Zuerst kommt der Primer: Sorgfältig streicht Kai Rudolf die Flüssigkeit auf die Vorderkante des Rotorblatts. Dann legt er den vorab zugeschnittenen grauen Streifen Klebeband an und drückt ihn vorsichtig fest. Nur wenn weder Lücken noch Blasen bleiben, kann der Erosionsschutz wirken.
Seit einem Jahr wird der 21-Jährige beim ADAC Heliservice zum Fluggerätmechaniker ausgebildet. In Sankt Augustin bei Bonn wartet das Unternehmen Hubschrauber aus ganz Europa, etwa für die niederländische Luftrettung und für Polizeibehörden verschiedener Bundesländer.
Das Fliegen fasziniere ihn schon seit seiner Kindheit, erzählt Rudolf. Nach dem Abitur studierte er zunächst Luft- und Raumfahrttechnik, brach aber nach zwei Jahren ab – zu theoretisch. „Ich bin eher der praktische Lerner“, sagt er. Sein Onkel wies ihn auf den ADAC Heliservice hin, nach einem zweiwöchigen Praktikum war die Sache besiegelt. Er bewarb sich für die Ausbildung und setzte sich im persönlichen Gespräch sowie am Auswahltag beim Theorie- und Praxistest durch. Grinsend erinnert sich Rudolf an die Zusage: „Ich habe mich riesig gefreut und direkt meinen Eltern davon erzählt.“ Für den ADAC Heliservice lehnte er auch ein weiteres Angebot zur Mechatronikerausbildung ab. „Ich habe mich für meine Leidenschaft entschieden.“
Über Nachwuchsmangel kann der ADAC Heliservice nicht klagen. In manchen Jahren gehen bis zu 40 Bewerbungen ein – für drei bis fünf Ausbildungsplätze. Kandidaten müssen mindestens die mittlere Reife vorweisen, dazu gute Mathematikkenntnisse und technisches Interesse. Es zählen aber nicht nur Schulnoten und die fachliche Eignung. Die Chefs achten auf Teamfähigkeit und eine Leidenschaft fürs Fliegen.
Bewerber kommen vor allem über „Vitamin B“, also über Bekannte, zu dem Wartungsunternehmen. Der Firma eilt ihr guter Ruf voraus, sogar über die Region hinaus. In jedem Jahrgang gibt es mindestens einen Lehrling, der von weiter weg kommt.
Azubis arbeiten täglich mit erfahrenen Mechanikern und Prüfern zusammen
Erik Borchart etwa ist gebürtiger Hamburger. „Weit von zu Hause wegzuziehen hat mir beim Erwachsenwerden sehr geholfen“, sagt er. Zum Fluggerätmechaniker hätte sich Borchart zwar auch in Norddeutschland ausbilden lassen können, etwa bei Lufthansa Technik, Airbus oder der Bundeswehr. Doch die Ausbildungskonzepte gefielen ihm nicht. Borchart befürchtete, nur an ausrangierten Luftfahrzeugen in einer Ausbildungswerkstatt zu lernen.
Beim ADAC Heliservice werden Auszubildende dagegen nach einer viermonatigen Grundausbildung direkt auf Hubschrauber losgelassen, die tatsächlich fliegen. Täglich arbeiten sie mit erfahrenen Mechanikern und Prüfern zusammen. Und wenn die Crew nach einer ausgiebigen mehrwöchigen Wartung die Funktionsfähigkeit eines Hubschraubers testet, dürfen die Lehrlinge gelegentlich mitfliegen. „Das Arbeitsumfeld ist top“, sagt Borchart. Unter den Kollegen nehme man sich immer füreinander Zeit und beantworte alle Fragen.
Auch Ausbilder Gianluca Piras legt Wert auf ein gutes Vertrauensverhältnis. Vor allem, damit Fehler offen angesprochen werden, die schnell teuer oder schlimmstenfalls verheerend werden können. „Wenn mal was schiefgeht, finden wir gemeinsam eine Lösung“, sagt Piras. Seit acht Jahren kümmert sich der 45-Jährige um den Nachwuchs. „Es ist interessant, zu sehen, wie sich die jungen Leute über die Ausbildungszeit entwickeln."
Die meisten bleiben viel länger. Die Firma garantiert allen, die ihre Abschlussprüfung bestehen, eine Übernahme. Davon profitierte auch Erik Borchart: Dank guter Noten und guter Leistungen im Betrieb hat der 21-Jährige im Mai vorzeitig ausgelernt, statt nach dreieinhalb schon nach drei Jahren.