Bei intelligenter Kleidung am Arbeitsplatz wird es nach Aussage von Experten künftig viel um Gesundheit und Prävention gehen. Ob in Shirts, Jacken oder Hosen: Integrierte Sensoren und Chips könnten Belastungen analysieren und Schiefstellungen in Echtzeit korrigieren, sagt Didier Stricker, Wissenschaftlicher Direktor und Leiter des Forschungsbereiches Erweiterte Realität am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern, im Gespräch mit Capital.de.
Nicht nur bei Tätigkeiten in der industriellen Produktion, auch beim langen Sitzen am Schreibtisch komme es trotz ergonomisch ausgerichteter Arbeitsplätze oft zu falschen Körperhaltungen und ähnlichen ungesunden Belastungen. Tendenz zunehmend, denn: Aufgrund des demografischen Wandels stiegen das Durchschnittsalter der Mitarbeiter - und damit auch körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen, sagt Stricker. Manager hätten zudem oft ein hohes Stresslevel. Bei ihnen könnten beispielsweise Hemden mit Sensoren im Ärmel auch die Herz-, Atemfrequenz und Temperatur messen.
Sensoren analysieren die Bewegungen
„Elektronik in Kleidung wird auf jeden Fall kommen“, betont Stricker, der auch Projektkoordinator von Bionic ist, einem EU-geförderten Projekt, in dem das DFKI mit internationalen Partnern aus Medizin, Biotechnik, Elektronik, IT und Künstlicher Intelligenz an smarten Arbeitsoutfits forscht. Noch sei vieles im Entwicklungs- und Erprobungsstadium, doch in etwa zwei bis drei Jahren könnte es die Kleidungsstücke im Handel geben.
Grundsätzlich funktioniert das System so: Verschiedene am Körper getragene und mit textilen Kabeln vernetzte Sensoren erfassen den gesundheitlichen Zustand des Mitarbeiters anhand seiner Bewegungen im Laufe des gesamten Tages. Ein intelligenter Chip, ebenfalls direkt am Körper, analysiert diese Daten in Echtzeit – etwa die Winkel zwischen den Gliedmaßen. Das System kann direkt Rückmeldung zu Belastungen, Fehlstellungen oder Ermüdungserscheinungen sowie personalisierte, medizinische Hilfestellungen geben.
Stricker beschreibt 5 Merkmale intelligenter Arbeitskleidung.
# 1 Größe
Die Sensoren sind kleiner als ein Cent-Stück, so dass sie kaum wahrnehmbar in die Kleidung integriert werden können. Anders als bei ersten Prototypen müssen die Kleidungsstücke nicht mehr hauteng sein, sondern können locker am Körper sitzen. Sie sehen zudem nicht futuristisch, sondern gewöhnlich aus. Das von Bionic entwickelte Body Sensor-Netzwerk (BSN) etwa kann in existierende Kleidungsstücke – bis zu Anzug und Kostüm - eingebaut werden. Diese sind dann übrigens auch waschbar.
# 2 Design
Zuerst wird wohl ein leichtes, langärmeliges Shirt auf den Markt kommen – das ist vielseitig nutzbar. Arbeiter in der Produktion können es ebenso wie Angestellte im Büro tragen. Neben Systemen zur Selbstvermessung könnten auch Diktiergeräte, Mikrofone und Kameras eingebaut werden, die mit dem Arbeitsumfeld verbunden sind. Auf einer Geschäftsreise benötigte Dokumente könnten in der Kleidung gespeichert werden. Oder das Kleidungsstück wird Teil des Smart Offices und steuert Geräte vom Licht bis zur Kaffeemaschine. „Technisch ist das alles kein Problem“, betont Stricker. Funktionen, die im Vergleich zum Smartphone keinen großen Mehrwert hätten, seien in der Praxis indes weniger wahrscheinlich.
# 3 Modulares System
Bionic hat bisher ein System für den Unter- und eins für den Oberkörper entwickelt. Die Sensoren sollen dabei nach Bedarf eingesetzt werden können. Soll nur das Knie vermessen werden, reichen zwei Sensoren, beim ganzen Körper wären es 18 bis 20.
# 4 Sicherheit
Alle erfassten Daten werden – zumindest im Projekt Bionic - lokal und nicht in einer externen Cloud gespeichert.
# 5 Preis
Ein smartes Arbeitsoutfit wird vermutlich nur tragen, wer es vom Arbeitgeber bezahlt bekommt. Stricker zufolge wird ein Shirt in Zukunft knapp 1.000 Euro kosten.