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Arbeitsmarkt Was die Kurzarbeit in der Corona-Krise bringt

Das Kurzarbeitergeld ermöglicht es Unternehmen in einer Krise, Kosten zu reduzieren, ohne dass sie Mitarbeiter entlassen müssen.
Das Kurzarbeitergeld ermöglicht es Unternehmen in einer Krise, Kosten zu reduzieren, ohne dass sie Mitarbeiter entlassen müssen.
© C. Hardt / Future Image / IMAGO
Das Kurzarbeitergeld soll in Krisenzeiten Massentlassungen verhindern. Bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist es zum entscheidenden Instrument geworden - der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil

Wenn vom Kurzarbeitergeld die Rede ist, dann fallen häufig Worte wie „Exportschlager“ oder „Erfolgsmodell“. Tatsächlich ist das Konzept in der Corona-Krise gefragt wie nie: Laut Schätzungen des ifo-Instituts waren im Oktober fast 3,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, im Mai waren es mit 7,3 Millionen am meisten. Zum Vergleich: Während der Finanzkrise lag der Höchststand im Mai bei etwa 1,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit.

„Kurzarbeit nimmt in der Bewältigung der Corona-Krise in Deutschland eine wichtige Rolle ein“, sagt Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter für Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Wenn es einen vorübergehenden externen Schock gebe, sei Kurzarbeit ein hervorragendes Mittel, um Jobs zu retten. Zwar habe man im April und Mai zu kämpfen gehabt. „Aber gemessen an dem gigantischen Wirtschaftseinbruch ist die Arbeitsmarktentwicklung ziemlich robust geblieben“, sagt Weber.

Das Kurzarbeitergeld ermöglicht es Unternehmen in einer Krise, Kosten zu reduzieren , ohne dass sie Mitarbeiter entlassen müssen. Die Beschäftigten arbeiten dann zeitweise nur eingeschränkt oder auch gar nicht. Die Unternehmen müssen nur den Anteil der Arbeit bezahlen, der geleistet wird. Die Bundesagentur für Arbeit stockt das Gehalt der Beschäftigten auf 60 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts auf , für Beschäftige mit Kindern auf 67 Prozent.

In der Corona-Krise gilt zudem: Mussten Beschäftigte ihre Arbeitszeit um mindestens die Hälfte kürzen, erhalten sie ab dem vierten Monat 70 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts (77 Prozent für Beschäftigte mit Kindern), ab dem 7. Monat 80 Prozent (87 Prozent für Beschäftigte mit Kindern).

Kurzarbeitergeld hat Hunderttausende Entlassungen verhindert

Für April weist die Bundesagentur für Arbeit einen Zuwachs der Arbeitslosenzahl um 308.000 aus, im Mai um 169.000. In den folgenden Monaten wuchs die Zahl der Arbeitslosen schon deutlich langsamer – schon im Juni machte die Bundesagentur einen stabilisierenden Effekt der Kurzarbeit aus, ab September sank die Zahl der Arbeitslosen. Auch im November – während des neuen Teil-Lockdowns – wurden weniger Arbeitslose registriert. „Was das Verhindern von Entlassungen angeht, hat das Kurzarbeitergeld sehr gut funktioniert“, sagt Weber. Das Problem seien eher Neueinstellungszahlen, bei denen es nur mühsam vorangehe.

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Was wäre also, wenn es das Kurzarbeitergeld nicht gebe? „Es wären nicht alle, die in Kurzarbeit waren, entlassen worden“, stellt Weber fest. Aber auf einige Hunderttausend hätte man sich einstellen müssen, sagt er. „Wenn man Schätzungen aus der Finanzkrise anlegt, geht man davon aus, dass die Kurzarbeit damals etwa eine halbe Million Jobs gesichert hat, die anderweitig verloren gegangen wären“, sagt Sebastian Link, Ökonom am ifo-Institut. „Das wären in dieser Krise wohl mindestens genauso viele gewesen.“

Zudem hätten, so Link, wohl auch gut funktionierende Unternehmen Angestellte entlassen müssen, die sie nach der Krise direkt wieder gebraucht hätten. Mit dem Kurzarbeitergeld könnten Unternehmen nach der Krise „wieder auf ihre eingespielte Belegschaft zurückgreifen“, sagt Link.

Ganz andere Sektoren betroffen als 2009

Vergleiche man die derzeitige Situation mit der Finanzkrise, beobachte man schon jetzt einen ganz anderen Einsatz der Kurzarbeit, sagt Link. Aktuell würden Sektoren in Mitleidenschaft gezogen, die damals nicht so stark oder nur indirekt betroffen gewesen seien. Kurzarbeit sei standardmäßig ein Werkzeug, das in der Industrie eingesetzt werde, um kurzfristige Nachfrageschwenks abzufedern. So sei es auch in der Finanzkrise gewesen.

„Damals waren über 80 Prozent der Firmen, die in Kurzarbeit waren, in der Industrie. Jetzt, in dieser Krise, geht das über alle Sektoren hinweg“, sagt Link. Es seien Branchen betroffen, wie der Einzelhandel oder die Gastronomie, die zuvor noch nie mit Kurzarbeit zu tun gehabt hätten. „In diesen Bereichen gibt es sonst keine so kurzfristigen Schwankungen in der Nachfrage, sondern eher langfristige Trends“, sagt Link. „Das ist jetzt ganz anders.“

Laut einer Umfrage des ifo-Instituts sind Reisebüros und Reiseveranstalter besonders von Kurzarbeit betroffen. Im November meldeten in dieser Branche 91,1 Prozent der Unternehmen Kurzarbeit an, ein leichter Anstieg von etwa drei Prozent gegenüber dem Vormonat.

Deutlich stärker zugespitzt hat sich die Lage bei Hotellerie und Gastronomie. Im Oktober waren noch 62,9 Prozent der Hotels von Kurzarbeit betroffen, im November waren es bereits 91 Prozent. Ähnliches gilt für die Gastronomie: Hier stieg der Anteil der Unternehmen mit Kurzarbeit zum November von 53,4 Prozent auf 71,7 Prozent. Der Grund dafür liegt nahe: Diese Branchen trifft der seit Anfang November laufende Teil-Lockdown besonders hart: Hotels dürfen nur noch Geschäftsreisende beherbergen, Restaurants nicht mehr öffnen und ihre Waren nur noch ausliefern.

Doch die ifo-Studie stellt auch fest, dass sich der Anstieg durch fast alle großen Wirtschaftszweige zieht – von den Dienstleistern über den Handel bis hin zum Bau. Einen Rückgang der Kurzarbeit gab es zuletzt unter anderem in der Industrie, der Autobranche, im Verlagswesen und in Druckereien.

„Branchen per Lichtschalter ausgeknipst“

Weber weist auf einen weiteren Unterschied zwischen der derzeitigen Krise und der Finanzkrise hin: „Corona war eine ganz abrupte, tiefe Sache und die Finanzkrise war mit Blick auf ihren Verlauf eine ganz normale Rezession“, sagt er. Sie habe mehrere Monate gebraucht, um sich anzubahnen und mehrere Monate, um wieder zu gehen.

Der Verlauf der Corona-Krise sei dagegen ungewöhnlich gewesen: „Manche Branchen wurden wie per Lichtschalter ausgeknipst, aber ziemlich schnell auch wieder angeknipst, sodass es einen starken und schnellen Erholungseffekt gab“, sagt Weber. Das erkläre auch, warum es so viel Kurzarbeit gebe: „Es war ein großer, plakativer Schock.“ Außerdem habe es keinen großen Begründungszwang für Unternehmen gegeben, denn jeder habe auf Kurzarbeit gesetzt. Man habe sich der Zustimmung der Arbeitnehmer zur Kurzarbeit ziemlich sicher sein können.

Risiken der Kurzarbeit

Doch das Konzept des Kurzarbeitergeldes beinhaltet auch Fallstricke. „Das große Risiko ist, dass man den Wandel verschleppt, dass man die Struktur und die Jobs so konserviert, wie sie sind“, sagt Weber. Das gelte gerade für eine transformative Rezession, wie die derzeitige. Digitalisierung, Ökologisierung und Strukturwandel seien schon vorher stark gewesen und in der Krise noch einmal verstärkt worden. „Da ist das Risiko groß, dass man Jobs konserviert, die nach der Krise gar nicht mehr in dieser Weise zukunftsfähig sind“, sagt Weber. Dieses Risiko müsse man durch eine systematischere Verknüpfung mit Qualifizierung der betroffenen Personen verringern.

Link sieht ein ähnliches Risiko: „Wir sehen in unseren Umfragedaten, dass überproportional viele Unternehmen angeben, dass sie Kurzarbeit fahren, die vor der Krise schlechter dastanden als ihre Konkurrenten“, sagt er. Das deute darauf hin, dass man stärker die Unternehmen unterstütze, die schon vor der Krise Probleme hatten.

Weber sieht zudem mögliche Mitnahmeeffekte, „also Firmen, die das Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen, aber ohne dieses Mittel ihre Beschäftigten auch nicht entlassen hätten“. Das sei nicht illegal, erfülle aber eben nicht den unmittelbaren Zweck des Kurzarbeitergeldes. Das muss aber kein Problem sein, findet Weber: „Am Ende war das Kurzarbeitergeld auch eine Liquiditätsunterstützung für die Betriebe. Selbst, wenn es da einen Mitnahmeeffekt gibt – zur Unterstützung einer Liquidität in einer solchen Situation ist das gar nicht unbedingt falsch angelegt“.

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