Sind Ihre Verwaltungsprozesse digitalisiert? Stellt man diese Frage kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland, wird die Antwort heute wohl überwiegend „Ja“ lauten. Finanzbuchhaltung, Reisekostenstelle, Personalabteilung – überall erledigen die Mitarbeiter diese Aufgaben am PC. Insofern gehen viele Verantwortliche davon aus, komplett digitalisierte Prozesse implementiert zu haben. Doch stimmt das tatsächlich? Einerseits ja – andererseits aber auch nicht. Denn: Fragt man nämlich, wo überall in der Verwaltung noch Papier zum Einsatz kommt, wird man staunen. Vom papierlosen Büro sind viele Betriebe heute weiter entfernt denn je.
Ein Beispiel aus dem mittelständischen Online-Handel: Kommt eine Bestellung im Webshop an, wird sie zunächst einmal ausgedruckt. Ein Sachbearbeiter tippt die Daten im Anschluss in ein anderes Programm ein, welches in der Folge die Auslieferung veranlasst. Ein anderer Kollege schreibt als nächstes die Rechnung – wieder in einem separaten Programm. Und wenn der Kunde bezahlt hat, vergleicht ein weiterer Kollege die Rechnungen mit dem Kontoauszug – ausgedruckt versteht sich. Integrierter Workflow? Fehlanzeige. Der Aufwand an Zeit und Arbeitskraft zur Abwicklung eines einzigen Kundenauftrags ist enorm.
Kampf den Medienbrüchen
Dass es viel einfacher geht, beweist ein großer internationaler Online-Händler: Wenn der Kunde online mit nur einem Mausklick einen Bestellprozess auslöst, geschieht alles Weitere digital. Nur die Ware selbst wird noch analog verschickt. Die große Stärke eines derart digitalisierten Handelssystems ist die vollständige Integration aller Prozessschritte zu einer lückenlosen Kette. Wo unterschiedliche Softwaremodule zum Einsatz kommen, haben sie standardisierte Schnittstellen. Medienbrüche werden dadurch konsequent vermieden.
Warum haben aber viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) diesen Grad der Digitalisierung noch nicht erreicht? An der Technologie liegt es nicht. Buchhaltungssoftware für KMUs ist vielseitig, zuverlässig und sehr einfach zu bedienen. Am Preis liegt es meist ebenfalls nicht. Auch für kleine Betriebe gibt es erschwingliche Angebote. Das Problem liegt vielmehr in den über Jahrzehnten gewachsenen Strukturen. Viele Unternehmen haben zwar eine untereinander vernetzte und Server-basierte IT-Infrastruktur eingeführt, aber das Denken in Abteilungen und Einzelaufgaben beibehalten.
Interessanterweise sind dieselben Unternehmen, wenn es um die Digitalisierung der Produktion geht, viel weiter als in ihren Backoffice- und Verwaltungsprozessen. Während für viele Betriebe Industrie 4.0 in der Fertigung schon lange kein Fremdwort mehr ist, steckt die Buchhaltung nach wie vor bei Version 2.0 fest, wo Aufgaben jeweils für sich isoliert am PC abgearbeitet werden.
Prozesse modernisieren und Möglichkeiten von KI nutzen
Wenn Unternehmen es mit der Digitalisierung ernst meinen, ist es ratsam, zu allererst die Prozesse zu überprüfen, zu vereinfachen, laufend zu optimieren und vor allem zu automatisieren. Als ersten Schritt empfiehlt sich eine Bestandsaufnahme der aktuellen Abläufe und die Identifikation von Verbesserungspotentialen.
In einem zweiten Schritt kann dann überlegt werden, mit welchen Technologien bislang wenig effiziente und fehleranfällige Prozesse verbessert werden können. Schon heute können intelligente Programme einfache, sich häufig wiederholende Aufgaben übernehmen, etwa den Abgleich zwischen Rechnungen und Zahlungseingängen. Die technischen Möglichkeiten – beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz – entwickeln sich rasant. Damit verbunden steigen aber auch die Anforderungen, mit dieser Technologie so umzugehen, dass ihre Effizienzpotentiale auch voll genutzt werden.
Wenn Betriebe hier gezielt in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, können sie Prozesse spürbar optimieren, indem Routineaufgaben an intelligente IT-Systeme abgegeben und somit freiwerdende Kapazitäten im Sinne des Kerngeschäfts konsequent genutzt werden, wenn es darum geht, echten Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen. Wenn es um echte Expertise und Kreativität geht.
Chatbots als Einstieg in die Verwaltung 4.0
Eine Möglichkeit, Künstliche Intelligenz für die Optimierung und Automatisierung von Unternehmensprozessen zu nutzen, sind Chatbots. Moderne Onlineshops nutzen sie bereits, um stetig wiederkehrende Anfragen von Kunden zu beantworten.
Erste Erfahrungen mit Chatbots im Kundenservice zeigen, dass sich Spitzen im Callcenter deutlich reduzieren lassen, ohne dass die Servicequalität leidet, weil der Bot bereits viele Fragen beantwortet, bevor der Kunde zum Telefon greift. Insgesamt sank die Zahl der Anrufe um zwölf Prozent. In der Personalabteilung können Chatbots bei der zeitaufwändigen Beantwortung von Bewerberfragen helfen. Prognosen gehen davon aus, dass durch Chatbots in einigen Jahren gut zwei Drittel an Zeit eingespart werden kann, indem vor allem Routineprozesse zu Beginn des Recruitings automatisiert werden. Aber auch in der Buchhaltung haben Chatbots großes Potenzial – beispielsweise im Bereich der Reisekostenabrechnung. Dazu kommuniziert der Mitarbeiter über ein Chat-Programm wie Facebook-Messenger oder Slack mit dem System. Quittungen werden per Foto übermittelt, der Bot scannt dieses, erkennt den Rechnungsbetrag via Optischer Zeichenerkennung (OCR, Optical Character Recognition) und übermittelt an das Buchhaltungssystem den Befehl, die entsprechende Summe zu erstatten.
Weiterentwicklung zum selbstlernenden System
Die hier skizzierten Einsatzmöglichkeiten von Chatbots sind aller Voraussicht nach nur die Spitze des Eisbergs einer steilen Entwicklungskurve, die bereits jetzt schon zu beobachten ist: Haben Chatbots der ersten Generation lediglich vordefinierte Frage-Antwort-Listen durchsucht, verfügen die Algorithmen neuerer Versionen bereits über die Fähigkeit zu maschinellem Lernen. Chatbots integrieren damit Erfahrungen – beispielsweise aus Dialogen mit Kunden, die sie in der Vergangenheit geführt haben – in ihr Frage-Antwort-Repertoire. Sie wachsen gleichsam mit ihren Aufgaben und helfen dabei, Prozesse in Unternehmen weiter zu digitalisieren sowie insbesondere noch flexibler und agiler zu machen. Wenn Verantwortliche diese Effizienzpotentiale von Künstlicher Intelligenz erkennen, entsprechende Systeme in ihre Abläufe integrieren und ihre Mitarbeiter in der Nutzung dieser Anwendungen entsprechend weiterbilden, dann steht einem Update von Verwaltung 2.0 auf Version 4.0 nichts mehr im Weg.