Vielleicht kennen Sie den Moderator und Komiker Oliver Kalkofe. Von Zeit zu Zeit präsentiert er auf einem Privatsender spätabends besonders katastrophale Spielfilme, die Reihe heißt „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“, kurz „SchleFaZ“. Die Streifen sind wirklich so schlecht, dass man sie nur ertragen kann, weil Kalkofe und sein Kompagnon das fürchterliche Geschehen auf dem Bildschirm davor, danach und mitunter auch während des Films aus dem Off ganz lustig kommentieren.
Ungefähr auf dem Niveau der SchleFaZ-Filme ist leider auch das Trio Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck angekommen. Man mag gar nicht mehr hinsehen, so haarsträubend ist die Aufführung der drei inzwischen.
Natürlich kann man jetzt einwenden, dass die Materie komplex ist und es ja auch nicht um eine neue Verpackungsverordnung für Katzenfutter geht, sondern immerhin um viel Geld – einen stattlichen Betrag von 20 bis 30 Mrd. Euro allein im kommenden Jahr. Den muss die Ampelkoalition jetzt auftreiben, weil die Verfassungsrichter ihnen vor bald vier Wochen untersagt haben, die bereits geplanten Ausgaben über alte Corona-Kredite aus einem Schattenhaushalt zu finanzieren. Aber da fängt die Malaise ja schon an.
So schürt man Verunsicherung
Nicht das Urteil an sich ist inzwischen das Problem, sondern der Umgang der drei Koalitionsparteien damit. Kein Wort hat man bisher von den drei federführenden Akteuren dazu vernommen, wie es eigentlich sein kann, dass eine Bundesregierung – wenn schon nicht am Tag der Verkündung –, so aber doch, wie bei jeder Handwerkerrechnung üblich, in einer Frist von zwei Wochen keinen Plan B vorweisen kann?
Man mag gar nicht mehr zusehen, wie Tag ein, Tag aus die gleichen Bilder vom Kanzleramt in Berlin gesendet werden: Vorfahrt der Limousinen, die Türen gehen auf, Lindner und Habeck steigen aus, gehen hinein – und dann passiert wieder nichts. Kein Wort der Erklärung, keine Entschuldigung, dass man die Lösung noch nicht gefunden habe, keine Versicherung, dass man die Lage schon im Griff habe und sich bald einigen werde. Sondern bestenfalls hintenrum irgendwelche wilden Gerüchte, was angeblich alles zur Disposition stehen soll: die Entwicklungshilfe, die beschlossene Erhöhung des Bürgergelds (geht gar nicht mehr), die Kindergrundsicherung (geht schon eher), das Dieselprivileg, die Reserve der Rentenversicherung oder doch die immensen Subventionen für die geplante Intel-Chipfabrik in Magdeburg?
So schürt man Verunsicherung, bei Unternehmen ebenso wie in der Bevölkerung. So demonstriert man Ratlosigkeit und eigene Unfähigkeit. Erst recht, wenn sich dann auch noch Finanzminister Christian Lindner am Rande einer Sitzung in Brüssel vor die Kameras stellt und versichert, der Staat werde auch ohne regulären Haushalt im nächsten Jahr die Gehälter seiner Angestellten bezahlen und die Sozialtransfers überweisen. Ja, was denn sonst, Herr Finanzminister? Shutdown in Deutschland, der Staat vor der Zahlungsunfähigkeit? Wegen eines Gerichtsurteils respektive weil sich die drei regierenden Parteien nicht einigen können, wie sie dieses einhalten wollen? Das ist einer Volkswirtschaft der Größe Deutschlands absolut unwürdig.
Die britische „Financial Times“ zitierte diese Woche einen ungenannten Manager mit den Worten: „Deutschland ist nicht nur der kranke Mann Europas, sondern der dumme Mann Europas. Es ist ein totales Fiasko.“
Ein juristisches, kein ökonomisches Problem
Noch mal zur Klarstellung: Deutschland hat kein Problem mit seiner Schuldenlast, im Gegenteil. Die deutschen Staatsfinanzen sind gesund. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein juristisches Problem, kein ökonomisches. Wer etwas anderes behauptet, arbeitet selbst hart daran, aus einem juristischen tatsächlich ein ökonomisches Problem zu machen.
Alle Optionen, die die Koalition vor vier Wochen noch hatte, sind inzwischen diskreditiert oder ganz perdu. In der aktuellen konjunkturellen Lage jedenfalls ernsthaft darüber zu diskutieren, 20 bis 30 Mrd. Euro durch Einsparungen und Abgabenerhöhungen aus dem Haushalt zu quetschen, ist die mutwillige Verschärfung jener einsamen Rezession, in der sich Deutschland als einziges Industrieland der Erde ohnehin schon befindet. Vor zwei oder drei Wochen einzelne gezielte Einsparungen und/oder Abgabenerhöhungen zu präsentieren, um das Problem der zusätzlichen Schulden im Haushalt 2024 zu reduzieren, wäre noch akzeptabel gewesen.
Inzwischen aber wirkt die gesamte Spardebatte planlos und willkürlich – völlig abgesehen von den ökonomischen Folgen. Ebenso wie die alternative Idee, auch für 2024 eine erneute Notlage zu begründen und sich so noch mal durch das Jahr 2024 mogeln zu wollen. Die einzige Notlage, vor der diese Koalition steht, ist aktuell ihre eigene. Und wir können nur hoffen, dass in den nächsten Wochen nichts anderes noch hinzukommt.
Eine parteiübergreifende Koalition zur Reform des Grundgesetzes, die dritte und in Wahrheit einzig richtige Option in dieser Lage, hätte etwas vorausgesetzt, was der Kanzler offenbar leider nicht hat: Format und Größe. Er hätte sich einfach einmal ordentlich für den Schlamassel entschuldigen müssen, den er selbst noch als Finanzminister mitersann. Es wäre der berühmte erste Schritt gewesen, den er damit auch auf die Union zugemacht hätte.
Dass sich die Opposition aber jetzt noch mal breitschlagen lässt – selbst für die kleine Lösung, ein Sondervermögen Klimaschutz und Transformation im Grundgesetz – ist kaum zu erwarten.
Es wäre an Scholz gewesen, in dieser Lage Führung zu zeigen – nach außen und nach innen in seiner Koalition. Aber seiner Ampel fehlt das Wichtigste, was eine Regierungskoalition braucht: eine Idee, was man gemeinsam erreichen will. Wie sich heute zeigt, waren einzig die 60 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds, die die Verfassungsrichter verworfen haben, der Kitt, der dieses Bündnis zusammengehalten hat. Dass Deutschland nun mit einem vorläufigen Bundeshaushalt ins neue Jahr starten wird, ist ökonomisch nicht gleich eine Katastrophe, aber es zeigt, dass der Kanzler seine eigene Regierung nicht im Griff hat. Dieser Eindruck wird bleiben, selbst wenn Scholz, Lindner und Habeck in den kommenden Tagen doch noch eine Einigung präsentieren.