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Bau-Turbo Was Deutschland in der Baupolitik von anderen Ländern lernen kann

Betonwände aus Stahlbeton werden zu einem Rohbaufür Mietwohnungen geliefert
Der Wohnungsbau in Deutschland stockt – nicht nur wegen hoher Baukosten und stark gestiegener Bauzinsen
© Rolf Vennenbernd/dpa / Picture Alliance
Der geplante „Bau-Turbo“ der Bundesregierung könnte bei der dringend notwendigen Beschleunigung im Bauwesen helfen. Bei der Umsetzung sollten erfolgreiche Modelle aus anderen Ländern als Vorlage dienen, meint Apostolos Bibudis

Ein zentrales Thema im Koalitionsvertrag ist der Abbau bürokratischer Hürden. Auch im Baubereich sind Genehmigungsverfahren und administrative Hürden in Deutschland oft der größte Hemmschuh für die Entwicklung neuer Projekte. Doch der „Bau-Turbo“, den Schwarz-Rot beschlossen hat, wird nur dann ein Erfolg, wenn es gelingt, die Bürokratie deutlich zu verringern und den Planungsprozess zu beschleunigen. 

Ein Blick in die Niederlande zeigt, wie Bauanträge digital abgewickelt werden und so die Bearbeitungszeit erheblich verkürzt wird. Diese Digitalisierung könnte auch in Deutschland den Weg für schnellere Genehmigungen ebnen und gleichzeitig für mehr Transparenz sorgen. Die Herausforderung liegt aber nicht nur in der Digitalisierung von Anträgen. Es geht auch darum, Genehmigungsverfahren zu vereinheitlichen und verbindliche Standards zu setzen.

Einheitliche Standards für grüne Bauprojekte

Neben der Bürokratie ist der nachhaltige Wohnungsbau ein weiteres entscheidendes Thema. In Schweden ist es seit Jahren Standard, dass Neubauten höchsten Umweltstandards entsprechen und energieeffizient gebaut werden. In Deutschland könnte eine stärkere Förderung von energieeffizientem Bauen langfristig nicht nur der Umwelt, sondern auch den Bauherren selbst zugutekommen. Grüne Gebäude bedeuten geringere Betriebskosten und höhere Marktwerte. Die Politik muss daher dringend einheitliche Standards und eine stärkere Förderung von grünen Bauprojekten etablieren.

Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bleibt eine der größten Herausforderungen. In Metropolen wie Berlin oder München herrscht weiterhin ein akuter Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Der „Wiener Weg“, bei dem der öffentliche Sektor in Zusammenarbeit mit privaten Bauträgern langfristig bezahlbare Mietpreise garantiert, könnte ein Modell für deutsche Städte sein. In Wien hat sich dieses System bewährt, um die soziale Durchmischung zu erhalten. Auch in Deutschland gibt es Städte, in denen eine ähnliche Praxis bereits funktioniert. Hier muss die Politik den Rahmen setzen, damit auch kleinere Städte und ländliche Gebiete von solchen Modellen profitieren können.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Steigende Energiekosten und die aktuellen Zinsen stellen eine enorme Belastung für die Baubranche dar. Besonders kleinere Bauunternehmen sehen sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Hier könnte die Politik durch steuerliche Anreize und die Förderung von nachhaltigen Bauprojekten den Markt stabilisieren. Ein Beispiel aus Kanada zeigt, wie steuerliche Erleichterungen für umweltfreundliche Bauprojekte nicht nur den Markt ankurbeln, sondern auch den Übergang zu grünerem Bauen fördern können.

Darüber hinaus ist es entscheidend, dass der ländliche Raum nicht vernachlässigt wird. In vielen ländlichen Regionen ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ebenfalls ein Thema. Hier könnten maßgeschneiderte Förderprogramme helfen, den Bau von Wohnungen zu fördern. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen städtischem und ländlichem Wohnungsbau ist notwendig, um die Abwanderung aus dem ländlichen Raum zu stoppen und dort wieder attraktive Lebensbedingungen zu schaffen. 

Konkrete Handlungsanweisungen fehlen

Die größte Herausforderung bleibt jedoch die praktische Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Koalitionsvertrag liefert gute Ansätze, doch es fehlt an konkreten und zeitnahen Handlungsanweisungen. Der „Bau-Turbo“ kann nur dann erfolgreich werden, wenn die notwendigen Schritte zügig und entschlossen umgesetzt werden. Erfolgreiche Modelle aus anderen Ländern wie den Niederlanden, Schweden oder Österreich bieten wichtige Ansätze, die als Vorlage dienen können – aber es braucht auch einen politischen Willen, diese erfolgreich umzusetzen.

Die Umsetzung des „Bau-Turbos“ erfordert klare, zielgerichtete Maßnahmen von allen Beteiligten - der Politik, der Bauwirtschaft und den Investoren. Nur durch konkrete und praxisorientierte Schritte kann der Wohnungsbau in Deutschland nachhaltig und zukunftsfähig gestaltet werden. Es muss nicht nur mehr gebaut werden - es muss besser gebaut werden. Dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, die Innovation, Nachhaltigkeit und bezahlbaren Wohnraum miteinander verbinden.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten - von den politischen Entscheidungsträgern, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, bis hin zu den Unternehmen, die den Wohnungsbau vorantreiben. Es bedarf eines echten Dialogs zwischen den verschiedenen Akteuren, um Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen der Bevölkerung und den Anforderungen der Branche gerecht werden. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und der Privatwirtschaft muss weiter gestärkt werden, um den Herausforderungen des Marktes gerecht zu werden.

So wie bisher darf es jedenfalls nicht weitergehen. Es reicht nicht, ambitionierte Ziele zu formulieren. Sie müssen auch endlich umgesetzt werden. Die Realität sieht allzu oft anders aus: Die Politik beschließt Gesetze, doch in den Amtsstuben wird blockiert, verzögert, verwässert. Statt weiterer Verschleppung braucht es endlich mehr Ermöglichung.

Wir können es uns schlicht nicht leisten, die Fehler der vergangenen Wohnungspolitik zu wiederholen – nicht im Interesse der aktuellen Bewohner und schon gar nicht im Sinne kommender Generationen. Es braucht Mut, Tempo und den politischen Willen, Dinge neu zu denken und neue Wege zu gehen. Nur wenn jetzt gehandelt wird, lässt sich der dringend benötigte Wandel im Wohnungsbau tatsächlich erreichen.

Apostolos Bibudis ist Deutschland-Chef des internationalen Maklernetzwerks iad.

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