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Management Von wegen keine Planwirtschaft!

Zum Jahresende lebt die Planwirtschaft wieder auf. Dann ist vielen Firmen nichts mehr heilig - Hauptsache der Umsatz stimmt. Von Lars Vollmer
Lars Vollmer
Lars Vollmer
© larsvollmer.com

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Autor. Zuletzt ist von ihm erschienen: „Zurück an die Arbeit - Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden", Linde Verlag, Februar 2016

Jahresendspurt! Nur noch wenige Tage, um die Ziele zu erreichen. Dafür machen viele Unternehmen atemberaubende Klimmzüge, aktivieren Mann und Maus und beordern sie in andere Abteilungen, um die Planzahlen zu erreichen. Kurzfristig werden noch Aufträge an Dienstleister und Lieferanten vergeben, um ja die genehmigten Budgets nicht „verfallen“ zu lassen. „Überhängende“ Mitarbeiter werden freigestellt, damit der Personalschlüssel zum Plan passt. Die Bestände im Lager werden massiv abgebaut. Rechtzeitig zum Stichtag.

Von wegen, es gäbe keine Planwirtschaft mehr!

Dieser jährlich zu beobachtende Weihnachtseffekt in den Unternehmen grenzt nicht nur an ein Rauschverhalten, er kommt den Unternehmen auch teuer zu stehen.

Rauschzustand, du bist so schön!

Natürlich ist es von Firma zu Firma und je nach Branche unterschiedlich. Bei manchen Unternehmen weicht das Geschäftsjahr vom Kalenderjahr ab. Doch eins haben alle (geschäfts-)jahresendberauschten Unternehmen gemein: Zum Endspurt werden nochmal alle Kräfte mobilisiert, um das Geschäftsjahr ordentlich abzuschließen – leider nicht immer mit Sinn und Verstand.

Wenn ich an das Phänomen denke, kommt bei mir unweigerlich die Frage auf: Wie arbeiten solche Unternehmen denn das ganze Jahr über? Nur auf Sparflamme? Und ich muss mir dann immer wieder eingestehen, dass diese Bullshitpraktiken vermutlich das ganze Jahr in diesen Unternehmen Anwendung finden. Diese nach den tayloristischen Organisationsregeln zwingend erforderlichen Arbeitsweisen: Mitarbeiter werden anhand von Zielen beurteilt, deren festgelegte Parameter sich längst verändert haben. Planungsmeetings hier, Abstimmungsrunden dort. Gerade jetzt in den letzten Monaten des Jahres häufen sich unsinnige Managementpraktiken eben.

Doch wo bleibt die wirkliche Wertschöpfung bei derartigen zeit- und nervenraubenden Pflichtveranstaltungen am Jahresende?

Nicht nur, dass die Wertschöpfung ausbleibt. Die Unternehmen nehmen wie ein Junkie auf einem Trip sogar in Kauf, dass ihre Arbeit unwirtschaftlich werden kann.

Mächtig kurz gedacht

Nehmen Sie den Maschinenbau: Damit die Ware noch in diesem Jahr fakturiert werden kann, werden zig Mitarbeiter aus anderen Abteilungen und womöglich noch von anderen Standorten in die Montage gerufen. Alle, die halbwegs einen Schraubenschlüssel halten können, montieren nach kurzer Einweisung, was das Zeug hält. Lang nicht so geübt, produktiv und qualitativ wie die Facharbeiter. So what, dafür wird ja Umsatz gemacht.

Eine wirklich gute Droge, die einige Unternehmer so sehr berauscht, dass ihnen nichts mehr peinlich ist. Die Einhaltung eines Planumsatzes ist nun mal nur eine interne Referenz, dessen Betrachtung die Bedürfnisse des Marktes völlig außen vorlässt.

Das ist mächtig kurz gedacht, schließlich können auch die unüberlegten Aktivitäten zu Weihnachten die Stellung im Markt nachhaltig schädigen.

Planwirtschaft par excellence

Vor allem haben sie oft auch massive Auswirkungen auf das folgende Geschäftsjahr. Denn in den Abteilungen beziehungsweise bei den Fertigungsschritten, bei denen die Mitarbeiter abgezogen werden, bleibt die Arbeit letztlich liegen. Fertiggestellte Vorprodukte im Januar – Fehlanzeige.

Manch findige Unternehmer schicken dann die Monteure zu Jahresbeginn eben in die Vorfertigung. Ist ja nur ausgleichende Gerechtigkeit, dass man sich gegenseitig hilft. Für mich ist das nur unwirtschaftlich. Mehr nicht!

Von wegen Planwirtschaft gäbe es nicht mehr.

In den letzten Monaten eines Jahres ist sie allgegenwärtig: die Personalanpassung. Schnell noch Leiharbeiter und Praktikanten von der Payrole runternehmen, damit jedenfalls einmal im Jahr, nämlich zum Stichtag die Planzahl (Fulltime Equivalent) passt. Weder sinnvoll, noch nutzenstiftend für Ihre Mitarbeiter, geschweige denn für die Kunden.

Wenn ich mit Unternehmern und Führungskräften spreche, räumen Sie ein, dass meine Argumentation einleuchtend sei. Im selben Atemzug entgegnen sie mir dann oft: “Gut, dann planen wir das besser im Budget fürs neue Jahr ein.“ Ja, okay!

Wenn der Weihnachtsmann öfter klopft

Dann planen Sie mal schön Ihr neues Budget. Viel zielführender als diese Umkehr im Handeln wäre allerdings eine Umkehr im Denken. Tun Sie mir einen Gefallen: wenn Sie schon unbedingt planen wollen, dann bitte „auf Sicht“.

Nun wird „auf Sicht fahren“ in Unternehmen typischerweise mit wirtschaftlichen schlechten Zeiten verbunden. Und in guten Zeiten wird für den kompletten nächsten Planungszyklus kalkuliert, vorausberechnet und in die Glaskugel geguckt. Alles pure Illusion – Sie können die Zukunft nicht voraussagen und somit auch nicht planen. Sie wird trotz aller Handstände immer im Nebel liegen.

Da hilft auch kein Glasreiniger für Ihre Kugel – pardon, eine Planung. Die Planung suggeriert Ihnen lediglich, dass Ihnen die Straße bekannt wäre. Dem ist jedoch nicht so. Die einzige Möglichkeit, ordentlich zu wirtschaften, ist es, in kleinen Schritten vorwärts zu gehen.

Also bitte immer schön kurz denken. Dann ist bei Ihnen 250-mal im Jahr Weihnachten. Schöne Bescherung.

Weitere Beiträge von Lars Vollmer: Das Märchen von der Wissensarbeit, Denkfehler der New-Work-Bewegung, Schluss mit Bullshit-Bingo, Neues Jahr, neues Glück, Management von vorgestern, Oje, Oje VW und Das Tesla-Experiment

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