Anzeige

Karsten Wildberger So will der Digitalminister die Bürokratie zurückdrängen

Digitalminister Karsten Wildberger auf dem Weg zur Kabinettsklausur in der Berliner Villa Borsig
Digitalminister Karsten Wildberger auf dem Weg zur Kabinettsklausur in der Berliner Villa Borsig
© photothek.de / Florian Gaertner / Picture Alliance
Mit einer Modernisierungsagenda will Digitalminister Karsten Wildberger zeigen, wie der Staat reformiert werden soll. Aber kann er seine ambitionierten Pläne auch umsetzen?

16 Mrd. Euro – diese beträchtliche Summe will die Bundesregierung bis Ende der Legislaturperiode Unternehmen ersparen, indem überflüssige Bürokratie abgebaut wird. Es ist das Herzstück der Modernisierungsagenda von Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) – und eine höchst ambitionierte Zielsetzung. Dass die inzwischen bei etwa 64 Mrd. Euro im Jahr angesetzten Kosten für den Bürokratieaufwand für Unternehmen um ein Viertel sinken sollen, war bereits im Koalitionsvertrag festgehalten worden. 

Wie genau die Summe erreicht werden soll, ist allerdings auch nach der zweitägigen Kabinettsklausur unklar. Das dürfte letztlich für die gesamte Modernisierungsagenda gelten, die das Kabinett heute verabschiedet hat: Die Pläne sind ambitioniert – aber wird es auch was mit der Umsetzung?

Die Regierung habe sich „eine sehr hohe Messlatte gesetzt“, sagt der Ökonom Klaus-Heiner Röhl vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft zu Capital. „Die Frage ist, ob alle Ministerien bereit sind, da mitzuziehen. Mit ein bisschen mehr Digitalisierung und der Vereinfachung einiger Paragraphen wird es nicht getan sein – so erreicht man keine 25 Prozent.“ Was nötig sei: Die Regierung müsse „an die Inhalte rangehen, etwa an das Arbeits- oder Umweltrecht. Und da wird es dann natürlich sehr schwer.“ Denn die Fachministerien haben in der Regel gute Gründe, warum einmal eingeführte Regeln nicht einfach geschleift werden sollten. Und schnell gerät man von rein technokratischen Fragen an sensible politische Inhalte: Dass ein SPD-geführtes Arbeitsministerium etwa den Arbeitsschutz entscheidend zurückschrauben wird, scheint wenig wahrscheinlich.

Milliarden sparen durch weniger Bürokratie

Der Abbau von Bürokratie, der zwar über alle Parteigrenzen hinweg befürwortet wird, gestaltete sich daher in der Vergangenheit stets als höchst umständliche Angelegenheit. Seit 2015 schnürten unterschiedliche Bundesregierungen insgesamt fünf Bürokratieentlastungsgesetze. In Summe sollten die Gesetze für Entlastungen in Höhe von 3,2 Mrd. Euro sorgen – ob die gewünschten Effekte überhaupt so eingetreten sind, ist dabei diskutabel. Klar ist: Die reine Dimension eines 16-Milliarden-Pakets, wie es sich die aktuelle Regierung vorgenommen hat, liegt um ein Vielfaches darüber.

Daneben will die schwarz-rote Koalition den Erfüllungsaufwand für Bürger, Unternehmen und Verwaltung durch Regulierung senken: Er soll um 10 Mrd. Euro bis Ende der Legislatur sinken. Auch hier fehle ihm „ehrlich gesagt die Fantasie, wie da so viele Milliarden eingespart werden sollen“, konstatiert Röhl. Denn der Erfüllungsaufwand steigt auch durch die substanziellen Kosten neuer Gesetze und Regeln – was im letzten Jahrzehnt vor allem die Anstiege beim Mindestlohn waren.

Einen dritten entscheidenden Hebel hatte die Regierung in der Einführung einer sogenannten „One in, two out“-Regel gesehen: Bislang gilt, dass für jeden Euro, die ein neues Gesetz Wirtschaft und Bürger kostet, ein Euro an anderer Stelle eingespart werden muss („One in, one out“). In Wildbergers Modernisierungsagenda aber findet sich hierzu kein Umsetzungsplan – was Röhl nicht verwundert: Denn ein solcher Beschluss würde „die neue Gesetzgebung praktisch lahmlegen. Denn man müsste immer doppelt so hohe Entlastungen für jedes neue Gesetz finden. Die Fachministerien, insbesondere die SPD-geführten, werden sich mit Händen und Füßen dagegen wehren.“ 

Immerhin: Wildberger will binnen drei Monaten „eine Beschlussfassung zur Modifizierung der Ausnahmen“ der bestehenden „One in, one out“-Regelung vornehmen. Zu denen zählen zurzeit noch sämtliche Gesetzesvorlagen, die auf EU-Vorgaben basieren, sowie Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. In ersten Entwürfen der Modernisierungsagenda war allerdings noch von einer „Abschaffung der Ausnahmen“ die Rede.

Wildbergers „Hebelprojekte“

Die Agenda enthält daneben eine Reihe weiterer Vorhaben – sogenannte „Hebelprojekte“, mit denen der aus der Wirtschaft gewechselte Minister zeitnah für spürbare Veränderungen bei Unternehmen und Bürgern sorgen will. Ein Beispiel ist die Zentralisierung der digitalen Fahrzeugzulassung auf einer Plattform. Zudem soll eine 24-Stunden-Unternehmensgründung möglich werden und eine digitale „Work-and-Stay-Agentur“ die Fachkräfteeinwanderung erleichtern. 

IT-Arbeitsplätze in der Bundesverwaltung sollen standardisiert werden. Und: Auf einem Bürokratiemeldeportal dürfen Bürger künftig konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Das Ganze sei „ein großer Schritt, um Bürger und Unternehmen zu entlasten“, so Wildberger. „Diese Agenda bildet die Arbeitsgrundlage für die Legislaturperiode – mit konkreten Vorhaben, die nun nachhaltig und Schritt für Schritt umgesetzt werden müssen.“

Unter Digitalexperten wird das Maßnahmenpaket allerdings nicht gerade wie ein großer Wurf aufgenommen. Bernd Schlömer, FDP-Staatssekretär für Digitalisierung in Sachsen-Anhalt, fasst seinen Eindruck gegenüber Capital so zusammen: „Es sind sehr viele Maßnahmen und Projekte benannt worden. Ob es aber wirklich der große Sprung nach vorne ist, bleibt abzuwarten.“ Viele Ideen kamen Schlömer auch bekannt vor: „Die Konsolidierung der Bundes-IT ist beispielsweise nach meiner Beobachtung seit Jahren ein Thema und nie erfolgreich vollzogen worden. Auch die Zentralisierung der internetbasierten Kfz-Zulassung wurde schon in der letzten Legislaturperiode von den Ländern vorgeschlagen und der Bund hat seither ergebnisoffen geprüft.“ Da gehe es also letztlich nur um die „Umsetzung einer längst vorhandenen Idee“.

Modernisierungsagenda – ein „dickes Paket!“

Immerhin: Die Ex-Verlagsmanagerin Julia Jäkel, die mit ihrer Initiative für einen handlungsfähigen Staat seit Monaten die Spitzenpolitik zu einer grundlegenden Staatsreform berät, zeigte sich am Mittwoch positiv überrascht: Es sei „ein richtig dickes Paket“, schrieb sie auf Linkedin. Eine ganze Reihe von Vorschlägen ihrer Initiative habe sich – wie schon im Koalitionsvertrag – auch in der Modernisierungsagenda wiedergefunden. Zwar seien die Vorschläge „bisher nur Papier“, so Jäkel. „Doch konkretisieren sich inzwischen viele Dinge“, die Agenda sei „präzise und mit fassbaren Zielen und Projekten unterfüttert“.

Für die muss es nun in die Umsetzung gehen – so wie Wildberger es seit Monaten predigt: Man müsse endlich „ins Machen kommen“.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel