Die Lage im Nahen Osten bleibt volatil. Nachdem US-Präsident Donald Trump eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran verkündet hatte, herrschte Erleichterung. Die Börsenkurse schossen nach oben, der Ölpreis fiel – doch nur wenige Stunden später sollen wieder Raketen aus Teheran Richtung Israel geflogen sein. Der Iran bestreitet das, Israel droht bereits mit einem Gegenschlag. Von Entspannung kann also noch keine Rede sein.
Besonders betroffen von der kritischen Lage in der Region sind Schifffahrtsreedereien. Hapag-Lloyd, Deutschlands größte Reederei, teilte am Montag auf Anfrage mit, sie befahre immer noch die Straße von Hormus – eine Meerenge zwischen dem Iran und Oman und wichtiges Nadelöhr für den weltweiten Ölhandel. „Die Situation ist jedoch unübersichtlich und kann sich natürlich innerhalb weniger Stunden ändern“, schrieb Hapag-Lloyd.
Zivile Handelsschiffe könnten ins Visier des Iran geraten
Durch die Eskalation der vergangenen Tage „verschärft sich die Bedrohungslage für zentrale maritime Handelsrouten erheblich“, teilte der Verband Deutscher Reeder ebenfalls am Montag auf Anfrage mit. „Die betroffenen Seewege zählen zu den wichtigsten globalen Versorgungsadern – nicht nur für Energie, sondern auch für Containerverkehre und den Seetransport von Agrar- sowie Metallrohstoffe“, sagte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des VDR. „Eine weitere Destabilisierung hätte direkte Auswirkungen auf globale Lieferketten, Frachtraten und letztlich auch auf die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Lage in Europa und Deutschland.“
In der Nacht auf Sonntag hatten die USA drei Atomanlagen im Iran bombardiert und so in den Krieg eingegriffen. Ein Gegenangriff des Iran auf US-Militärbasen in Katar fiel dagegen kleiner und mit Vorwarnung aus, sodass niemand verletzt wurde. Am Dienstagmorgen sollte nun eigentlich eine Waffenruhe beginnen – ob sie hält, ist nach den Ereignissen von Dienstagvormittag fraglich. Damit bleibt auch die Sorge groß, dass zivile Handelsschiffe ins Visier geraten, vor allem wenn sie angebliche Verbindungen zu den USA oder Israel haben.
Das iranische Parlament votierte in den vergangenen Tagen dafür, die Straße von Hormus zu blockieren. Bisher halten Experten es für unwahrscheinlich, dass der Iran die Straße von Hormus komplett sperrt oder vermint – gleichzeitig warnen sie aber vor den Folgen, die ein solches Vorgehen hätte. Über 500 Millionen Barrel Rohöl müssten bei einer Sperrung eine alternative Route finden, schreibt der VDR. Mehr als 3000 Schiffe passieren monatlich die Meerenge.
Die ganze Region ist für den Schiffverkehr bedeutend
Am Sonntag hatten zwei Supertanker bereits vor der Meerenge kehrtgemacht – das berichtete das Portal „Bloomberg“. Neben Hapag-Lloyd hatte auch der dänische Konkurrent Maersk am Sonntag mitgeteilt, die Meerenge weiter zu befahren, das Sicherheitsrisiko allerdings kontinuierlich zu überwachen. Den Hafen Haifa in Israel fährt Maersk hingegen nicht mehr an.
Die ganze Region ist für den Schiffverkehr enorm bedeutend. Laut Daten des VDR befanden sich in der vergangenen Woche etwa 213 Schiffe auf den Routen durch das Rote Meer und den Persischen Golf. Ein großer Teil von ihnen kommt aus China, oft beladen mit Stahlprodukten – die Volksrepublik hat die Exporte über diese Routen im vorigen Jahr um 56 Prozent gesteigert. Und auch für den Transport von Agrarprodukten ist die Region bedeutend: Rund 8 Prozent des weltweiten Seehandels wird über diese Seewege transportiert.
Das gestiegene Risiko machte sich bereits in den vergangenen Tagen bemerkbar. Das „Handelsblatt“ berichtet unter Berufung auf Daten der Logistikplattform Flexport, dass sich die Versicherungsprämien für Öltanker mit Ziel Israel teilweise verfünffacht hätten. Bis zu einem Prozent des Schiffswerts müssen Reedereien für eine siebentägige Fahrt Richtung Israel demnach zahlen – vor Ausbruch des Krieges seien es noch 0,2 Prozent gewesen. Auch der VDR sieht gestiegene Versorgungsrisikoprämien. Bisher ist unklar, wie sich die neuesten Entwicklungen auf die Versicherungen auswirken.
Aber nicht nur der Seeverkehr ist betroffen – auch die Lufthansa muss sich mit der neuen Situation arrangieren. Flüge nach Amman, Erbil, Beirut, Tel Aviv und Teheran blieben weiterhin ausgesetzt, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. Außerdem werde der Luftraum der betroffenen Staaten gemieden. „Die Lufthansa Group wird die Situation in der Region in enger Abstimmung mit allen relevanten Luftfahrtbehörden (…) weiterhin genau beobachten und ihren Flugplan gegebenenfalls kurzfristig anpassen“, heißt es von der Lufthansa.