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Ölpreisdeckel Jeder vierte Tanker mit russischem Öl noch westlich versichert

Großtanker im Ölverladehafen Shell Terminal Europoort in Rotterdam im Juli 2022. Die EU hat russisches Rohöl mit einem Embargo belegt.
Großtanker im Ölverladehafen Shell Terminal Europoort in Rotterdam im Juli 2022. Die EU hat russisches Rohöl mit einem Embargo belegt.
© picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack
Putin macht mit der angedrohten Blockade als Folge des Preisdeckels der G7-Staaten noch nicht Ernst. Darauf weisen Transportdaten vom Dezember hin

Westliche Versicherer haben im Dezember weiter russische Öltransporte nach Indien, China und in die Türkei versichert. Dies ist ein Zeichen dafür, dass Präsident Wladimir Putin seine Ankündigung noch nicht wahr macht, den Ölverkauf unter dem Preisregime der G7 und EU zu blockieren.

Nach einer Auswertung von Unterlagen über Schifffahrtswege und Versicherungsdeckung durch die Financial Times wurde seit dem 5. Dezember, als die Beschränkungen in Kraft traten, noch etwa ein Viertel der seegestützten russischen Rohöltransporte von westlichen Unternehmen versichert.

Nach dem im Dezember eingeführten Preisdeckel der G7 dürfen Käufer von russischem Erdöl nur dann westliche Dienstleistungen wie Versicherungen und Broker-Dienste in Anspruch nehmen –  das Grundgerüst des weltweiten Erdölhandels auf See –, wenn sie nachweislich weniger als 60 Dollar pro Barrel gezahlt haben.

Moskau hat wiederholt gedroht, den Handel unter den Regeln der Preisdeckelung zu blockieren. Am Dienstag unterzeichnete Putin einen Erlass, der den Verkauf von Rohöl und verwandten Produkten über Verträge, die „direkt oder indirekt einen Preisdeckelmechanismus enthalten“, ab dem 1. Februar formell verbietet.

Bislang wirkt sich die Preisobergrenze noch nicht finanziell auf den Kreml aus, da das russische Flaggschiffprodukt, die Rohölsorte Ural, derzeit deutlich unter 60 US-Dollar gehandelt wird. Ural wurde schon seit dem Start der russischen Invasion in der Ukraine im Februar mit einem Abschlag von der Sorte Brent verkauft.

Das Dekret soll fünf Monate lang in Kraft bleiben. Allerdings kann Putin demnach unter bestimmten Umständen auch eine „Sondergenehmigung“ erteilen, die die Fortsetzung einiger Lieferungen im Rahmen der Obergrenze erlauben – eine Formulierung, die Russland potenziell einen Weg ebnet, weiterhin Rohöl an Produzenten in Märkten wie Indien und China zu verkaufen.

18 Schiffsladungen westlich versichert

Wie die FT-Auswertung von Datensätzen von Kpler ergab, einem Spezialisten für Frachtdaten und Analysen, wurden mindestens 18 Ladungen von russischem Rohöl seit Beginn der Preisdeckelung am 5. Dezember auf westlich versicherte Tanker verladen. Dies entspricht etwa einem Viertel der 63 von Kpler erfassten Schiffe, die zwischen dem 5. und 25. Dezember russisches Rohöl beförderten.

Mindestens neun der Tanker waren mit Zielen in Indien, sechs mit Bestimmung China und einer mit türkischem Ziel unterwegs, wie aus den Daten hervorgeht. Die FT hat die Versicherung durch westliche Anbieter für jedes Schiff verifiziert. Vier weitere Schiffstransporte mit russischem Rohöl, die von westlichen Gesellschaften versichert waren, liefen in Richtung Bulgarien aus. Das Land ist vom EU-Verbot für den Import von russischem Öl bis Ende 2024 ausgenommen, da seine Raffinerien davon abhängig sind.

Unter dem Strich hat Russland in den ersten drei vollen Dezember-Wochen somit rund 50 Millionen Barrel heimischen Rohöls über den Seeweg exportiert, verglichen mit 67 Millionen Barrel im gleichen Zeitraum im November. Kpler-Analyst Matthew Wright begründete den Rückgang mit einem witterungsbedingten Rückgang der Ausfuhren aus Ostsibirien und einer Zunahme der Raffinerietätigkeit in Russland, was die Exporte von Rohöl beeinflusste.

Viele Rückversicherer passen

Zwar können westliche Unternehmen im Rahmen des Preisdeckels nach wie vor russische Öl-Ladungen versichern, doch ist es für die Schiffseigner schwieriger geworden, bestimmte Arten von Versicherungen abzuschließen.

So nutzen die globalen Versicherer für Schutz und Entschädigungen offenbar die zum Jahresende anstehenden Vertragsverhandlungen. Sie haben am 23. Dezember Änderungen für bestimmte Policen, einschließlich der Haftpflicht für Frachtführer, herausgegeben. Darin werden neuerdings Schäden ausgeschlossen, die aus dem Ukraine-Konflikt „oder einer seiner Auswirkungen“ resultieren.

Versicherer wie der American Club gaben zur Begründung an, dass die eigenen Rückversicherer ihr Risiko im Zusammenhang mit dem Konflikt verringern wollen, indem sie bestimmte Deckungen, die zum 1. Januar erneuert werden müssten, nicht mehr anbieten.

Auf dem Londoner Markt rückt die Jahresendfrist rasch näher, und Marktteilnehmer berichten, dass das Interesse der Rückversicherer an einer Verlängerung so genannter Kriegsrisikoversicherungen für die Region sehr gering ist.

Wie eine erfahrene Kontaktperson auf dem Markt, die anonym bleiben möchte, es formulierte: Die von den Rückversicherern geforderten weit gefassten Ausschlüsse in Bezug auf die Ukraine verursachen „enorme Probleme“ für Unternehmen, die Vermögenswerte in der Region versichern wollen. Viele von ihnen müssten „netto“ zeichnen, also ohne Rückversicherungsschutz.

Diese Entwicklung könnte auch zu Komplikationen bei der Verschiffung von kasachischem Öl führen – vor allem für das Caspian Pipeline Consortium. Das Konsortium transportiert Öl aus dem landumschlossenen Kasachstan zum russischen Hafen Noworossijsk zur weiteren Verschiffung über das Schwarze Meer. Seit dem 5. Dezember hat das CPC-Terminal nach Angaben von Kpler 38 Schiffe beladen, die alle westlich versichert waren.

Copyright The Financial Times Limited 2022

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