Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.
Zu politischen oder gesellschaftlichen Fragen meldet sich Jürgen Hambrecht gelegentlich zu Wort. Zur BASF, die er lange Jahre als Vorstandschef führte und seit 2014 als Aufsichtsratsvorsitzender begleitet, kommt jedoch kein öffentliches Wort über seine Lippen. Während seiner Zeit als operativer Manager erlebte Hambrecht immer wieder Querfeuer aus dem Aufsichtsrat, dessen damaliger Vorsitzender Eggert Voscherau sein eigenes Spiel spielte. Als Hambrecht selbst an die Spitze des Aufsichtsrats rückte, wollte er es bewusst ganz anders machen. Der heutige BASF-Chef Kurt Bock kann sich glücklich darüber schätzen.
Die Zurückhaltung nach außen kann man also verstehen – nicht jedoch die Scheu, im Inneren des Konzerns endlich einmal durchzugreifen. Der glücklose BASF-Chef Kurt Bock hat das Unternehmen in den letzten Jahren strategisch nicht nach vorn gebracht. Bei der weltweiten Neuordnung der Chemiebranche spielt BASF keine führende Rolle. Die zu starke Abhängigkeit vom Erdöl und Erdgas drückt nachhaltig auf die Gewinne. Und seit gut zwei Jahren entwickelt sich die BASF-Aktie schlechter als der Dax.
In den Jahren, als Hambrecht selbst den Vorstand führte, glänzte die BASF vor allem durch operative Exzellenz. Der oft anstrengende Chef ließ nichts durchgehen und hielt seine Manager in dauernder Spannung. Die BASF war damals das wohl bestgeführte Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Davon ist in den letzten Jahren viel verloren gegangen.
Im BASF-Vorstand tut sich nichts
Das operative Desaster bei der heutigen BASF hat einen Namen: TDI. Seit über zwei Jahren gelingt es dem Unternehmen nicht, eine Großanlage zur Herstellung der Chemikalie in Ludwigshafen zum Laufen zu bringen. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass der Konzern mit seiner größten Einzelinvestition aller Zeiten auf die falsche Technologie setzt. Die TDI-Anlage des Konkurrenten Covestro (ehemals Bayer) setzt auf ein besseres, billigeres und vor allem sicheres Verfahren. Bei der BASF kommt es dagegen immer wieder zu Störfällen, zuletzt vor gut einer Woche. Dabei trat erneut hochgiftiges Phosgen aus, dass im Ersten Weltkrieg unter dem Namen Grünkreuz als tödliches Kampfgas zum Einsatz kam. Die BASF schiebt die Schuld an den anhaltenden Problemen vor allem Zulieferern zu. Auch das große Explosionsunglück in der Hafenanlage des Konzerns, bei dem im Oktober vier Menschen starben, geht nach dieser Lesart allein auf Fremdverschulden zurück.
Auf Vorstandsebene musste bisher niemand die Verantwortung für die operative Misere übernehmen. Hambrecht stattete BASF-Chef Bock ohne Not mit einem vorfristig verlängerten Vertrag aus, der bis 2020 gilt. Auch sonst tut sich im Vorstand seit Jahren nicht allzu viel. Die Standortverantwortliche für Ludwigshafen und Personalchefin Margret Suckale geht demnächst immerhin in den Ruhestand – eine kleine Chance für den Aufsichtsrat der BASF, durch eine überzeugende Nachfolgeregelung etwas Führung zu demonstrieren. Es wäre immerhin ein Anfang.
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