Anzeige

Kolumne Rehabilitierter Mörder

Wie verübt man einen Giftgasanschlag und steht trotzdem gut da? Syriens Präsident Assad hat es vorgemacht. Von Ines Zöttl
Ines Zöttl
Ines Zöttl schreibt jeden Mittwoch über internationale Wirtschafts- und Politikthemen.
© Trevor Good

Als die internationale Gemeinschaft im Juni 2012 in Genf ihren (längst gescheiterten) Friedensplan für Syrien entwarf, blieb ein Punkt ausgespart: Was sollte mit Baschar al-Assad geschehen? Die Russen sorgten dafür, dass aus der gemeinsamen Erklärung die Forderung nach dem frühzeitigen Abgang des syrischen Präsidenten verschwand. Aber eigentlich war damals allen Beteiligten klar: An einer Übergangsregierung konnte der Mörder von Damaskus unmöglich beteiligt sein.

Gut 14 Monate und 100.000 Tote weiter muss Assad sich keine Sorgen mehr machen. Mit „Genf-2“ soll demnächst ein neuer Friedensversuch unternommen werden, unter Beteiligung von Regime und Opposition. Zwar hat die Staatengruppe der „Freunde Syriens“ beschlossen, dass „Assad und seine engen Bundesgenossen mit Blut an den Händen“ keine Rolle im künftigen Syrien spielen dürften. Doch eilig relativierte der britische Außenminister William Hague das markige Statement wieder: Eine Vorbedingung für die Friedenskonferenz Genf-2 sei das nicht. Und selbst die syrische Opposition hat begonnen, in dieser Frage herumzurudern.

PR-Sieg für Assad

Denn Assad hat einen Krieg schon gewonnen: Der PR-Sieg gehört ihm. Die syrische Opposition gilt im Westen wahlweise als zerstrittener desorganisierter Haufen oder als Bande von gefährlichen Islamisten. Ersteres haben sich Assads Gegner selbst zuzuschreiben: Von Anfang an war bei ihnen der Wille zur Einigung wenig ausgeprägt. Zur Radikalisierung und Brutalisierung der Kämpfer hat beigetragen, dass sie sich von der Welt in den vergangenen zweieinhalb Jahren im Stich gelassen fühlten. Beides aber ist zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden: Je länger der Krieg dauert, desto weniger taugt die Opposition zum Aufbau eines neuen Syriens.

Zugleich erobert sich Assad die Rolle als politischer Geschäftspartner der internationalen Gemeinschaft zurück. Rehabilitiert hat ihn ausgerechnet der Giftgasangriff, bei dem im Osten von Damaskus im August rund 1000 Menschen starben. Ein paar Monate später aber ist Assad in den Augen der Welt nicht der Mörder von Ghuta – sondern derjenige, der Syriens gefährliches Giftwaffenarsenal beseitigt. Ein ungeheuer cleverer Schachzug, der es ihm ermöglicht, alle anderen Tötungsarten ungestört fortzusetzen.

Über 120.000 Menschen sind nach Schätzungen inzwischen gestorben. 6,5 Millionen Syrer sind auf der Flucht, im eigenen Land oder über die Grenzen hinweg – fast ein Drittel der Bevölkerung. 9,3 Millionen Menschen, also beinahe jeder zweite, braucht nach Angaben der Uno humanitäre Hilfe. In den Vororten von Damaskus hungert das Regime ganze Wohnviertel systematisch aus, um den Widerstand zu brechen.

Assad hat im Fernsehen angekündigt, bei der Präsidentenwahl 2014 wieder antreten zu wollen. Ob die Friedenskonferenz Genf-2 je zustande kommt, ist offen. Einen Termin jedenfalls gibt es noch nicht.

Weitere Kolumnen von Ines Zöttl: Wie Merkel Obama ärgern kann, Gabriels Weihnachtspräsent, APO des Establishments, Auf der Couch mit dsem Teufel

E-Mail: Zoettl.Ines@capital.de

Neueste Artikel