Emmanuel Macron präsentierte sich Ende März in Paris als weltläufiger Chefverkäufer von Airbus. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping gab Frankreichs Staatschef die Unterzeichnung eines Großauftrags über 300 Mittel- und Langstreckenjets bekannt – nach seinen Worten ein „exzellentes Signal“ für die Beziehungen zwischen Europa und China. Die Medien reagierten wie geplant mit „Ah“ und „Oh“, richteten ihre Fernsehkameras auf Macron und kommentierten durch die Bank auf das Wohlgefälligste.
Was da genau in Paris unterschrieben wurde, weiß man allerdings nicht. Offiziell ist von einem „Rahmenvertrag“ die Rede, der „am Rande“ des Gipfeltreffens final verfertigt wurde. Diese beiden Floskeln fallen immer dann, wenn sich Präsidenten und Potentaten als Pioniere ihrer heimatlichen Wirtschaft in Szene setzen. Flugzeuge – egal ob es um Airbus oder Boeing geht – sind dabei besonders beliebt. Der greifbare Geschäftsabschluss soll das politische Geplänkel veredeln, bei dem oft nichts Konkretes herauskommt. Soll niemand sagen, beim Besuch Xis sei nichts Weltbewegendes passiert.
In Wahrheit muss man etwas Essig in den Burgunder gießen, der in Paris gereicht wurde. 300 Flugzeuge – das hört sich gewaltig an. Aber ein kleiner Vergleich rückt die Dimensionen zurecht: Allein 2017 lieferte Airbus in China 200 Maschinen aus. Über wie viele Jahre sich der jetzige Großauftrag streckt, bleibt Geschäftsgeheimnis. Genauso wie das Preisetikett: In Paris machte die Zahl 30 Mrd. Euro die Runde – aber das errechneten schlaue Köpfe anhand der Listenpreise im Airbus-Katalog. In der Praxis muss der Flugzeughersteller stets hohe Rabatte einräumen, wenn es um größere Bestellungen geht. Wie hoch sie genau ausfallen, das wissen nur die Airbus-Manager. Für Macron kam es nur auf eine runde Zahl an.
Viel wichtiger noch: In der Branche sind Verträge, anders als zum Beispiel beim Autokauf, nicht immer wirkliche Verträge. In der Regel geht es immer um eine Mischung aus Festbestellungen und Optionen auf weitere Maschinen. Und selbst für die Festbestellungen gibt es oft Hintertüren, durch die Kunden immer wieder geschickt entschlüpfen, wenn ihre Geschäfte anders laufen als erwartet. Am Ende könnten aus Macrons 300 Flugzeugen auch 200 werden – oder, im Glücksfall, 350.
Überhaupt die magische Zahl 300 – wieso gerade 300 Bestellungen bei Airbus? Man muss vermuten, dass es mit dem ewigen Rivalen Boeing zu tun hat. Im November 2017 konnte sich dessen Chef Dennis Muilenburg über einen Großauftrag aus China freuen – für exakt 300 Jets. Gesamtwert laut Listenpreis: 37 Mrd. Dollar oder rund 33 Mrd. Euro. Und, man ahnt es: Unterschrieben wurde auch dieser „Rahmenvertrag“ selbstverständlich „am Rande“ eines Staatsbesuchs – in diesem Fall von Donald Trump.
Die Chinesen beherrschen die alte Kunst der Symbolpolitik meisterhaft, das zeigen auch ihre Flugzeuggeschäfte. In der großen, bunten Airbus-Boeing-China-Show traben die Macrons und Trumps dieser Welt nur als Statisten durch die Manege. Der Zirkusdirektor, der die Peitsche schwingt und den Zylinder trägt, heißt Xi Jinping.