Selbstverständlich gibt es wichtigeres als Uhren, wenn es um die Beurteilung von Mitarbeitern und Geschäftspartnern gilt: etwa fachliche und soziale Kompetenz, Leistungsbereitschaft, Erfahrung. Das wäre der Idealfall.
Doch in Wahrheit entscheiden sie nie allein, ob wir im Arbeitsleben weiterkommen. Wir brauchen für den Job auch moralisch weniger relevante Dinge. Manchmal Ellenbogen. Manchmal die passende Ausstattung: Wer ein Unternehmen repräsentiert, sollte das Einmaleins des passenden Stils beherrschen. Anzug, Krawatte, Manschettenknöpfe, Bluse, Aktentasche, gute Schuhe, ordentliche Frisur – und die richtige Uhr: Armbanduhren kommunizieren vor allem für Männer, zunehmend aber auch für Frauen den Rang, die Liga. Wie vor 175 Jahren, als die Uhrmacherei im berühmten Uhrmachertal Glashütte ihren Anfang nahm , gehören gute Uhren zum guten Ton.
Und da die Einstellung zu Status und entsprechenden Symbolen tief sitzt und uns auch hilft, ein Gegenüber einzuschätzen, wird dies auch noch lange so bleiben. Also lohnt ein genauerer Blick. Denn auch wer Regeln brechen will, sollte sie erst einmal kennen.
Alte Welt: Die Uhr des Chefs
In hierarchisch geprägten Unternehmen ist es ein bisschen wie (früher) beim Auto; es kann eine Delle in der Karriere bedeuten, wenn dieses teurer ist als das des Chefs. Natürlich gibt es längst Vorgesetzte, die darauf pfeifen, während sie davon radeln. Doch noch immer gibt es auch Vorgesetzte, die auf teure Karossen von Untergebenen empfindlich reagieren. Im Zweifel werfen Sie besser einen Blick auf den Chef-Parkplatz und sein Handgelenk. Es geht dabei nicht nur um eine gemeinsame Auffassung von Schönheit, Qualität und Stil: Autos wie Uhren symbolisieren vor allem unter Männern auch die Liga, in der sie spielen.
Uhren können gläserne Decken durchbrechen
Frauen in Führungsebenen mögen dies belächeln, zum Glück – und tun trotzdem gut daran, sich über Uhren ein paar Gedanken zu machen. Denn gegen die tradierten Regeln anzukommen ist schwer. Wer um sie weiß, kann das Thema Armbanduhr für sich aber anders, eleganter, kreativer und intelligenter lösen. Taschen, Kleidung, Schmuck, Frisur und Geist. In allem ist für Frauen die Bandbreite groß, und das gilt auch für die Uhr. Das vom Freund geklaute Modell, ein gutes Vintage-Stück vom Flohmarkt, eine alte Taschenuhr: alles geht. Mechanisch sollte es sein, edel und angemessen, von guter Qualität und mit Bedacht gewählt. Idealerweise können Sie eine Geschichte dazu erzählen. Jessica Wahl, die in Berlin Führungskräfte coacht, sagt: „Seit einigen Jahren beobachte ich, dass das Thema Uhr bei Frauen, die Karriereleitern emporklettern, an Relevanz erheblich gewonnen hat.“ Nicht selten stoße da eine Frau zunächst an eine gläserne Decke – die eine gute Uhr später durchbrechen kann.
Bescheidenheit ist eine Zier
Nicht nur ein leicht prolliger Zeitmesser mit Batterie am Arm der Chefin, auch sehr teure Uhren können irritieren. Als Sozialpädagogin mit einer reichlich mit Steinen besetzten Schweizer Uhr sollte man sich bewusst machen, dass diese verunsichern kann. Auch für den Praktikanten ist ein Chronograf, der mehrere Monatsgehälter kostet, nicht unbedingt ratsam. Und ein Politiker, der soziale Härten anprangert, ein Unternehmenslenker, der nach Corona Menschen entlassen muss, ein Arzt im Hilfseinsatz: Das Zuviel kann auch hier ein Risiko sein. Was tun? Den besten Eindruck hinterlässt man weder over- noch underdressed. Eine klassische, aber zurückhaltende Uhr von hervorragender Qualität, die mechanisch Stunden und Minuten misst, ist in allen Fällen angemessen.
Bitte nicht piepsen
Wichtig ist auch das Werk, der Antrieb der Uhr. Denn wo die Arbeitswelt ohne Rechner und Smartphone längst nicht mehr denkbar ist, gilt in den meisten Branchen am Arm: Die Uhr sollte bitte nicht mit Geräuschen nerven. Dezente Mechanik ist langlebig, steht für Qualitätsbewusstsein. Und dieses Image überträgt sich: auf einen zuverlässigen Mitarbeiter, der bleibt, selbst wenn es mal anstrengend und schwierig sein sollte – und bei dem es nicht piept.

Wissen, dass alles spricht
Wer über eine neue Uhr nachdenkt, könnte sich auch fragen, worüber diese sprechen soll. Denn Uhren berichten immer auch von dem Ideal, dem ihr Träger gern entsprechen würde: schön und wasserdicht, mondlandungserprobt, tiefseetauglich und mit Pilotenschein, traditionell oder einfach schlau? Uhren können alles sein und aussagen. Sie geben ihren Besitzern oft eine Idee jenes Lebens, das sie gern gelebt hätten, aber nicht leben konnten – der vermeintliche Astronaut ist eben doch in der Buchhaltung gelandet, nicht auf dem Mond.
Meist hilft es einfach, wenn man für seinen Job auch erkannt werden kann. Vom Personalmitarbeiter, dem künftigen Chef, den Kunden. Gestik, Stimme, Schuhe und Kleidung sollten passen – und eben auch die Uhr. Dinge kommunizieren, versprechen etwas, all unsere Sachen sagen unserer Umwelt, wer wir sind. Und im Arbeitsleben hilft es manchmal, wenn das Gespräch sich nicht in erster Linie ums Tauchen dreht.
Der Job entscheidet
Andererseits ist auch zu viel Dezenz mitunter hinderlich: Sind Sie Türsteher, Clubbesitzer, Künstler oder Kapitän zur See, so passt auch mal eine dicke goldene Uhr. Für Modedesigner darf es, je nach Klientel, ebenfalls lauter und verspielter sein oder ganz anderen Schönheitsvorstellungen entsprechen. Auch für Autoverkäufer oder Personal Trainer sollte die Uhr ruhig einen Tick sportlicher und zweckmäßiger sein, mit Textil- oder auch Metallarmband.
Ein Finanzberater etwa, der Berechenbarkeit in ein Geschäft verwandeln muss, braucht selbstverständlich eine Uhr, die Vertrauen ausstrahlt; sonst klappt das nicht im Kundenkontakt. Fragen Sie sich: Welche Uhr hätten Sie gern als Kollegen, als Geschäftspartner, wem würden Sie vertrauen? Aber diese Faustregel hilft oft: Im gehobenen geschäftlichen Umfeld macht man mit einer klassischen Dreizeiger-Dresswatch alles richtig: Gut proportioniert, flach unter die Manschette passend, mit Lederarmband. Dieses übrigens in der Farbe von Schuhen und Gürtel, enganliegend, sodass nichts rutscht. Stahluhren passen am besten zu grauer, schwarzer oder blauer Kleidung und Schuhen. Zu Braun und Grün passen goldene Uhren besser.
Nicht barfuß ins Büro (und eben auch nicht ohne Uhr)
Es ist also nicht ganz einfach mit den Uhren. Unterschiedliche Anforderungen im Beruf, unterschiedlich die Sprache der einzelnen Uhren, schwankend vielleicht auch die jeweilige Gemütsverfassung. Keine Uhr wäre dennoch keine Lösung, denn wie wir wissen, kann man nicht nicht kommunizieren. Die Zeit finden wir heute überall, das nackte Handgelenk aber genügt dennoch nicht: In der Arbeitswelt sei dies häufig „fast als käme man barfuß ins Büro“, sagt Beraterin Jessica Wahl. Nicht unbedingt empfehlenswert.