Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht von einer noch langen Durststrecke bis zu einer Erholung am Arbeitsmarkt aus. BA-Chefin Andrea Nahles sagte am Dienstag in Nürnberg, sie rechne mit einer Besserung nicht vor dem Sommer 2026, eher erst im Herbst. Die Zahl der Arbeitslosen sank im Juni nur geringfügig um 5000 auf 2,914 Millionen. Die Arbeitslosenquote verharrte bei 6,2 Prozent. Angesichts der schlechten Job-Chancen dämpfte die BA-Chefin die Erwartung, dass durch Reformen im Bürgergeld rasch Milliardensummen eingespart werden könnten. Auch im nächsten Jahr braucht die BA laut Nahles eine Finanzspritze des Bundes.
„Am Arbeitsmarkt zeigen sich weiter Spuren der konjunkturellen Schwäche“, sagte Nahles. Im Vergleich zum Vorjahr gab es im Juni laut BA 188.000 Arbeitslose mehr. Im Monatsvergleich stieg die Erwerbslosigkeit unter Herausrechnung jahreszeitlicher Schwankungen erneut. Saisonbereinigt kletterte die Erwerbslosenzahl laut BA von Mai auf Juni um 11.000.
Nahles: schwierig, eine neue Arbeitsstelle zu finden
Die Schwäche des Arbeitsmarktes wird nach Einschätzung der BA noch mindestens ein Jahr andauern. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konjunkturbelebung könnten zwar vorher greifen, auf dem Arbeitsmarkt schlage sich dies jedoch nur mit Verzögerung nieder. „Wir sehen seit Ende 2022 eine langsam ansteigende Arbeitslosigkeit“, sagte Nahles. „Das ist nicht durchbrochen. Und wir gehen auch davon aus, dass sich das in den nächsten Monaten noch fortsetzt.“ Die BA werde daher auch im kommenden Jahr ein Darlehen des Bundes benötigen. „Wir rechnen mit einer Liquiditätshilfe auch 2026“, sagte Nahles. Im Etatentwurf der Bundesregierung ist für 2025 bereits ein Darlehen von 2,35 Mrd. Euro eingeplant.
Nahles dämpfte Erwartungen in der Bundesregierung, dass die Kosten für das Bürgergeld kurz- oder auch mittelfristig stark zurückgingen. In den Haushaltsplanungen des Bundes sind für die Jahre 2026 und 2027 Einsparungen von jährlich jeweils 1,5 Milliarden und 3 Mrd. Euro berücksichtigt. „Ich plädiere da wirklich für realistische Erwartungen“, sagte Nahles. Es bleibe für arbeitslose Menschen sehr schwierig, eine neue Arbeitsstelle zu finden. „So gering waren ihre Chancen auf einen neuen Job nicht einmal während der Corona-Pandemie.“
Weniger Job-Inserate
Das Jobportal „Indeed“ meldete, die Zahl der offenen Stellen sei auf den Stand von vor vier Jahren zurückgegangen. Das bedeutet im Juni ein Minus von 2,2 Prozent im Vergleich zum Mai. Bei der Bundesagentur waren im Juni 632.000 offene Stellen gemeldet. Das sind 69.000 weniger als noch vor einem Jahr.
Für Azubis gibt es zwar ebenfalls weniger Angebote, aber trotzdem noch ausreichen Optionen. Seit Oktober 2024 hätten sich bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern 396.000 Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet, 13.000 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Dem stehen 455.000 gemeldete Ausbildungsstellen gegenüber, 25.000 weniger als im Vorjahr.
Die BA-Chefin begrüßte zwar die geplanten Reformen im Bürgergeld wie etwa eine Verschärfung der Leistungskürzungen, wenn Termine nicht eingehalten werden. Zu berücksichtigen seien aber die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, die sinkende Zahl offener Stellen und die zurückhaltende Bereitschaft der Unternehmen, neue Beschäftigte einzustellen. Zudem seien nur etwa 13 Prozent der Arbeitslosen „sofort vermittlungsfähig“.