Die neue Chefvolkswirtin der OECD ist der Ansicht, dass die Staaten ihre Finanzen wieder in den Griff bekommen müssen – jetzt, da die Coronavirus-Pandemie und die Energiekrise in den Hintergrund getreten sind. Anlässlich der Vorstellung der OECD-Prognosen für die Weltwirtschaft am Mittwoch sagte Clare Lombardelli gegenüber der „Financial Times“ in Paris, dass die globale Ökonomie im Jahr 2023 um 2,7 Prozent und im Jahr 2024 um 2,9 Prozent wachsen werde.
Diese verbesserten Rahmenbedingungen bedeuteten, dass es für die Regierungen nun an der Zeit sei, wieder fiskalische Puffer aufzubauen, um die hohe Inflation zu bekämpfen und die Länder in eine bessere Position zu versetzen, damit sie die Kosten der alternden Bevölkerung bewältigen könnten, so Lombardelli. „Wir haben nachvollziehbare und notwendige fiskalische Unterstützung als Reaktion auf den Krieg [in der Ukraine] und die Pandemie gesehen... [aber] jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem diese pauschale Unterstützung zurückgenommen werden muss“, sagte sie.
Lombardelli ist seit Anfang Mai Chefökonomin
Lombardelli, die vom britischen Finanzministerium zur OECD gestoßen ist, sagte, dass eine Unterstützung nur für diejenigen, die sie wirklich brauchen, auch besser zu den Zinserhöhungen der Zentralbanken passen würde.
Die USA und die europäischen Länder haben ihre Staatsausgaben seit dem Ausbruch der Pandemie erhöht. Nach dem Anstieg der weltweiten Kreditkosten stehen sie nun vor weitaus höheren Kosten, um diese Unterstützung zu finanzieren. Lombardelli sagte, es gebe „keine Erwartung“, wann die Volkswirtschaften ihre Schuldenlast senken würden. Aber sie fügte hinzu: „Wir wollen nicht, dass die Verschuldung immer weiter ansteigt. Das macht die Länder weniger widerstandsfähig.“
Laut Lombardelli gibt es zwar in einigen Ländern außergewöhnliche Umstände, „aber im Durchschnitt müssen wir den Schuldenstand senken“.
Aus den Prognosen der OECD ergibt sich, dass die Weltwirtschaft die Folgen der jüngsten Bankenkrise weitgehend überstanden hat. Die USA werden demnach eine Rezession vermeiden, Deutschland wird sich von dem jüngsten Produktionsrückgang erholen, und Chinas Wachstum wird Pekings Jahresziel von fünf Prozent erreichen, so die OECD-Prognose.
OECD: Keine Anzeichen für „Gierflation“
„Die Weltwirtschaft wächst und erholt sich von den Schocks der letzten Jahre“, so Lombardelli, die gleichzeitig darauf hinwies, dass dieses Jahr im historischen Vergleich schwach ausfallen dürfte. Die unmittelbare Priorität sollte darin bestehen sicherzustellen, dass die Inflation in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften auf ihr Zielniveau von etwa zwei Prozent zurückkehrt, sagte Lombardelli.
Dies setze allerdings voraus, dass die Zinssätze für einige Zeit auf ihrem jüngsten hohen Niveau bleiben oder leicht ansteigen würden. „Die Experten, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, haben sich bei der Persistenz der Inflation geirrt“, so Lombardelli. „Aus diesem Grund könnte eine weitere Straffung der Geldpolitik erforderlich sein.“ Die Zentralbanker müssten nun die Löhne besonders genau beobachten, um Anzeichen für eine sich verfestigende Inflation zu erkennen.
Im Rahmen ihres Wirtschaftsausblicks hat die OECD darüber hinaus neun Länder untersucht, um festzustellen, ob die Unternehmen die Inflation durch ausgeweitete Gewinnspannen in die Höhe getrieben haben. Für höhere Gewinne habe man nur bescheidene Anzeichen gefunden, wobei sich diese vor allem auf Bergbau- und Energieunternehmen konzentrierten, hieß es. Es lohne sich dennoch, wachsam zu bleiben.
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