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Kommentar BMW unterhöhlt die soziale Marktwirtschaft

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Der Münchner Autokonzern BMW zahlt mitten in der tiefsten Krise der Nachkriegszeit fast 800 Mio. Euro Dividende an die Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt. So zerstört man die moralische Grundlage unseres Wirtschaftssystems

Gerade einmal zehn Sätze widmete BMW-Chef Oliver Zipse am Donnerstag auf der Hauptversammlung des Konzerns einem Thema, das geeignet ist für viel Aufregung zu sorgen. Und das auch völlig zu Recht. Es geht um die Zahlung der Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr 2019, eine Summe von 1,6 Mrd. Euro. Ungefähr die Hälfte davon fließt an die Geschwister Quandt, die zu den reichsten Deutschen gehören . Gleichzeitig beziehen momentan noch knapp 40.000 BMW-Beschäftigte Kurzarbeitergeld. Und Zipse selbst fordert vehement Kaufprämien vom Staat, also letztlich finanziert vom Steuerzahler, zur Ankurbelung der PKW-Nachfrage.

Der BMW-Chef führt für die Zahlung der Dividende in diesen Zeiten vier Argumente ins Feld: Die Kurzarbeit finanziere ja die Arbeitslosenversicherung und nicht der Staat. Mögliche Kaufprämien flössen ja nicht an die Unternehmen, sondern an die Autokäufer. Außerdem profitierten auch die BMW-Angestellten von einer Zahlung der Dividenden, da ihre Boni an diese Ausschüttung gebunden seien. Und last but not least müsse man die „treuen“ Aktionäre durch eine „zuverlässige“ Dividendenpolitik belohnen.

Über all diese Argumente könnte man sich in normalen Zeiten trefflich unterhalten. Ein Konzern kann tatsächlich nicht einfach so die Dividende für ein gutes Jahr streichen, nur weil das laufende Jahr gerade sehr viel schlechter läuft. Als Eigentümer eines Konzerns müssen die Aktionäre auch für ihr Investment belohnt werden, sonst funktioniert der Kapitalismus nicht. Aber die soziale Marktwirtschaft überlebt auch dann nicht, wenn die Unternehmen selbst ihre moralische Basis untergraben. Und das geschieht mit solchen Entscheidungen wie bei BMW.

BMW-Angestellte und -Aktionäre sollten verzichten

In der schwersten ökonomischen Krise der Nachkriegszeit, in der viele Angestellte ihren Job und viele Kleinunternehmer ihre ganze Existenzgrundlage verlieren, kann (und muss) man von allen die Bereitschaft zum Verzicht erwarten. Die Familie Quandt/Klatten, die mir ihrer Hauptversammlungsmehrheit praktisch selbst über die Ausschüttung entscheiden, sollten ihre 800 Mio. Euro im Konzern lassen. Den äußerst gut bezahlten BMW-Angestellten kann man einen Verzicht auf die Boni zumuten. Und auch die Kleinaktionäre sollten in diesen Zeiten bereit sein, „ihr“ Unternehmen durch einen Verzicht auf eine Zahlung von Dividenden zu stärken. Einige ihrer Vertreter fordern es sogar ausdrücklich.

Auch die übrigen Argumente Zipses ziehen nicht wirklich: Zwar stammt das Kurzarbeitergeld aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit, finanziert sich also aus den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Trotzdem ist der Bezug von Kurzarbeitergeld nicht „normal“ für ein Unternehmen, das in früheren Jahren so viel Geld verdient hat wie BMW. Und aller Wahrscheinlichkeit belastet die Krise die Bundesanstalt für Arbeit so stark, dass am Schluss Steuergeld in ihre Kassen fließen wird. Bei einer Auto-Kaufprämie wäre das ohnehin der Fall. Und egal an wen sie technisch fließt – der Profiteur wären in erster Linie die Autokonzerne. Wenn es um die Ankurbelung der Volkswirtschaft ginge, fallen fast allen Ökonomen bessere Ideen ein als diese Subvention. Aber es geht um die harten Interessen einer einzigen Industrie.

Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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