Eins, zwei, Wiegeschritt, rück, seit, ran: Tangotänzer und -tänzerinnen bewegen sich zackig, verharren kurz und setzen dann taktgenau den nächsten Schritt. Da gibt es kein Auf und Ab wie etwa bei der Rumba. Daniel Huber hat sich vom Schreibtischstuhl erhoben und illustriert mit ausladenden Bewegungen die Unterschiede. Der Tanz aus Argentinien spielt eine wichtige Rolle für das Unternehmen Peter Huber Kältemaschinenbau, das er seit 27 Jahren führt. „Der Kunde möchte einen Temperaturpunkt anfahren, die Temperatur halten und dann den nächsten Punkt ansteuern – so präzise und dynamisch wie beim Tango“, erklärt der 60-Jährige – und liefert damit die Begründung, warum eines der wichtigsten Produkte aus dem Offenburger Unternehmen, ein geschlossener Kältethermostat, seit 35 Jahren den Namen „Tango“ trägt.
Peter Huber Kältemaschinenbau ist Weltmarktführer bei Temperiersystemen für Anwendungen zwischen minus 125 und plus 425 Grad. Die Geräte kommen beispielsweise zum Einsatz in Prüfständen von Autobauern, die die Leistungsfähigkeit von Batterien in unterschiedlichen Klimazonen testen, oder bei Pharmaunternehmen, die für die Produktion von Impfstoffen eine gleichbleibende Temperatur benötigen. „Je präziser und kontrollierter die Prozesse, desto besser das Ergebnis“, sagt Huber. Die Produktpalette reicht vom Thermostat für 800 Euro, das auf einen Labortisch passt, bis zur Container-großen Anlage für eine dreiviertel Million Euro. Mit 480 Mitarbeitern erwirtschaftete das Familienunternehmen zuletzt rund 110 Mio. Euro Umsatz.
Huber erzählt die Tango-Episode im Vorstandsbüro der Firmenzentrale in Elgersweier am südlichen Stadtrand von Offenburg. Von hier aus liefert das Unternehmen seine Geräte in die ganze Welt. Das 1998 errichtete Werk nennen sie „Tango-Fabrik“ – weil hier das gleichnamige Thermostat hergestellt wird, aber auch weil die Temperierung des Gebäudes mittels ausgeklügelter Fußboden- und Dachheizung nach demselben Prinzip funktioniert wie die des Bestsellers. Geheizt wird zum Teil mit der Abwärme, die bei den Probeläufen der Geräte anfällt.
Stromsparend und umweltfreundlich
„Unser Vater war schon grün, als es die Grünen noch nicht gab“, erzählt Daniel Huber über Peter Huber, der das Unternehmen 1968 gründete und bis zu seinem Tod 2018 die Entwicklung besonders nachhaltiger Apparate vorantrieb. Für die Entwicklung eines Rotationsverdampfers mit minimiertem Energieverbrauch und ohne Abwasserbelastung erhielt der Gründer einst den Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg. Eine der neuen Modellreihen nutzt Wasserdampf, der in Prozessen anfällt, um schneller und mit weniger Stromverbrauch auf die gewünschte Temperatur zu kommen. Frühzeitig verzichtete Huber auf FCKW als Kältemittel und trieb umweltschonende Technologien voran wie etwa die Kühlung mit Kohlendioxid. Die Entwicklung der Energiepreise in der jüngsten Vergangenheit und die zunehmende Regulierung von Chemikalien wie FCKW spielten dem Unternehmen in die Hände. „Das ist eine Trumpfkarte für uns“, sagt der CEO. Was andere Firmen nun entwickeln müssen, hat Huber schon im Angebot.
Die Impulse für solche Entwicklungen und Weiterentwicklungen kommen häufig von Kunden. Um möglichst schnell passende Lösungen anzubieten, gründete Peter Huber, der seinem Sohn zufolge leidenschaftlich gern Tango Argentino tanzte, bereits in den 80er-Jahren den „Tango-Club“: Außendienstler stellten damals einem Dutzend Kunden aus der Chemie- und Pharmabranche Prototypen des damals bahnbrechenden Thermostats in die Firma und baten sie um Feedback. Heute liefern ein halbes Dutzend branchenspezifischer Tangoclubs Ideen für Innovationen. Mal geht es um simple Dinge wie die Beleuchtung einer Wasserstandsanzeige zur besseren Ablesbarkeit. Mal kommen grundlegende Neuerungen heraus, etwa die Benutzeroberfläche des Universalreglers Pilot One, die inzwischen bei der Steuerung nahezu aller Modelle zum Einsatz kommt.
Kaum weniger wichtig sind die Beiträge aus dem Unternehmen selbst. Mit am Tisch sitzt Daniel Hubers Sohn Benedikt, 32, seit knapp einem Jahr als Leiter der Unternehmensentwicklung Prokurist und Mitglied des erweiterten Vorstands. Bevor er ins Familienunternehmen einrückte, arbeitete er für große Unternehmen in der Pharmabranche. „Hier ist die Tür des Vorstandsbüros immer offen für Leute mit neuen Ideen“, erzählt er, „das gibt es in Konzernen so nicht.“ Oft geht es um praktische Dinge wie eine leichtere Benutzerführung. „Es ist wichtig, dass sich die Leute mit ihren Ideen in den Produkten wiederfinden“, sagt Vater Daniel.
Umsatzschub dank CBD
Manchmal kommen Ideen für bessere Produkte und neue Anwendungen jedoch auch völlig ungeplant. Vor sieben Jahren etwa verschaffte die Instagram-Story eines Influencers für einen fulminaten Geschäftsschub: Der Mann mit knapp 100.000 Followern beschäftigt sich mit der Extraktion von Wirkstoffen aus der Hanf-Pflanze und postete auf seinem Kanal das Foto einer Huber-Maschine, mit der er seine Extraktionsanlage betrieb – darunter der Kommentar: „Motherfucking chiller still chilling at minus 80 degrees!“ Die Offenburger, die es sonst eher mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern in Konzernen zu tun haben, wurden plötzlich mit Aufträgen aus der Cannabis-Szene überrannt. „Das war ein regelrechter Hype“, erinnert sich Daniel Huber.
Der Firmenchef ergriff die Chance, baute mit einer Handvoll Influencer eine Community auf, organisierte Auftritte bei Fachkonferenzen, wie der MJBizCon in Las Vegas, flog den Streetworker Claudio Esposito aus Offenburg ein, der auf dem Huber-Stand rappte. „Das läuft ein bisschen anders als auf einer deutschen Maschinenbaumesse“, sagt Huber und lacht. Zeitweise steuerten Thermostate für die Extraktion von THC oder CBD die Hälfte des Firmenumsatzes in den USA bei.
Esposito rappte zum 50-jährigen Firmenjubiläum 2018 auch den Song, den Anrufer in der Warteschleife des Unternehmens hören können. Der Titel: „It takes two to tango.“