Die Werkbänke in Kärchers Ausbildungszentrum in Winnenden vermitteln den Charme klassischer Handarbeit. Angehende Mechaniker, Elektroniker und Mechatroniker lernen hier, wie man biegt, fräst und feilt, wie man Leitungen legt und Kabel konfektioniert. Zunehmend lernen Kärchers Azubis aber auch, wie man programmiert. In einem Nebenraum haben Kärchers Ausbilder ein sogenanntes Cyber Physical Lab installiert, das im Miniaturformat eine vollautomatisierte und übers Internet vernetzte Fabrik abbildet.
Industriell hergestellte Unikate
Mit Industrie 4.0 möchte Kärcher es seinen Kunden bald ermöglichen, die Farbe und Ausstattung von Hochdruckreinigern, Kehrmaschinen und Bodenreiniger selbst zu bestimmen. In vollvernetzten Fabriken sollen Roboter und Mitarbeiter die Geräte nach den gewünschten Parametern produzieren. Das Ziel sind industriell hergestellte Unikate.
Bisher gibt es bei Kärcher aber erst eine Montagelinie, in der einige Aspekte von Industrie 4.0 erprobt werden. Im Cyber Physical Lab der Ausbildungswerkstatt sollen Kärchers Azubis trotzdem bereits heute für Industrie 4.0 fit gemacht werden.
Nick Etzel steht dort vor einer Produktionsstraße, die simuliert, wie Metall für Smartphone-Gehäuse erhitzt, in Form gepresst und verschifft wird. Der 21-Jährige läuft von Station zu Station und programmiert die Maschinen um. „Mit der zentralen Steuerung kann ich die Anlage mit wenigen Klicks auf einen neuen Produktionszyklus umstellen“, erläutert der angehende Produktionstechnologe die Vorteile der Vernetzung.
Das Lab soll den Azubis die Angst vor dem digitalen Wandel nehmen
Eine intelligente mit dem Internet verbundene Fabrik 4.0 wird die Produktion auch völlig selbständig auf die vom Kunden gewünschten Parameter ausrichten können. Produktionstechnologen wie Etzel organisieren deshalb nicht das Tagesgeschäft, sondern kümmern sich um Probleme wie Produktionsschwankungen und Materialüberschüsse.
Seit zwei Monaten ist das Lab nun im Betrieb. Momentan arbeite man noch an einem pädagogischen Konzept, erklärt Hermann Trefz, der die technische Ausbildung bei Kärcher leitet. Nick Etzel dient den Ausbildern derzeit als Versuchskaninchen. Aber schon bald wolle man alle Kärcher-Azubis mit der Anlage schulen.
„Den Kaufleuten werden wir damit das Grundkonzept von Industrie 4.0 erläutern. Bei den Mechatronikern und Elektronikern wollen wir mehr in die Tiefe gehen,“ sagt er. Denn diese Berufsgruppen sollen vergleichbare Anlagen im Unternehmen später einmal warten.
Das Lab solle den Azubis die Angst vor dem digitalen Wandel nehmen, sagt Trefz’ Kollege Thomas Kümmel. „Die sollen sehen, das ist toll, das macht Spaß. Da ist IT drin, da kann ich ein bisschen vernetzen.“ Hermann Trefz hofft, dass die Auszubildenden diese Haltung auch in die Fachbereiche raustragen. „Bei der Industrie 4.0 sollen unsere Azubis Vorreiter sein.“
Wissen veraltet momentan rasant
Weil derzeit noch unklar ist, wie die Arbeitswelt bei Kärcher in Zukunft aussehen wird, sei es wichtig, dass die Auszubildenden offen für Neues seien, meint auch Stefanie Joos, die die kaufmännische Ausbildung bei Kärcher leitet. „Vor drei Jahren haben wir Abteilungsleiter und Experten von außerhalb gefragt, was unsere Azubis können müssen, um in einer digitalisierten Welt zu recht zu kommen. Das konnte uns aber niemand sagen.“
Wissen veralte momentan rasant, sagt Joos. Deshalb konzentriert sich Kärcher nun darauf, den Azubis die richtigen Handlungskompetenzen mitzugeben. Joos lässt ihre Azubis in Teams eigene Projekte umsetzen. Da der klassische Sachbearbeiter in einer digitalen Verwaltung eher keine Zukunft hat, sollen ihre Azubis schon in der Ausbildung lernen, gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln.