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Ukraine-Krise Russische Oligarchen im Ausland: „Londongrad“ bröckelt

Roman Abramowitch ist einer der bekanntesten russischen Oligarchen.
Roman Abramowitch ist einer der bekanntesten russischen Oligarchen.
© IMAGO / ITAR-TASS
Mehr als die Hälfte des Vermögens der reichsten Russen liegt im Ausland. Harte Sanktionen könnten dazu führen, dass ihr Geld und Gut beschlagnahmt wird. Großbritannien hat bereits erste Maßnahmen veranlasst

Antigua, die Seychellen, die Malediven: Auf mehreren Screenshots eines Schifftrackers zeigte der Investigativ-Journalist Scott Stedman am Dienstagmorgen auf Twitter, wo die Yachten der superreichen Russen liegen. Auf dem Radar tauchte auch ein Schiff namens „Eclipse“ auf. Es ist die 160 Meter lange Yacht des Milliardärs Roman Abramowitch, Eigner des Fußballclubs FC Chelsea London. Für einige Jahre war die „Eclipse“ sogar die längste Yacht der Welt. Als der Post veröffentlicht wurde, lag die Yacht in der Karibik vor St. Maarten. Keine der Yachten befinde in Russland, schrieb Stadmann dazu.

Tatsächlich liegt auch mehr als die Hälfte des Vermögens der reichsten Russen gar nicht in Russland, errechnete der Ökonom Gabriel Zucman 2018. Viele der Oligarchen leben im Nahen Osten oder in Westeuropa. Der bekannteste dürfte Abramowitsch sein, der Besitzer der „Eclipse“. Er hat sich wie viele weitere Oligarchen in London niedergelassen. Neben der russischen besitzt er die israelische und seit wenigen Wochen auch die portugiesische Staatsbürgerschaft. Sein Visum in England wurde im Zuge der Skripal-Affäre annulliert, weshalb er mit einem russischen Pass nicht in London hätte leben dürfen. Die Stadt wird auch „Moskau an der Themse“ oder „Londongrad“ genannt, denn sie ist bekannt dafür, viele russische Oligarchen zu beherbergen. Neben Abramowitsch verbringen beispielsweise auch die Oligarchen Alexej Mordaschow und Michail Fridman viel Zeit in England.

Roman Borisovich, ein russischer Politaktivist, der selbst in London lebt, sagte dem Deutschlandfunk, dass London „der korrupteste Ort der Welt“ sei. „Nirgendwo ist die Konzentration an schmutzigem Geld pro Quadratmeter so hoch wie hier.“ Der Labour-Abgeordnete und außenpolitische Sprecher der Partei David Lammy formulierte es vor wenigen Tagen in einer Pressekonferenz ähnlich: „London droht, zum Waschsalon der Welt für schmutziges Geld zu werden.“ Die Regularien in London seien zu lasch, sagt Borisovich: „Geld fließt aus fremden Ländern nach London und niemand stellt Fragen.“

Bereits vor vier Jahren kam eine Untersuchung der außenpolitischen Kommission des Unterhauses zum Schluss, dass Banker und Immobilienhändler russisches Geld zu wenig prüfen, wenn sie es annehmen. Die NGO „Transparency International“ schätzt, dass Immobilien im Wert von bis zu 2 Mrd. Dollar in London aus verdächtigem russischem Geld finanziert wurden.

Die britische Wirtschaft ist zudem eng mit Russland verflochten: So war der britische Ölkonzern BP einer der ersten, der sich 2014 im Zuge der Annexion der Krim gegen Sanktionen aussprach. BP selbst hält 20 Prozent Anteile an dem russischen Ölkonzern Rosneft, dessen Mehrheitseigner der russische Staat ist. Der US-Präsident Joe Biden nahestehende Thinktank „Center for American Progress“ warnte vor kurzem sogar davor, gegen Oligarchen vorzugehen – wegen ihrer Kontakte in die britische Wirtschaft.

Großbritannien erhöht den Druck

Der britischen Außenministerin Liz Truss reichte es aber vor einigen Wochen. Truss drohte in einer Rede im britischen Unterhaus Russlands Oligarchen, die es sich in England gemütlich gemacht haben, dass die britische Politik die Macht habe, sie zu sanktionieren.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow fand die Drohung der Außenministerin „äußerst alarmierend“. „Es kommt nicht oft vor, dass man so direkte Drohungen hört“, sagte er auf einer Pressekonferenz. Ein Angriff eines bestimmten Landes auf russische Unternehmen würde „natürlich Vergeltungsmaßnahmen“ nach sich ziehen. Dazu beschwerte sich der russische Botschafter in Großbritannien Andrej Kelin über die „aggressive Linie“ des Vereinigten Königreichs.

Doch nachdem Präsident Wladimir Putin nun russisches Militär in die ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk entsendet hat, zog Premierminister Boris Johnson am Dienstagnachmittag erste Konsequenzen: Fünf russische Banken sowie drei russische Milliardäre wurden mit Sanktionen belegt. Es handelt sich hierbei um den Öl-Milliardär Gennadi Timtschenko, den eng mit Gazprom verbundenen Boris Rotenberg sowie seinen Neffen Igor Rotenberg. Alle drei haben gute Kontakte zu Wladimir Putin. Timtschenko wurde bereits 2014 im Zuge der Krim-Krise von den USA auf eine Liste von Personen gesetzt, die nicht mehr in die USA einreisen dürfen.

Das Vermögen der drei betroffenen Milliardäre auf britischen Konten wurde nun eingefroren, außerdem gilt für sie ein Einreiseverbot. Es handle sich um sehr harte Sanktionen, sagt Johnson im Londoner Parlament. Man hätte aber noch sehr viel härtere Sanktionen vorbereitet und man werde nicht zögern, sie umzusetzen, fügte er hinzu.

Ob diese tatsächlich umgesetzt werden, egal ob von Großbritanniens Seite oder sogar von Seite der EU, ist offen. Bislang hat es noch keine britische Regierung geschafft, die russischen Milliardäre zu vertreiben. Dafür sind die Parteispenden der Milliardäre einfach zu großzügig.

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