Krisen verlangen nach schnellen, innovativen Lösungen. Davon haben während der Corona-Pandemie Start-ups in Europa profitiert. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hat für 2020 neue Rekorde bei der Zahl und dem Wert von Finanzierungsrunden registriert. Sie verzeichnete in ihrem Start-up-Barometer im Vergleich zu 2019 rund 58 Prozent mehr Deals. Das Finanzierungsvolumen konnte nicht ganz mithalten, aber fiel 2020 trotzdem deutlich höher aus. EY meldete eine Gesamtsumme von rund 36,5 Mrd. Euro, 17 Prozent mehr als 2019. „Im zweiten Halbjahr zog das Finanzierungsvolumen noch einmal deutlich an und erreichte mit 21,2 Mrd. Euro den höchsten Wert für ein Halbjahr überhaupt“, hieß es bei der Vorstellung des Start-up-Barometers für Europa. Berücksichtigt wurden Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind.
Wichtigste Start-up-Standorte in Europa
„In der Corona-Krise sind zahlreiche Herausforderungen für die Wirtschaft noch offensichtlicher geworden – etwa die dringend notwendige Digitalisierung, die Anfälligkeit von Logistikketten oder auch die große Bedeutung der Sicherheit von IT-Netzwerken“, erklärte EY-Experte Thomas Prüver den Boom während der Pandemie. „Viele Start-ups haben dafür die passenden Lösungen parat. Das hat sie bei Kapitalgebern attraktiv gemacht .“ Er ging davon aus, dass der Trend angesichts von Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz oder Gesundheit 2021 anhalten wird: „Da zahlreiche Investoren nach Anlagemöglichkeiten suchen und in den Start-ups Potenzial erkennen, rechnen wir mit einem weiteren starken Finanzierungsjahr.“
Einige Länder konnten ihre Stärken als Start-up-Standort 2020 ausspielen und ausbauen. Deutschland etwa zog bei der Zahl der Abschlüsse an Frankreich vorüber. Allerdings zeigte die Bundesrepublik als einziges Land in der europäischen Spitzengruppe eine entscheidende Schwäche.
Dies waren 2020 die wichtigsten Länder für Start-ups in Europa:
Top-Länder für Start-ups in Europa

Die Steueroase Irland kommt auch Gründern zugute. Irische Start-ups gehörten laut EY 2020 zu den Gewinnern in Europa. Die Zahl der Finanzierungsrunden konnte fast verdoppelt werden. Sie stieg der Analyse zufolge von 76 auf 145, was für Platz zehn in Europa reichte. Beim Wert der Deals legte die Republik ebenfalls kräftig zu und kam auf Platz zwölf. Das Finanzierungsvolumen erhöhte sich von 304 auf 579 Mio. Euro.

In Österreich zeigte der Trend für Start-ups ebenfalls steil nach oben. Es belegte mit 145 Finanzierungsrunden (2019: 88) Platz neun im europäischen Ranking. Dabei wurden jedoch vergleichsweise wenig Geld eingenommen. Beim Finanzierungsvolumen kam Österreich lediglich auf Platz 16 (212 Mio. Euro, Vorjahr: 183 Mio. Euro).

Italien ist gemessen am Wachstum der Gewinner unter den europäischen Top-Ländern für Start-ups. Die Zahl der Finanzierungsrunden verdreifachte sich fast von 58 auf 163. Dieser achte Platz verblasste noch angesichts von Platz sechs beim Finanzierungsvolumen. Hier schoss Italien von 197 Mio. Euro auf 1,5 Mrd. Euro in die Höhe. Allein knapp 1,1 Mrd. Euro entfielen auf den Mobilitäts-Dienstleister The Telepass Group. Dem italienischen Unternehmen gelang im Oktober 2020 laut EY die größte Start-up-Finanzierung des Jahres in Europa.

In Schweden blieb der Start-up-Boom hingegen aus. Die Analysten zählten hier sogar etwas weniger Deals als noch 2019 (234 statt 264). Beim Finanzierungsvolumen reichte es für Schweden für Platz fünf. Es bleib mit 1,8 Mrd. Euro nahezu auf Vorjahresniveau (1,7 Mrd. Euro). 526 Mio. Euro entfielen auf die drittgrößte Start-up-Finanzierung des Jahres beim Batteriehersteller Northvolt.

Niederländische Start-ups freuten sich hingegen über deutlich mehr Zuspruch. Die Zahl der Finanzierungsrunden kletterte von 141 auf 244. Das Finanzierungsvolumen konnte da nicht ganz Schritt halten. Es erhöhte sich von 826 Mio. auf 1,1 Mrd. Euro, was Platz sieben ergab.

Dass viele Finanzierungsrunden nicht zwangsläufig mehr Geld bedeuten, zeigte auch 2020 die Start-up-Szene Spaniens. Die EY-Analysten zählten zwar 327 statt 203 Deals. Das Finanzierungsvolumen schrumpfte jedoch von 996 auf 611 Mio. Euro. Das reichte im europäischen Vergleich lediglich für Platz elf.

In der Schweiz stieg die Zahl der Abschlüsse stark von 329 auf 540. Vergleichsweise mager fiel jedoch der Ertrag aus. Das Finanzierungsvolumen lag den Angaben zufolge mit 1,8 Mrd. Euro nur 300 Mio. Euro über der Bilanz 2019.

Frankreich hat im europaweiten Start-up-Boom an Boden verloren. Es rutschte vom zweiten auf den dritten Platz des EY-Länder-Rankings ab. Die Zahl der Finanzierungsrunden sank demnach 2020 von 736 auf 619. Das Investitionsvolumen verzeichnete hingegen ein leichtes Plus von 5,0 auf rund 5,2 Mrd. Euro. Ähnlich sah es in Paris aus. Die Hauptstadt verzeichnete nur noch 351 statt 433 Deals. Ihr Volumen stieg jedoch von 3,5 auf 3,9 Mrd. Euro.

Deutschland konnte 2020 gemessen an den Finanzierungsrunden als Start-up-Standort an Frankreich vorbeiziehen. Die Analysten registrierten 743 Abschlüsse. Das waren 39 mehr als im Vorjahr. Beim Volumen konnte Deutschland den zweiten Rang halten. Allerdings verzeichnete die Bundesrepublik hier als einziges Land der Top 10 ein Minus. Das Investitionsvolumen verringerte sich den Angaben zufolge von 6,2 auf 5,3 Mrd. Euro. Deutschland schnitt damit insgesamt besser ab als seine wichtigste Start-up-Metropole Berlin. Die kam im EY-Städtevergleich 2020 mit 313 Finanzierungsrunden und 3,5 Mrd. Euro auf Platz drei.

Das Vereinigte Königreich bleibt trotz des Brexits die unangefochtene Nummer eins für Start-ups in Europa. Es dominierte die Szene 2020 laut EY mit 2113 Finanzierungsrunden – mehr als doppelt so viel wie 2019 (971). Das Volumen der Risikokapitalfinanzierungen belief sich zum Jahresende auf rund 13,9 Mrd. Euro (Vorjahr: 11,1 Mrd. Euro). Das war so viel wie in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Schweden zusammengenommen. Bei den größten Start-up-Finanzierungen des Jahres musste sich das Vereinigte Königreich hingegen mit Platz zwei begnügen. Das britische Versicherungsunternehmen Inigo erhielt im November 2020 mehr als 700 Mio. Euro.