Bei der Thyssenkrupp AG gab es in den letzten Jahren immer mal wieder kleine Hoffnungsschübe. Beispielsweise Ende 2010, als Heinrich Hiesinger den Vorsitz des Vorstands übernahm. Oder Ende 2012, als die Hauptverantwortlichen für die verheerende Verfassung des Konzerns ihren Hut nehmen mussten. Oder 2013, als Hiesinger endlich die Verlustbringer in den USA losschlagen konnte. Oder zuletzt am 20. September 2017, als Thyssenkrupp den Stahlbereich in ein Joint-Venture mit dem indischen Konkurrenten Tata Steel einbrachte.
Doch auf jede Erfolgsmeldung folgte in den vergangenen Jahren immer wieder eine neue Schreckensbotschaft. Am letzten Donnerstag war es mal wieder so weit: Der Konzern gab eine Gewinnwarnung heraus mit der offiziellen Hauptbegründung, man müsse Vorsorge für Kartellstrafen treffen. In Wahrheit laufen gegenwärtig so gut wie alle Konzernbereiche schlecht – oder zumindest schlechter als noch vor einem Jahr erwartet. Der Kurs der Aktie brach nach der entsprechenden Mitteilung heftig ein. Im Jahresverlauf ging er um ein Fünftel zurück.
Nüchtern betrachtet kann man die Lage nur so zusammenfassen: Thyssenkrupp ist nach wie vor ein einziges Trauerspiel. Der Vorstand und der Aufsichtsrat haben das verschachtelte Konglomerat nicht im Griff. Gleichzeitig liefert sich der neue Chef Guido Kerkhoff einen Machtkampf mit dem Chef seiner profitabelsten Sparte, dem Bereich Aufzüge. Unter normalen Umständen wäre ein Mann wie Kerkhoff in einem Dax-Konzern niemals an die Spitze gerückt. Aber nach dem Doppelrücktritt von Hiesinger und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Ulrich Lehner, musste das Führungsvakuum im Konzern eben irgendwie intern gefüllt werden. Schließlich hatten alle externen Kandidaten abgesagt.
Aufteilung beseitigt das Elend von Thyssenkrupp nicht
Anders als in den vergangenen Jahren immer wieder erhofft, existieren die Reste einer Kultur der Vertuschung und der Korruption im Konzern fort, wie immer neue Kartell- und sonstige Strafverfahren zeigen. Diese unheilvolle Gemengelage ist über Jahrzehnte gewachsen – und vieles, was jetzt erst auftaucht, stammt aus der unrühmlichen Vergangenheit. Wahr aber ist auch: Die intransparente Struktur des Konzerns mit ihren vielen unbeleuchteten Nischen bildet ein ideales Habitat für alle Arten schädlicher Geschäftspraktiken. Der Konzernvorstand wird deshalb immer wieder durch Entwicklungen überrascht, die er nicht abgesehen hat.
Die beschlossene Zweiteilung des Konzerns, die Vorstand und Aufsichtsrat als großen Befreiungsschlag verkaufen, verringert das Ausmaß der Misere vielleicht ein Stück, wenn alles gut läuft. Aber sie beseitigt das Elend nicht. Mittlerweile muss man sich ernsthaft fragen, ob die vielfach beschworene Zerschlagung des Konzerns nicht die bessere Variante wäre. So lange sich Vorstand und Aufsichtsrat über weite Strecken damit beschäftigen, ihren Konzern irgendwie zu bändigen, statt sich mit voller Kraft um die Geschäfte zu kümmern, werden wir jedenfalls immer neue Akte des Trauerspiels erleben. Ein Ende der Tragödie ist nicht absehbar.