Der Chef ist schuld, der Chef muss gehen. Selten war die simple Gleichung in ihrer reinsten Form so schön zu beobachten wie letzte Woche bei Henkel. Simone Bagel-Trah, die Aufsichtsratschefin des Klebe- und Waschmittelkonzerns, demonstriert nicht zum ersten Mal in ihrem Beritt Härte. Als Sprecherin der Eigentümersippe kann sich ihr niemand in den Weg stellen, selbst wenn es denn überhaupt jemand wollte. Der scheidende Vorstandschef Hans van Bylen aber konnte am Schluss ohnehin nicht mehr auf viele Fürsprecher hoffen. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2016 sank der Aktienkurs des Konzerns um fast ein Drittel, die Geschäftszahlen gaben keinen Anlass zur Freude und eine gewisse Ratlosigkeit lag über dem Stammwerk in Düsseldorf-Holthausen. Also Gründe genug für einen Rausschmiss.
Das Problem ist nur: Die gleiche Verve, mit der sich Bagel-Trah jetzt von ihrem Top-Mann trennt, war auch schon bei seiner überraschenden Berufung Anfang 2016 am Werk. Führungswechsel würden bei Henkel immer „schnell und reibungslos exekutiert“, meint die Aktionärsvertreterin Jella Benner-Heinacher. Man könnte es aber auch Hauruck-Methode nennen. Und sie führt nicht immer zu überzeugenden Resultaten. Als die Aufsichtsrätin 2016 ausgerechnet den altgedienten, aber etwas farblosen Henkel-Mann Van Bylen als neuen Chef präsentierte, gab es inner- und außerhalb des Konzerns viele Fragen und nicht wenig Kritik. Gegenüber seinem flamboyanten und überaus erfolgreichen Vorgänger Kasper Rorsted wirkte Hans van Bylen von Anfang an wie zweite Wahl. Und einige Insider vermuteten sogar böse, Bagel-Trah wolle künftig einfach nur selbst mehr an der Spitze des Unternehmens glänzen und das Scheinwerferlicht nicht mehr einem begnadeten Selbstdarsteller wie Rorsted überlassen.
Einmal Henkel, immer Henkel
Und nun also der bisherige Finanzvorstand Carsten Knobel. Deutlich jünger, ein kluger Harvard-Absolvent, flexibler und ein ganzes Stück zugänglicher als Van Bylen – aber wiederum ein Eigengewächs des Konzerns ohne jegliche Erfahrung in anderen Unternehmen. Noch dazu seit über sieben Jahren Mitglied des Vorstands und damit mitverantwortlich für die vielen Probleme im Haus: viele angestaubte Marken, zu behäbig in der Umsetzung beschlossener Programme, ohne richtige Strategie für die Herausforderungen der Digitalisierung. Sollte es wirklich keinen besseren Mann geben für den Konzern? Und hat Bagel-Trah überhaupt nach dem Mr. Right richtig gesucht? Einige Aktionäre bezweifeln es. Die Aktie reagierte auf die Nachricht vom Schnellwechsel an der Spitze jedenfalls erst einmal mit einem deutlichen Kursverlust.
Henkel hält sich viel auf seine besondere Unternehmenskultur zugute. Die Henkel-Familie sorgt mit ihrer Aktienmehrheit dafür, dass keine kritischen (oder gar aktivistischen) Aktionäre ins Spiel kommen. Einmal Henkel, immer Henkel – das gilt seit Jahrzehnten als Maxime für die Manager. Doch etwas mehr Anstoß von außen würde dem Konzern sicherlich nutzen. Die Chance dafür wurde wieder einmal vertan.
Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de . Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .