Initialen. Zahllose nette Gesten, wie eine handgeschriebene Begrüßungskarte vom Hoteldirektor Richard Leuenberger.
Im Hotel Badrutt's hängt Kunst von Gerhard Richter
Leuenberger kennt das Haus gut, in dem er als F&B-Manager arbeitete und nach einer längeren Zeit in Asien im Jahr 2018 hierher zurückkehrte. Damals löste er Hans Wiedemann als Direktor ab, der seitdem im Verwaltungsrat sitzt. Ein nahezu unschlagbares Duo, in dem Wiedemann den Part des visionären Treibers und Spiritus Rector bekleidet. Mit seinem Faible für Kunst und Kulinarik bringt er immer wieder frische Energie ins Haus – und Werke von Gerhard Richter oder Julian Schnabel, die in der Palace Galerie hängen. Leuenberger bringt zudem mit der Eventreihe „La Coupole“ regelmäßig Starköche wie Massimo Bottura und Andreas Caminada ins Engadin.
Bei den exklusiven Konzerten im privaten Rahmen des Embassy Ballrooms treten Stars wie Ute Lemper, Gianna Nannini oder Macy Gray auf. Auch das hat Tradition, schließlich begeisterte Marlene Dietrich hier schon in den 1930er Jahren berühmte Hotelgäste wie Charlie Chaplin und Alfred Hitchcock, nach dem meine Suite benannt wurde. Und Gunter Sachs liebte das Hotel so sehr, dass er sich mehrere Jahre lang im Hotelturm einmietete, den er von Andy Warhol einrichten ließ.
Das Hotel bewahrt seine Position als eines der weltbesten Grandhotels dank eines Innovationsgeistes, der nach fast 130 Jahren ungebrochen ist. Was auch daran liegt, dass die Eigentümer ihren Gewinn zu 100 Prozent reinvestieren. So wurde erst kürzlich der Anbau „Serlas Wing“ gegenüber dem Haupthaus eröffnet, der 13 Zimmer und zwölf Suiten bietet. Deren Ambiente ist mondän und modern: Die Wände, Vorhänge und Möbel sind mit feinen Loro-Piana-Stoffen bezogen, die Badezimmer mit dem Naturstein Grigio Alpi aus Vicenza ausgelegt. Ob ganz traditionell oder zeitlos schlicht – im Badrutt’s Palace haben Gäste nun die Wahl.
Trüffel-Pizza und Outdoor-Pool
Der Clou: ein unterirdischer Tunnel, der mich nach 80 Sekunden Fahrt auf der zweitlängsten Rolltreppe der Schweiz zum Haupthaus und den elf Restaurants bringt. Meine erste Empfehlung ist das „Chesa Veglia“, ein 1685 errichtetes Bauernhaus, wo Sie unbedingt die fantastische Pizza „Dama Bianca“ probieren sollten. Vor dem Steinofen kommen statt Tomatensauce der italienische Rotschmierkäse Taleggio, Parmesan und jede Menge Trüffel auf den rohen Teig.
Für Hoteldirektor Richard Leuenberg gehören die Restaurants zu den ungezwungenen „Social Spaces“, die ein Gast von Hotels heute erwartet. Für authentische Erlebnisse, für den Kontakt mit Urlaubern auf gleicher Wellenlänge und Erinnerungen, die bleiben. Neben der „Chesa Veglia“ gehören die imposante Lobby und die „Renaissance“-Bar dazu. Nur der Service muss überall gleich sein, nämlich perfekt.
Für mich ist Badrutt’s Palace eine sehr lebendige Legende. Eine, die mit einem Umsatz von knapp 90 Mio. Franken bei nur 175 Zimmern zu den umsatzstärksten Hotels in Europa zählt. Die strategische Ausrichtung auf das Sommergeschäft, wie es auch andere Betreiber im Engadin tun, trägt zu diesem Erfolg bei. Im Winter sei man eh ausgebucht, sagt der Hoteldirektor. Weitere Weichen für die Zukunft stellt Leuenberg mit seinem „Spa-Masterplan“. Der Outdoor-Pool, groß wie ein Fußballfeld, sei erst der Anfang, denn Wohlfühlen brauche Platz. Nach einem Aufenthalt im weitläufigen Badrutt’s Palace kann ich das nur unterstreichen.