Es ist 14.39 Uhr am Tag des Zusammenbruchs, als Wirecard-Chef Markus Braun eine Nachricht von Oliver Samwer erhält. Der Rocket-Internet-CEO ist nicht zu Scherzen aufgelegt: Er wolle in 30 Minuten sprechen. „Wir können mit oder ohne Anwälte“, schreibt er laut „Handelsblatt“, das die Ereignisse am 18. Juni 2020 rekonstruiert hat.
Am Ende des Tages muss der Dax-Konzern Wirecard einräumen, dass es keine Belege für einen Milliardenbetrag auf den Philippinen gibt. Nachdem die Nachricht bekannt wird, bricht der Kurs des Zahlungsdienstleisters an den Börsen massiv ein. Mitten in diesem Chaos erreicht den Vorstandschef auch die Nachricht von Samwer. Der Hintergrund: Der Rocket-Chef hatte Braun erst knapp einen Monat zuvor rund 75 Mio. Euro geliehen. Und nun will er sein Geld zurück. Und zwar schnell.
Die Nachricht vom Kredit an den Wirecard-Chef machte im Zuge des Wirecard-Skandals die Runde, die E-Mails gelangten an die Öffentlichkeit. Was weniger bekannt ist: Es ist nicht der einzige Kredit, den Rocket Internet vergeben hat. In den vergangenen Jahren hat die einstige Startup-Fabrik zig Millionen Euro zu teilweise hohen Zinssätzen verliehen – und Markus Braun ist längst nicht der einzige prominente Name auf der Liste.
Millionenkredit an Angermayers Apeiron-Gruppe
Denn Rocket hat laut Angaben auf der jüngsten Hauptversammlung im Juni auch einen Kredit an die Apeiron Investment Group vergeben – zu einem Zinssatz von 15 Prozent. Der Kredit in Höhe von 35 Mio. Euro gehört angeblich zu den zehn größten langfristigen Vermögenswerten. Das geht aus einem Transkript der Hauptversammlung hervor, das Finance Forward vorliegt. Hinter Apeiron wiederum steckt einer der schillerndsten, aber auch umstrittensten Köpfen der deutschen Gründerszene: Christian Angermayer.
Der Deutsche genießt aufgrund verschiedener Investments einen eher zweifelhaften Ruf. So brachte er die Firma Atai Life Sciences, die sich auf psychedelische Substanzen spezialisiert hat, zwar an die Börse. Dort verlor das Unternehmen anschließend aber mehr als 90 Prozent seines Wertes. Gegen seine Beteiligung Northern Data gab es eine Strafanzeige der Finanzaufsicht Bafin wegen Marktmanipulation. Ein Verfahren wurde dann jedoch nicht eröffnet.
Und auch bei Wirecard soll Christian Angermayer mitgemischt haben. Dem Zahlungsdienstleister habe er angeblich ein Investment des japanischen Technologiekonzerns Softbank vermittelt – womit sich auch der Kreis zu Markus Braun wieder schließt. Weder Apeiron noch Oliver Samwer reagierten auf eine Anfrage.
Mit Pelion Green Future Gamma, Pacifico Development und Linus stehen auch drei Firmennamen auf der Liste, an denen indirekt Oliver Samwers jüngerer Bruder Alexander beteiligt ist. Dieser konzentriert sich schon seit einiger Zeit unter anderem auf Geschäfte im Bereich erneuerbare Energien (Pelion/Pacifico) und Immobilien (Linus).
Lukrative Einnahmequelle für Rocket
Allein an Pelion und Pacifico hat Rocket in Summe mehr als 50 Mio. Euro verliehen – Stand Ende letzten Jahres. Linus wiederum hat ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. Euro erhalten. Das Immobilien-Start-up ist zuletzt in die Krise geraten (Finance Forward berichtete). Linus ließ eine Anfrage zu den Krediten genauso unbeantwortet wie Alexander Samwer.
Das Geschäft mit den Krediten hat sich für Rocket Internet zu einer sehr lukrativen Einnahmequelle entwickelt. Allein die Zinsen der Darlehen haben im vergangenen Jahr für hohe Einnahmen gesorgt. Das „Manager Magazin“ hatte schon vor einigen Jahren berichtet, dass Rocket Internet unter dem Namen Global Growth Capital ein Tochterunternehmen in Großbritannien gegründet hatte, das hochzinsige Kredite an Startups (Venture Debt) vergeben sollte. Über die Firma lief laut „Spiegel“ auch der Kredit an Braun.
Anleger sind überzeugt, dass die Kredite in den kommenden Jahren für hohe Einnahmen bei Rocket Internet sorgen werden. „Wir vermuten, dass einige hundert Millionen noch gutgeschrieben werden bei der Rocket, so dass da ohne Weiteres noch mal eine Dividendenrunde kommen könnte“, sagt beispielsweise Georg Issels, Vorstand der Kölner Investmentgesellschaft Scherzer im Podcast „OMR Rabbit Hole“, der die Geschichte der Samwer-Brüder erzählt und in dem es auch um die Kreditgeschäfte der Brüder geht.
Zuerst erschienen auf Finance Forward, dem Fintech-Portal von Capital und OMR. Für den täglichen Newsletter können Sie sich hier anmelden.
Hinweis: Eine Angabe zu einem Darlehen an das Immobilien-Start-up Linus wurde nachträglich korrigiert.