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Horst von Buttlar Der neue Kampf um neue Fabriken

Intel kommt nach Magdeburg – auch dank üppiger Fördergelder
Intel kommt nach Magdeburg – auch dank üppiger Fördergelder
© Stephan Schulz / picture alliance/dpa-Zentralbild
Die Diskussion um Milliardensubventionen für das Intel-Werk in Magdeburg sind ein Fanal: Energiepreise und Baukosten haben Kalkulationen verändert, die Amerikaner treiben Europa vor sich her. Wie wird aus dem Wettlauf ein gesunder Wettkampf?

Der Kampf um neue Fabriken ist für Industrieländer seit Jahrzehnten ein komplizierter Kampf, bei dem es kein Schwarz oder Weiß gibt – neue Fabriken verheißen Jobs und Wohlstand. Verlassene und geschlossene Fabriken bedeuten Ödland und Brache und schaffen jene Risse in der Gesellschaft, über die Politiker und Ökonomen später rätseln.

Seit jeher also sind Subventionen, die in immer höheren Milliardenströmen fließen, ein ambivalentes Spiel, eine komplizierte Wette – lohnt sich die Unterstützung durch Steuergelder? Wie viele Jobs entstehen wirklich? Und mit wie viel Geld wird jeder Job eigentlich subventioniert? Wie gesagt, es gibt kein Schwarz oder Weiß, erst recht nicht, seitdem die Farbe grün bei neuen Fabriken eine immer größere Rolle spielt.

Das Dilemma zeigte sich diese Woche bei Intel, als das „Handelsblatt“ berichtete, dass der Chipkonzern statt 6,8 Mrd. Euro bis zu 10 Mrd. Euro Subvention brauche. Der Grund: die Geopolitik, die Inflation, alles sei teurer geworden, Material, Baukosten und vor allem die Energie. Nun arbeiten alle fieberhaft an der „Kostenlücke“. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze brachte die Ansiedlung auf den Punkt. „Es geht darum, dass nicht nur Deutschland, sondern Europa mithalten muss.“ Diese Schlagwörter geistern seit geraumer Zeit durch die Standortdebatten: Autarkie, Autonomie, Diversifizierung, Near-, Friend- oder Reshoring – und, vor dem Hintergrund des „Inflation Reduction Act“, eine neue Industriepolitik für Europa.

Ist diese Nachricht aus Magdeburg also ein Fanal, dass der Autonomie- und Transformationswettlauf sich beschleunigt?

„Industrie folgt Energie“

Der Jubel war groß vor einem Jahr, als Intel ankündigte, eine neue Fabrik in Magdeburg zu errichten. Bis zu 17 Mrd. Euro wollte der zweitgrößte Chipproduzent der Welt investieren, bis zu 10.000 Arbeitsplätze sollten entstehen, Zulieferer eingerechnet.

Die Nachricht reihte sich ein in andere Pläne für neue Fabriken. So kündigte der Halbleiterhersteller Infineon im November an, Milliarden in seinen Standort in Dresden zu investieren. Seit Monaten gibt es Berichte über ein neues Chipwerk von TSMC, dem weltgrößten Chipproduzenten aus Taiwan, ebenfalls in Dresden. Gerade erst hat der US-Konzern Wolfspeed Pläne für Produktionen im Saarland publik gemacht, gemeinsam mit dem Autozulieferer ZF.

Im Mai hatte bereits der schwedische Batterieproduzent Northvolt mit hoffnungsfrohen Schlagworten ein Werk in Heide in Schleswig-Holstein angekündigt. Heide, sagte Northvolt-CEO Peter Carlsson damals Capital, sei ein „grüner Knotenpunkt, genau zwischen Nord- und Mitteleuropa“. Die Gegend sei „reich an sauberer Energie, mit einem Überschuss an Strom aus Onshore- und Offshore-Windkraft.“ Er sprach von einem „Clean Energy Valley“, Deutschland könne eine „Drehscheibe“ bei der Batterieproduktion werden. Inzwischen hat sich der Knotenpunkt selbst reichlich verknotet, Northvolt lässt Heide zappeln.

Zu dieser Zeit entstanden zwei Narrative: Erstens, unser Land ist sehr wohl noch attraktiv für Unternehmen. Und zweitens: Die neuen Fabriken würden eher im Norden des Landes entstehen, wo saubere Energie in Hülle und Fülle vorhanden ist. Pech für „the Länd“, seine Hidden Champions und für das windkraftverweigernde Bayern, schön für das Flachland. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stellte in einem Capital-Interview genüsslich fest: „Industrie folgt Energie.“

Wie recht er hat, nur muss man diese Worte inzwischen unter anderen Vorzeichen sehen. Die Energie in Deutschland ist noch teurer geworden als ohnehin, und sie ist nicht nur für alte, sondern auch für neue Fabriken ein großes Problem – selbst wenn es hier und da nur darum geht, mehr Steuergeld rauszuschlagen. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet bereits an Konzepten für einen Industriestrompreis, was notwendig ist.

Die USA sind freundlich, aber hart in der Sache

Das Kürzel IRA elektrisiert derweil die Vorstandsetagen im ganzen Land. „Jedes Unternehmen hat das Thema gerade auf dem Tisch“, hört man immer wieder aus der Wirtschaft. Der „Inflation Reduction Act“ mit seinen Milliarden für die grüne Transformation hat eine neue Dynamik in Gang gesetzt, und Europa ringt immer noch um eine Antwort. Es wird spannend, wie groß und klug sie ausfallen wird. (Hoffentlich nicht nur mit einem neuen Topf mit noch mehr Geld.) Diese Woche war Wirtschaftsminister Robert Habeck in den USA, um über den „grünen Protektionismus“ zu sprechen – also zu erkunden, ob Klimaschutz auch ohne „Buy American“ geht. Die USA sind freundlich, aber hart in der Sache. Joe Biden will für die Amerikaner kämpfen, was sein gutes Recht ist.

Die Lehre aus den Diskussionen ist, dass neue Fabriken weiterhin eine Fußnote haben, nur dass sie größer und grüner geworden ist. Der Subventionswettlauf wird verbunden mit dem epochalen Kampf gegen den Klimawandel und die grüne Transformation – und mit dem Ringen um sichere und saubere Energie. Wir reden nicht über fragwürdige Staatshilfen wie einst für den Baukonzern Philipp Holzmann oder die Kaskade an Unterstützungen für Galeria Kaufhof. Manche Branchen werden mit diesen Energiepreisen nicht mehr hier produzieren können (die Basischemie), andere werden nur klimaneutral und gleichzeitig wettbewerbsfähig sein können, wenn der Staat hilft (die Stahlbranche).

Natürlich wäre es besser, wenn die Unternehmen sich aus eigener Kraft umbauen, weil der Staat auch überfordert wäre, für jede Branche Konzepte zu entwickeln. Aber wie gesagt, die Kunst ist es, hier nicht schwarz oder weiß, sondern grau und grün zu sehen, ohne panisch immer neue Milliarden auf den Tisch zu legen. Vielleicht wäre es das Beste, nicht nur ehrfürchtig auf den IRA zu starren, sondern das Beste aus dem Gesetz zu kopieren: Die Amerikaner locken mit viel Geld und Steuergutschriften zu einer Art „Race to Zero“, weniger mit Bürokratie und neuen Vorschriften wie die EU. Und darum geht das Rennen ja auch: nicht Europa gegen die USA, sondern alle gemeinsam auf null.

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