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Kolumne Nein für Europa

Tsipras und Varoufakis haben Recht: In der griechischen Schuldensaga muss endlich eine Entscheidung fallen. Von Christian Schütte
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Christian Schütte
© Trevor Good

Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik

Für mich als deutschen Steuerzahler ist die Sache klar: Die Griechen sollten am Sonntag mit "Ja" stimmen, ihre Regierung also zwingen, zur bisherigen wirtschaftspolitischen Strategie zurückzukehren. Wäre ja noch schöner, wenn die einfach ihre Schulden bei uns nicht bezahlen würden. I want my money back!

Für mich als deutschen und europäischen Bürger ist die Sache allerdings auch klar: Die Griechen sollten am Sonntag mit "Nein" stimmen, so wie Tsipras und Varoufakis es wollen. Denn dieses "Nein" würde endlich Schluss mit einer Konkursverschleppung machen, die schon viel zu lange betrieben wird.

Ob die Griechen danach aus der Währungsunion ausscheiden müssten ist ungewiss. Euro oder Drachme? Da gibt es keinen ökonomischen oder rechtlichen Automatismus, auch wenn das in vielen europäischen Hauptstädten derzeit so behauptet wird.

Sicher ist aber, dass es nach diesem "Oxi" einen Schuldenschnitt geben muss. Schließlich hat ihn Tsipras ja bereits einseitig in Kraft gesetzt, indem er seit Dienstag seine Raten nicht mehr zahlt. Und ein regulärer und transparenter Schuldenschnitt ist einfach überfällig.

Ohne diesen Schnitt wird Griechenland auch noch in vielen Jahren auf der ökonomischen Intensivstation liegen, ständig gespritzt, gewickelt, überwacht und ermahnt von den Chefarzt-Teams aus ganz Europa. Und die politischen Verhältnisse in dieser Klinik des Horrors werden dann restlos vergiftet sein.

Dass der deutsche Steuerzahler dabei wenigstens sein Geld samt Zinsen wiederbekommt, bleibt äußerst unwahrscheinlich. Viele Berechnungen zeigen, dass sich die erforderlichen Mittel aus der griechischen Volkswirtschaft unter normalen Bedingungen nicht mehr herausziehen lassen. Pleite ist pleite - es sei denn, man macht es so wie einst der rumänische Diktator Ceaucescu, der alle Auslandsschulden stets verlässlich bediente. Sein Volk dafür aber im Dunkeln frieren ließ.

Irreführendes Bild

Die sogenannten "Hilfspakete", über die zuletzt verhandelt wurde, sind im Kern nur ein Finanzierungskarussell: Die Europäer gewähren Griechenland neue Kredite, mit denen Griechenland dann wiederum die alten Kredite bei den Europäern und beim IWF bedienen kann. Dieses Verfahren hilft den Griechen, eine Art normale Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten. Alle Beteiligten gewinnen Zeit für den zweifellos notwendigen Umbau des Landes. Letztlich finanzieren die Kreditgeber aber nicht Griechenland. Sondern sich selbst.

In den vergangenen Tagen wurde oft der Eindruck erweckt, es sei gleichsam "unser Geld", das in Athen aus den Geldautomaten gezogen wird - und seit dem politischen Bruch vor ein paar Tagen eben nur noch in Kleinstportionen kommt. Klar, dass man die Griechen nicht darüber abstimmen lassen kann, ob sie sich weiter bezuschussen lassen wollen.

Dieses Bild ist aber irreführend. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen haben dafür gesorgt, dass der griechische Staat seinen (miserablen) Betrieb heute auch ohne neue Schulden bezahlen kann. Durch die Wirtschaftsdepression sind die Importe so stark gefallen, dass sie gerade so mit eigenen Exporten finanziert werden können. Der griechische Lebensstandard ist deutlich gesunken, und er wird nicht mehr von außen kreditfinanziert.

Von einer gelungenen Sanierung und einer überzeugenden Aufschwungperspektive kann deshalb zwar noch lange keine Rede sein. Aber wenn Griechenland heute mit seinen Gläubigern über das Geld streitet, dann geht es letztlich immer um die Frage, wie das Land aus seinen Altschulden herauskommt.

Natürlich ist es bitter, dass jetzt ausgerechnet linksradikale und nationalistische Ideologen in Athen per Zahlungsstreik die Entscheidung erzwingen wollen. Ihre Aktionen sind erratisch, skrupellos und extrem riskant. Aber der Aufstieg dieser Kräfte war die absehbare Folge einer Strategie, die den Moment der Wahrheit immer weiter aufgeschoben hat.

Weiteres Aufschieben macht es nicht besser.

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