Manche Botschaften sprechen einfach für sich, man muss sie gar nicht groß kommentieren: „Bis zum Jahr 2022 will ich unser Land zum führenden Investor in Afrika machen, unsere privaten Unternehmen sollen mit Milliarden Investitionen den Anschub geben, damit afrikanische Volkswirtschaften wachsen.“ So sprach eine Regierungschefin in ein Mikrofon in Südafrika. In Dakar war tags darauf Folgendes zu hören: „Wenn man nur immer die Risiken sieht und nur immer darauf schaut: Welches Risiko gehe ich ein?, dann traut man vielleicht Afrika auch zu wenig zu. Und genauso, wie manchmal ein ideales Bild von Europa gemalt wird, so wird vielleicht auch ein etwas düsteres Bild von Afrika gemalt.“
Zwei Regierungschefinnen, zwei Welten. Die eine Premierministerin einer traditionsreichen Handelsnation, die andere Kanzlerin des langjährigen Exportweltmeisters: Theresa May und Angela Merkel. Die Kanzlerin bereist Senegal, Ghana und Nigeria. Die Britin hat Termine in Südafrika, Kenia und ebenfalls Nigeria. Für die Ära nach dem Brexit verkündet sie staatliche Investitionen von 5 Mrd. Dollar, die von der Privatwirtschaft „gematcht“ werden sollen – um die „Innovationsfähigkeit und Kreativität“ der afrikanischen Jugend zu entfalten. Britische Entwicklungshilfe soll in einer „grundlegenden Neurorientierung“ langfristigen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen dienen, statt kurzfristiger Armutsbekämpfung.
May will eine „neue Partnerschaft auf der Grundlage von geteiltem Wohlstand und geteilter Sicherheit“. Der Satz hätte auch aus dem Kursbuch der EU oder von Merkel stammen können. Aber Merkels Erwartungen sind anders.
Fokus auf Migrationsabwehr
Deutschland kündigt seit Jahren an, Afrika bei der wirtschaftlichen Entwicklung beistehen zu wollen. Geschehen ist wenig, interessierte Unternehmen kritisieren immer noch, dass die staatliche Risikoabsicherung verbessert werden müsse. Wichtiger noch: Die deutsche Politik sieht den wirtschaftlichen Aufbau inzwischen aus Angst vor einem Massenzustrom afrikanischer Migranten vorrangig durch das Brennglas der Migrationsabwehr. Merkel besucht nicht mehr den wichtigsten Handelspartner Südafrika, sondern die Transitländer Mali, Niger und Äthiopien 2017. Nun sind es mit Senegal, Ghana und Nigeria drei Herkunftsländer westafrikanischer Flüchtlinge.
Eine Seite der Erwartung ist also: Die Länder sollen nicht-asylberechtigte Landsleute unbürokratisch zurücknehmen. Die andere: Afrikas Jugendliche sollen zuhause eine Perspektive bekommen. Merkels Stab betont die große Reformbereitschaft und das Wachstumspotential der drei Länder, nimmt aber selbst kein Geld in die Hand. Vielmehr kapriziert man sich auf die „Rahmenbedingungen“, die stimmen müssen, damit deutsche Firmen sich dort engagieren. Das ist der rote Faden in den „Comacts with Africa“ wie in den Reformpartnerschaften von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller: Die Partnerländer mögen doch bitte Institutionen und Rechtstaatlichkeit stärken, damit am Wirtschaftsstandort offener und fairer Wettbewerb herrsche. Das ist an sich nicht verkehrt. Die Frage ist nur, ob afrikanische Länder gewillt sind, für kleines Geld große Reformen in Angriff zu nehmen, damit deutschen Unternehmen die afrikanische Unberechenbarkeit erspart bleibt.
Diese Reise diene nicht der Ankündigung großer Investitionsprojekte, teilte die Bundesregierung vor Beginn der Reise mit. So kommt Merkel mit kleinem Gepäck und hohen Erwartungen. Noch sind nicht alle Geschenke verteilt. Im Senegal sollen 300 Dörfer mit Solarenergie elektrifiziert, in Ghana die Digitalwirtschaft im Start-up-Umfeld gefördert werden. In allen Ländern steht aber das Migrationsmanagement im Mittelpunkt. Über Entwicklungsprojekte sollen junge Erwachsene mit Ausbildungsplätzen im Land gehalten – und Rückkehrern aus Europa zu Jobs verholfen werden. Migrationsberatungszentren vor Ort werden im Rahmen des Programms „Perspektive Heimat“ aus- und aufgebaut.
Zukunftsmarkt oder Bedrohung?
Klar ist, dass alle Staatsbesucher im Blick haben, dass der Kontinent in wenigen Jahrzehnten der bevölkerungsreichste der Erde sein wird. Nur: Für die einen ist er ein Zukunftsmarkt, für die anderen eine Bedrohung wegen der vielen Migranten. Die wirtschaftliche Entwicklung betonen alle. Nur wird Deutschland dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen, wenn es so weiter macht wie bisher. Dann teilen sich die Chancen, die der Kontinent bietet, Großbritannien, China und andere Schwellenländer untereinander auf.
Die von China gebauten Prestigeprojekte in Afrikas Hauptstädten, wie Fußballstadien, Theater oder Museen, sind Symbole der strategischen Bedeutung Afrikas für China. Staatspräsident Xi Jinping verkündete auf seiner jüngsten Tour durch Senegal, Ruanda, Südafrika und Mauritius – der ersten Auslandsreise seiner zweiten Amtszeit! – allein in Johannesburg Investitionen von knapp 15 Mrd. Dollar und unterzeichnete 15 Vereinbarungen für Zuschüsse und Kredite in Ruanda und ein Handelsabkommen mit Dakar.
Vor dem zehnten Schwellenländergipfel der BRICS-Staaten am Kap besuchte Indiens Premierminister Narendra Modi unter anderem Uganda und Ruanda ab, stellte 18 neue Botschaften und Kredite von mehreren hundert Millionen Dollar für Bewässerung, Sonderwirtschaftszonen, Stromversorgung und die Agrarwirtschaft in Aussicht. Der Gipfel stand unter dem Motto „Zusammenarbeit für inklusives Wachstum und geteilten Wohlstand in der vierten industriellen Revolution“.
Eine Frage der richtigen Gewichtung
Laut dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft wollen deutsche Unternehmen im laufenden Jahr in Afrika mehr als 1 Mrd. Euro investieren. Damit steige der Bestand in nur einem Jahr um mehr als zehn Prozent. Das klingt besser als der Bestand von 10 Mrd. Euro. Britische Direktinvestitionen in Afrika erreichten 2016 knapp 55 Mrd. Dollar, verglichen mit 57 Mrd. Dollar aus den USA, 49 Mrd. Dollar aus Frankreich, 40 Mrd. Dollar aus China und 14 Mrd. Dollar aus Indien – laut Zahlen der UN-Handelskonferenz UNCTAD . Beim Handelsvolumen hat Deutschland Frankreich 2017 überholt. Auch hier wollen die Briten aber zulegen.
Afrikanische Ökonomen warnen davor, dass nur die großen Volkswirtschaften und reformorientierte Länder in den Genuss von Investitionen kommen – laut UNCTAD sind das vor allem Angola, Ägypten, Nigeria, Ghana und Äthiopien. Sie fordern, stärker in regionale Entwicklung, Infrastruktur und Handel zu investieren. Das käme auch dem deutschen Mittelstand zugute, für den ein Einzelmarkt wie Senegal interessant sein mag – nur ist er viel zu klein. Bei den FDI-Champions ist auch das Umfeld schon am härtesten umkämpft.
Wohl hat die Bundesregierung zuletzt die Eigenbeteiligung bei Exporten mit Hermes-Absicherung für fünf afrikanische Länder, auch Ghana, von zehn auf fünf Prozent gesenkt. Tatsächlich hat das bereits eine höhere Nachfrage zur Folge. Deshalb würde der Afrika-Verein dies gerne auf Investitionen in Erneuerbare Energien ausweiten. Aber der Kontinent genießt außerhalb der federführenden Ministerien für Äußeres und Entwicklungshilfe eben nur nachrangige Priorität. Ein von Müller lanciertes Entwicklungsinvestitionsgesetz, das weitere Erleichterungen schaffen soll, ist noch lange nicht in Sicht.