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Nexperia-Krise In der Autobranche droht wegen des Chipmangels Kurzarbeit

Ein Mitarbeiterin kontrolliert im VW Stammwerk die Lackierung von einem Volkswagen Tayron
Stehen die Bänder bald still? Bei Volkswagen ist die Produktion bis kommenden Donnerstag gesichert
© Julian Stratenschulte/dpa / Picture Alliance
Der Chipmangel durch den Streit um den Zulieferer Nexperia wird für die deutsche Autoindustrie immer bedrohlicher. Während die Regierung nach politischen Lösungen sucht, droht kommende Woche bei einigen Firmen Kurzarbeit

Der politische Konflikt um den Chiphersteller Nexperia schlägt auf Beschäftigte in der deutschen Autobranche durch. Nach Angaben der IG Metall vom Freitag planen Unternehmen wie der weltgrößte Autozulieferer Bosch wegen ausbleibender Chip-Lieferungen Kurzarbeit. Auch andere Firmen bereiteten Kurzarbeit vor, sagte der bayerische IG-Metall-Bezirksleiter Horst Ott in München. Volkswagen und Bosch schlossen kurzfristige Auswirkungen des Chipmangels auf ihre Produktion nicht aus. 

Hintergrund ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Dadurch ist der niederländische Chiphersteller Nexperia lahmgelegt, der einem chinesischen Konzern gehört. Bei Nexperia gibt es Lieferprobleme, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle übernommen hat. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten wie Halbleitern für die Autoindustrie. Dies bedroht die Autoproduktion in Deutschland, die Hersteller loten Alternativen aus. Hintergrund ist der Handelsstreit zwischen den USA und China.

IG-Metall-Vorstandsmitglied und Bosch-Betriebsrat Mario Gutmann aus Bamberg sagte in München, wegen des Nexperia-Konflikts plane Bosch im niedersächsischen Salzgitter Kurzarbeit. Dort wirke sich die Knappheit wegen der „Just-in-time“-Materialversorgung besonders schnell aus, sagte Gutmann.

Der bayerische IG-Metall-Bezirksleiter Ott sagte, auch bei anderen Autozulieferern gebe es „starke Schwierigkeiten“ in einzelnen Bereichen, wo Kurzarbeit bereits angemeldet worden sei. Auf die Frage nach Details antwortete Ott, voraussichtlich ab dem kommenden Mittwoch werde jeder größere Zulieferbetrieb und jeder Autohersteller sagen können, wie sich der Lieferengpass bei ihm auswirke. „Bis dahin müssen alle Krisenszenarien hochgelaufen sein“, erläuterte er. „Dann sieht man, ob Notfallpläne eben funktionieren oder nicht.“ Betriebsräte ließen sich bei der IG Metall bereits über Betriebsvereinbarungen beraten, die für Kurzarbeit nötig seien: „Bei uns laufen die Telefone heiß.“

„Aktuell haben wir noch keine Arbeitszeitanpassungen an deutschen Standorten, bereiten uns aber insbesondere in Salzgitter darauf vor“, erklärte Bosch. Der Konzern versuche alles, um Produktionseinschränkungen zu vermeiden. „Dazu nutzen wir etwa alternative Lieferquellen, optimieren Lagerbestände im weltweiten Fertigungsnetzwerk oder verarbeiten technische Alternativen.“

Von Volkswagen hieß es, bis zum kommenden Donnerstag (30. Oktober) sei die Fahrzeugproduktion an den deutschen Standorten gesichert. „Kurzfristige Auswirkungen auf das Produktionsnetzwerk des Volkswagen-Konzerns“ könnten „jedoch weiterhin nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden“, sagte ein Unternehmenssprecher. Volkswagen prüfe alternative Beschaffungsoptionen. VW-Markenproduktionsvorstand Christian Vollmer hatte zuletzt gesagt, das Unternehmen habe einen alternativen Lieferanten, der den Lieferausfall der Nexperia-Halbleiter ausgleichen könnte.

IG Metall: Haben aus letzter Krise nichts gelernt

Die Bundesregierung beobachtet den Chipmangel mit Sorge und will die Abhängigkeit vom Ausland reduzieren. „Wir sind da an Maßnahmen dran“, sagte eine Sprecherin des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums. Details nannte sie nicht. Die Regierung sei im Kontakt mit der Wirtschaft. Sie verwies auch auf die zuletzt im Kabinett gebilligte Mikroelektronik-Strategie. Diese lege den Fokus auf die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten.

Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche schaltete sich in die Debatte ein. „Aktuell ist die Situation noch nicht gelöst, aber wir arbeiten wirklich daran“, sagte die CDU-Politikerin bei einem Ukraine-Besuch in Kiew. Zusammen mit der Europäischen Kommission sei man in Kontakt mit der chinesischen Regierung. Die Bundesregierung habe sich an den chinesischen Handelsminister gewandt, damit die Chip-Exporte wieder möglich werden

Außenminister Johann Wadephul (CDU) wollte bei einem Besuch in China von Sonntag an über die Kooperation beider Staaten sprechen. Jedoch wurde die Reise nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin überraschend abgesagt. Konkrete Gründe nannte das Ministerium nicht.

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IG-Metall-Vorstand Gutmann kritisierte die nun von Unternehmen und Politik angekündigten Schritte als zu spät. „Warum haben wir es denn nicht gelernt aus der letzten Krise?“, fragte Gutmann. Deutschland und Europa hätten ihre Abhängigkeit schon längst verringern sollen. „Für mich ist die Kernbotschaft, die dahinter steht, das Schlimmste eigentlich, dass wir es nicht geschafft haben, uns an der Stelle sauber aufzustellen.“ Dieser politisch verursachte Lieferengpass werde nicht der letzte sein. „Das wird wieder kommen“, sagte Gutmann. „Wie schnell es geht, sieht man ja, und dann gehen die Lichter aus.“

Der Digitalverband Bitkom sprach von richtigen Schritten der Politik, forderte aber mehr Tempo. Es brauche klare Verantwortlichkeiten und messbare Zwischenziele,sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. „91 Prozent der Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe sowie IT- und Telekommunikation setzen Halbleiter ein, für 80 Prozent sind sie unverzichtbar – und die große Mehrheit kauft in den USA und China. Wenn dort etwas hakt, stehen hierzulande Bänder still.“

rtr/dpa/kb

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