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Gastkommentar Digital-Labs: Dead on Arrival oder Success Story

Symbolbild: Company-Builder
Symbolbild: Company-Builder
© Pixabay
Innovations-Labore von großen Unternehmen scheitern oft. Dafür gibt es vor allem vier Gründe, schreibt Martin Unger

Schon seit Jahren sprießen so genannte Corporate-Innovation-Vehikel aus dem Boden - digitale Geschäftseinheiten, Inkubatoren, Acceleratoren, Company Builder oder Innovation Labs. Oft hält bei diesen Vehikeln nach einer euphorischen Anfangszeit die Realität Einzug, spätestens wenn der Konzernmutter dämmert, dass sich der kurzfristig für die Gesamtorganisation geschaffene Mehrwert in Grenzen hält. Das führt dann oft dazu, dass diese Vehikel in Frage gestellt werden - manchmal zu Unrecht, oft aber auch zu Recht. Dass solche Innovations-Labs oft scheitern, liegt meiner Erfahrung nach im Wesentlichen an vier Faktoren.

#1 Start unter schlechten Voraussetzungen

Oft sind sich die Entscheider hinsichtlich der Implikationen der Digitalisierung für ihr Unternehmen nicht einig oder sie wissen schlicht noch nicht, was sie von dem Ganzen halten sollen und wollen kein Risiko eingehen. Das führt dazu, dass die Innovation-Labs häufig halbherzig, ohne klares Ziel und ohne wirkliche Überzeugung angegangen werden.

Dabei benötigen diese Initiativen insbesondere in den ersten Jahren starken Rückhalt von Seiten der Gesellschafter sowie der Geschäftsführung, um sich erfolgreich gegen Widerstände behaupten zu können. Diese Widerstände entstehen zwangsläufig, denn es braucht eine gewisse Zeit, bis die Kommunikation zwischen Mutter und dem Innovations-Labor reibungslos verläuft und die verschiedenen Welten zueinandern finden.

Wird die Digitalisierung zusätzlich durch das Schüren von Existenzängsten getrieben, anstatt die Chancen hervorzuheben, entsteht vor allem im mittleren Management ängstlicher Stillstand und eine “cover my ass”-Haltung, bis hin zum gezielten Ausbremsen von Initiativen.

Hinzu kommt der Umstand, dass in vielen Unternehmen eine am Jahresabschluss orientierte Betrachtung vorherrscht und deshalb bei nicht wenigen Verantwortlichen nach zwei Jahren ohne signifikanten Umsatz Nervosität aufkommt. Wurden Ziele und Erwartungen also nicht klar definiert, dann ist Streit darüber, was eigentlich Erfolg bedeutet, vorprogrammiert.

#2 Organisationsform passt nicht zum Ziel

Auch höre ich immer wieder von so genannten “Speed Boats”, also Organisationseinheiten, die möglichst schnell und unbürokratisch neue Konzepte ausprobieren sollen. Diese werden dann aber oft unnötigerweise eng in die Prozesse der Mutter eingebunden, was total kontraproduktiv ist. Das fühlt sich dann in etwa so an, als würde jemand im Zug bei 300km/h die Notbremse ziehen.

Diesen Speed Boats unangepasst übernommene regulatorische Elemente wie Geschäftsordnung, Arbeitsverträge, Prozess- und Controlling-Richtlinien überzustülpen, zerstört die für ein Innovations-Labor so wichtigen Elemente wie Ownership, intrinsische Motivation und unternehmerisches Handeln.

Die Organisationsform muss konsequent am Ziel ausgerichtet werden. Dazu zählt auch, sich zu überlegen, wie nah an der Mutter eine solche Innovations-Initiative angesiedelt sein sollte.

#3 Die falschen Mitarbeiter werden gewählt

Ein weiterer entscheidender Faktor sind die Mitarbeiter. Die Personalabteilung der Mutter hat oft keine Erfahrung mit der Definition, der Suche und dem Einstellen für geeignete Stellenprofile. Das erschwert das Finden geeigneter Kandidaten im hart umkämpften Personalmarkt und führt oft dazu, dass eigentlich für ein Innovations-Labor ungeeignete Mitarbeiter aus existierenden Einheiten abgestellt werden.

Manchmal werden so auch schlicht unliebsame Mitarbeiter abgeschoben. Generell wird kulturellen Aspekten, so genannten “Soft Skills” und “Teamfit” im Auswahlprozess meistens nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese gerade in einem Innovations-Labor essentiell sind, um Potenziale zu heben. Stattdessen erfolgt im Einstellungsprozess eine Konzentration auf Lebenslauf und Vorerfahrung.

Das Ergebnis zu vieler Kompromisse ist ein schwaches, nicht kohäsives oder bestenfalls unausgeglichenes Team. Das führt zu Abstrichen in der Zielerreichung, zu Konflikten zwischen Team-Mitgliedern und einer hohen Mitarbeiterfluktuation. Kommuniziert die Führung außerdem keine klare Erwartungshaltung, dann entsteht häufig eine Kultur des “Start-up-spielens” und abgesehen davon wenig Greifbares.

#4 Kommunikation wird vernachlässigt

Last but not least: Kommunikation. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für den nachhaltigen Erfolg eines solchen Vehikels und damit erfolgskritisch. Durch schlechte oder fehlende Kommunikation zwischen der Mutter und dem Innovation-Lab entstehen oft Lagerdenken, Misstrauen und Überheblichkeit.

Auf der Seite des Vehikels kommt es zu einem Leben in einer Blase und dem Eindruck, man wäre so viel besser, weil man ja im Gegensatz zu allen anderen verstanden hat, wie “die neue Welt” funktioniert. Auf Seiten der Mutter kommt es dagegen zu Missstimmungen, speziell wenn viel Geld in die neuen Vehikel fließt und folglich der Eindruck entsteht: wir erwirtschaften hier mit ehrlicher Arbeit das Geld, das die da für ihre Startup-Spielereien mit beiden Händen rauswerfen.

Eine solche kontrastierende Sichtweise macht eine erfolgreiche Zusammenarbeit natürlich schwierig. Große Unternehmen scheuen sich aus Angst vor diesem Szenario sehr häufig, neue Ansätze konsequent auszuprobieren, weil sie davon ausgehen, dass sie die kulturellen Unterschiede zwischen den Entitäten nicht unter Kontrolle bekommen und sich alles in den folgenden Ineffizienzen und Streitigkeiten verlieren wird. Dabei liegt gerade im Meistern der Unterschiede der wirkliche Mehrwert für die Gesamtorganisation.

That’s all folks

Martin Unger ist Managing Director und CTO bei WattX, dem Company Builder des mittelständischen Heizungsproduzenten Viessmann.

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