Anzeige

Sanktionen Irans „Geisterflotte“ stellt auf russisches Öl um

Öltanker im Mittelmeer
Öltanker im Mittelmeer
© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aristidis Vafeiadakis
Der Iran kennt sich mit der Umgehung von US-Sanktionen aus. Nun macht Moskau es Teheran nach – und lässt sein Öl auf Schiffen unter falscher Flagge transportieren

Der Westen schnürt sein Sanktionspaket gegen Russland immer enger. Um dem zu entgehen, erhält der Kreml nun Unterstützung aus dem Iran – und setzt auf eine von Teheran erprobte Methode: „Geisterschiffe“ unter falscher Flagge transportieren Öl außer Landes und umgehen so die Sanktionen. 

Nach Recherchen der „Financial Times“ hatten mindestens 16 Schiffe der iranischen „Geisterflotte“, mit denen der Iran die US-Sanktionen umgeht, in den letzten zwei Monaten russisches Rohöl an Bord. Bis Dezember waren seit Kriegsbeginn nur neun Schiffe auf der russischen Route unterwegs.

Sogenannte Geisterschiffe sind Schiffe, die ihren Besitzer und ihre Routen verschleiern, um Verstöße gegen die Sanktionen zu erleichtern. Netzwerke dieser Schiffe machen den Handel mit iranischem und venezolanischem Öl erst möglich. 

Laut Schiffsmakler und Analysten lockt Russland die Eigentümer und Betreiber von Tankern mit Spitzenpreisen. Russland möchte so seine Haupteinnahmequelle aus dem Exportgeschäft vor westlichen Eingriffen wie der Ölpreisobergrenze der G7/EU schützen. Die russischen Ölexporteinnahmen dürften dennoch deutlich unter dem Vorkriegsniveau liegen.

„Wir haben eine Reihe von Schiffen beobachtet, die zuvor iranisches Öl transportiert hat und nun für Russland Geschäfte machen“, sagt Svetlana Lobaciova, eine Tankeranalystin beim Schiffsmakler EA Gibson in London. „Der Aufschlag für die Geschäfte mit Russland liegt mindestens 50 Prozent über den normalen Marktpreisen und könnte in einigen Fällen sogar über 100 Prozent betragen, was den Transport aus Russland noch reizvoller als den aus dem Iran macht.“

Streiten sich Russland und Iran bald um Schiffe?

Der Iran hingegen konnte seine Rohölexporte in den letzten Monaten aufrechterhalten oder sogar steigern. Teheran, das in der Opec+-Gruppe gemeinsame Ölpolitik mit Russland macht, hat sich zudem als wichtiger Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine erwiesen. Der Wettbewerb um die Schiffe der „Geisterflotte“ könnte aber schon bald zu Spannungen führen.

Matthew Wright, Analyst bei dem Daten- und Analyseunternehmen Kpler, meint aber: „Die steigende Anzahl von Schiffen in den ‚Geisterflotten‘, die sich im Besitz von geheimen Offshore-Unternehmen befinden, hat dazu beigetragen, dass es kaum Probleme bei der Beschaffung von Schiffen gibt.“

Die „Financial Times“ gelang es, die iranischen „Geisterschiffe“ anhand einer Liste von 288 Schiffen zu identifizieren, die die US-Initiative „United Against Nuclear Iran“ (UANI) im Zusammenhang mit mutmaßlichen Sanktionsverstößen zusammengestellt hat. Anhand einer Stichprobe wurden die Ergebnisse der Initiative mit Schiffsbewegungsdaten, Satellitenaufnahmen sowie den Daten anderer Organisationen abgeglichen. Daten von Kpler ließen dann Rückschlüsse auf die jüngsten Ladungen dieser Schiffe zu.

Es wird erwartet, dass sich die Spannungen um die Tankermärkte in den kommenden Wochen noch verschärfen werden. Sowohl die EU-Sanktionen als auch die G7-Preisobergrenze wurden Anfang Februar auf raffinierte Kraftstoffe wie Diesel und Benzin aus Russland ausgeweitet.

Rohöl muss über Asien umgeleitet werden

Russland muss bereits jetzt einen großen Teil seines Rohöls nach Asien umleiten, nachdem am 5. Dezember ein Verbot zur Einfuhr von russischem Rohöl in die EU in Kraft getreten war. Auch Diesel und andere Brennstoffe werden wahrscheinlich ab sofort über längere Strecken transportiert werden müssen.

Doch die westlichen Sanktionen treffen Russland weniger hart als die US-Sanktionen den Iran. Denn die Preisobergrenze der G7 ist sowohl dazu gedacht, die Einnahmen des Kremls zu begrenzen, als auch genügend russisches Öl auf dem Markt zu belassen, um Engpässen vorzubeugen. 

Ende Januar trafen sich der Sprecher des iranischen Parlaments und der Vorsitzende der russischen Staatsduma in Teheran
Ende Januar trafen sich der Sprecher des iranischen Parlaments und der Vorsitzende der russischen Staatsduma in Teheran
© IMAGO / ZUMA Wire

Schiffsmakler glauben, dass der Handel mit Russland daher attraktiver bleibt als der mit dem Iran oder anderen stark sanktionierten Ländern wie Venezuela. Schließlich sei es für Schiffseigner und -betreiber weniger wahrscheinlich, gegen Sanktionen zu verstoßen, wenn sie nachweisen können, dass der russische Treibstoff im Rahmen der Preisobergrenze gehandelt wurde.

Die Mengen an russischem Rohöl, die auf den „Geisterschiffen“ transportiert wurde, sind laut „Financial Times“ von drei Millionen Barrel im November auf mehr als neun Millionen Barrel im Januar angestiegen. Laut einem Schiffsmakler mieden zwar eine Handvoll großer Tankerbetreiber – darunter westliche Ölkonzerne und US-Schiffsbetreiber – nach wie vor den Handel mit russischem Öl, viele andere seien angesichts der lukrativen Prämien und des Spielraums, den die Sanktionen zulassen, bereit Geschäfte zu machen. 

„Jeder ist jetzt ein Sünder“, sagte der Schiffsmakler. „Die Grenze zwischen grauem Markt und dem konventionellen Tankermarkt ist im vergangenen Jahr definitiv verschwommen.“ Einige der Schiffe, die jetzt die Russlandroute befahren, sind Schiffe, die zuvor als Teil der Moskauer Schattenflotte enttarnt wurden. Schiffsmakler schätzen, dass sie aus etwa 100 Schiffen besteht.

Claire Jungman, Stabschefin von UANI, sagt dazu: „Die Eigentumsverhältnisse der Schiffe sind oft sehr undurchsichtig und werden durch zahlreiche Briefkastenfirmen verschleiert, die ständig gewechselt werden.“

China gibt russischem Öl Vorzug

Russisches Öl wird immer noch in Tankern transportiert, die mit westlichen Versicherungen arbeiten. Eine solche Versicherung gibt es jedoch nur unter der Bedingung, dass das Öl zu einem Preis gekauft wurde, der unter der Preisobergrenze liegt.

Der Preis für Russlands wichtigstes Exportöl Ural ist bereits um 30 bis 40 Dollar pro Barrel gegenüber internationalen Rohölsorten wie Brent gefallen. Die Preise für russische Fässer aus der Ostsee und dem Schwarzen Meer sind ebenso eingebrochen, zum Teil um die Kosten für den Transport zu decken und weil Raffinerien in Indien und der Türkei niedrigere Preise für Rohöl aushandeln, das früher in die EU floss.

Lobaciova von EA Gibson sagt, dass sich russische Öllieferungen als lukrativer erwiesen hätten, weil es keine nennenswerten Verzögerungen im Gegensatz zu iranischen Ladungen gebe, die oft länger auf See bleiben, um ihre Herkunft zu verwischen.

Chinesische Raffinerien, die nach wie vor ein großer Abnehmer des iranischen Öls sind, hätten sogar Tanker mit iranischem Öl auf die Entladung warten lassen. „Wir haben manchmal iranische Tanker gesehen, die monatelang auf dem Meer ausharrten – soweit wir wissen, ist das bei russischen Tankern nicht der Fall. Das russische Öl ist für die Betreiber lukrativer, solange die Preise für die russische Route so hoch sind“, sagt sie.

©The Financial Times Limited 2023

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel