Hängt vielleicht der ganze große Konzern in der Sommerpause fest? Dieser Eindruck drängt sich bei Thyssenkrupp in diesen Tagen auf. Nur bei der Marinesparte TKMS laufen die Vorbereitungen für den Gang an die Börse wie ein Uhrwerk, hört man aus Kiel. Aber sonst? Nichts Neues aus Essen. Das gilt vor allem für das Problemkind des Konzerns: die Stahltochter TKSE.
Anfang Juli hatten sich Betriebsrat und Vorstand auf einen Sanierungstarifvertrag geeinigt. Doch wesentliche Fragen blieben offen: die Finanzierung durch den Mutterkonzern und die detaillierte Ausgestaltung der „Effizienzmaßnahmen“, bei denen die Arbeitnehmervertreter mitreden dürfen. Gibt es bei der Klärung dieser Probleme Fortschritte? Offenbar noch nicht. Und was ist mit der großen Hoffnung auf den Kauf eines weiteren Aktienpakets durch den tschechischen Investor Daniel Kretinsky? Seit dem Einstieg des Milliardärs im April 2024, der seitdem 20 Prozent der Aktien hält, bewegt sich nichts.
Auch in den anderen Sparten, die nach der neuen Strategie von Konzernchef Miguel Lopez mehr oder weniger alle selbständig werden sollen, gibt es kaum positive Entwicklungen. Beispiel Nucera: Gleiche mehrere Analysten haben in den letzten Tagen ihre Aktienkursziele für die Wasserstofftochter gesenkt. Der Grund: Es fehlt an neuen Großaufträgen. Der Eingang neuer Bestellungen sinkt seit dem 3. Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 kontinuierlich. Der Vorsteuergewinn (EBIT) oszilliert seit langem um die Nulllinie. Und die Aktie des Hoffnungsträgers ist seit Jahresbeginn um 19 Prozent gefallen.
Thyssenkrupp in schwerem Fahrwasser
Richtige Lichtblicke sucht man auch in den anderen Bereichen von Thyssenkrupp vergeblich. Weder die Handelssparte noch der angeschlagene Automobilbereich kommen nachhaltig voran. Die externen Parameter für den Konzern verschlechtern sich gleichzeitig immer weiter, so dass Thyssenkrupp gegen den Wind segelt. Die anhaltende Investitionsschwäche auf dem Heimatmarkt Deutschland, die hohen Zölle auf Stahl und Stahlerzeugnisse in den USA, der harte Dumping-Wettbewerb aus China – das alles trifft viele Unternehmen. Aber es trifft Thyssenkrupp eben ganz besonders. Man muss davon ausgehen, dass die aktuelle Planung des Konzerns bereits wieder unter Druck steht. Und dass sich auch die Rahmenbedingungen für den Sanierungstarifvertrag in den 40 Tagen seit seinem Abschluss massiv verschlechtert haben.
Um einen angeschlagenen Konzern zu sanieren, kommt es auf zwei Dinge ganz besonders an: die richtige Strategie – und eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Über die strategische Richtung von Thyssenkrupp kann man streiten – zumal sie mehrfach geändert wurde in nur zwei Jahren. Auf jeden Fall aber hapert es an der schnellen Umsetzung. Eigentlich hechelt das Management des Konzerns seit 20 Jahren hinter der Entwicklung des Unternehmens her.
Immer wieder bewegt sich alles nur im Schneckengang vorwärts, wenn sich denn überhaupt etwas bewegt. Das liegt sowohl an der überkomplexen Konzernstruktur als auch am komplizierten Zuschnitt der einzelnen Bereiche. Von der starken Rolle der Gewerkschaften im Konzern ganz zu schweigen, die über die Mitbestimmung alles immer wieder verzögern, weil sie das für eine vernünftige Kampftaktik halten.