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Innovativste Unternehmen Wenzel – Messtechnik nach Maß

Firmenchefin Heike Wenzel mit einer Anlage, auf der Kurbelwellen vermessen werden
Firmenchefin Heike Wenzel mit einer Anlage, auf der Kurbelwellen vermessen werden
© Constantin Mirbach
Der Messtechnikhersteller Wenzel geht neue Wege auch bei Arbeitszeit: Das Unternehmen hat die Vier-Tage-Woche eingeführt. Und auch bei den Messgeräten tüftelt die Firma immer wieder an neuen Lösungen. Und wer kein eigenes Gerät kaufen will, kann auch von Wenzel messen lassen

Freitags haben sie bei Wenzel in Wiesthal frei. Vor einem Jahr hat der Messtechnikhersteller aus dem Spessart die Vier-Tage-Woche eingeführt. „Um Fachkräfte zu halten und zu gewinnen, müssen wir etwas bieten“, sagt Heike Wenzel, geschäftsführende Gesellschafterin der Firmengruppe. Doch in einer der Hallen herrscht an diesem Freitag im Januar trotzdem Betrieb: Zwei Mitarbeiter schieben eine Sonderschicht an einer Anlage, mit der ein großer Industriemotorenhersteller künftig prüfen will, ob seine Kurbelwellen präzise gefertigt sind.

Das Messgerät Typ LH 1512 ist ein Trumm mit Feingefühl: als Basis ein tonnenschwerer Granitblock, da­rüber ein stählernes Portal, an dem die Mess­apparatur befestigt wird. „Damit lassen sich Abweichungen von zwei Tausendstel Millimetern feststellen“, sagt Wenzel. Kaufpreis: rund 300.000 Euro.

Rund 250 Messgeräte verlassen jedes Jahr das Werk auf halber Strecke zwischen Würzburg und Frankfurt. Weitere 200 werden in Schanghai gefertigt, sofern Lockdowns nicht die Produktion lahmlegen. Weltweit rangiert das Familienunternehmen mit rund 600 Mitarbeitern und etwa 75 Mio. Euro Umsatz auf Rang vier hinter dem deutschen Rivalen Zeiss aus Oberkochen und zwei Spezialisten aus Schweden und Japan.

Apparate nach Kundenwunsch

In der Autobranche, in der Medizintechnik, im Flugzeugbau – überall sind Unternehmen auf genaue Messungen angewiesen, um die Qualität von Kurbelwellen, Turbinenschaufeln oder Hüftgelenken zu belegen. Meist geschieht das mittels Sensoren oder optischer Systeme. 1968 begann Werner Wenzel, der Vater der heutigen Chefin, in einer Halle neben dem Familienheim Messgeräte zu bauen. Haus und Halle sind heute Teil des Wenzel-Werks. In Heikes früherem Kinderzimmer arbeiten mittlerweile Mitarbeiter der IT-Abteilung. „Wir haben als Handwerksbetrieb angefangen. Da kommen wir her, das ist unsere Stärke“, sagt die 51-Jährige.

162 Seiten umfasst der aktuelle Produktkatalog; trotzdem wird ein Großteil der Apparate nach Kundenwunsch gefertigt. Speziallösungen – etwa für extralange Objekte – sind kein Problem, da fast alles im Unternehmen gefertigt wird: Ein Team von Schweißern baut die Portale, und selbst der Granit wird in der eigenen Läpperei geglättet.

Seit einigen Jahren treiben die Entwickler – darunter Mathematiker, Physiker, Softwareingenieure – eine Technologie voran, mit der sich sogar das Innere von Bauteilen vermessen lässt: Computertomografie (CT). Im Trainings­center abseits der Werkhallen sitzt Lukas Pfreundner neben einem tiefkühltruhengroßen CT-Gerät und blickt kritisch auf seinen Monitor. In Grauschattierungen ist dort das Innere eines Akkus zu sehen, in dem eine Folie vielfach geschichtet ist, daneben ist eine Skala eingeblendet. Eine der Schichten ist leicht versetzt. „Im Betrieb könnte das zu Problemen führen“, sagt der Anwendungstechniker, der Kunden mit dem System vertraut macht.

Um neue Kunden zu gewinnen, überlegen sie sich in Wiesthal immer neue Strategien: Wer sich kein eigenes Gerät leisten will, kann seine Teile auch von Wenzel vermessen lassen: Sie werden abgeholt und samt Messprotokoll zurückgeschickt. In Zukunft können Kunden sogar komplette Systeme in ihre Firma stellen, zahlen aber lediglich pro Messvorgang. Ausrangierte Apparate werden neuerdings mit aktueller Sensortechnik und Software aufgerüstet und günstig als „Ecoline“-Modelle verkauft. „Unser Vorteil ist, dass wir nicht ewig diskutieren, sondern Dinge schnell umsetzen“, sagt Heike Wenzel. Im Oktober wurde die Ecoline-Idee geboren, und die ersten Geräte sind jetzt schon verfügbar.

Noch schneller ging es mit der Einführung der Vier-Tage-Woche. Da dauerte es vom Beschluss bis zur Einführung gerade einmal einen Monat.

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