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Markus Väth Konsolidierung ist unsexy aber genauso wichtig wie Innovation

Markus Väth
Markus Väth
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Unternehmen schreiben sich Innovation auf die Fahnen und vergessen dabei das „konservative“ Konsolidieren. Markus Väth erklärt, warum das auf Dauer nicht funktionieren kann

Man kann kaum noch ein Wirtschaftsmagazin oder seinen Linkedin-Feed lesen, ohne dass einen spätestens in der dritten Zeile der Begriff Innovation anspringt, wahlweise in den Variationen a) Innovationen werden den Standort Deutschland retten, b) China zeigt uns, wie Innovation geht, c) Irgendwas mit „Krypto“ oder irgendwas mit „Quanten“ sind der aktuelle hot shit, den wir schleunigst beherrschen sollten, um als Wirtschaftsnation nicht unterzugehen. Das ist alles irgendwie richtig, rangiert aber auch irgendwo zwischen Nullaussage und Buzzword-Bingo. Ich möchte daher einmal auf eine ganz andere Form von Innovation eingehen: die Konsolidierung. 

Innovation kann darin bestehen, etwas nicht zu tun

Ich habe kürzlich meinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Eine Folge des Älterwerdens, so habe ich gemerkt, liegt darin, sorgsamer mit seiner Zeit umzugehen. Ich wähle mittlerweile bewusster als früher aus, womit ich meine Zeit verbringe. Den Roman, den ich schon länger lesen wollte: bleibt. Das Youtube-Video, das rein meiner Unterhaltung dient: fliegt raus. Natürlich mache ich auch manchmal neue Dinge, probiere Sportarten aus, lerne neue Menschen kennen. Aber ebenso wichtig ist es, meine Zeit und meine Aktivitäten zu konsolidieren und das bedeutet, manches wegzulassen. Meine Zeit und Energie sind endlich – genauso wie die Ressourcen Ihres Unternehmens. 

Innovation braucht beides: Einatmen und ausatmen

Manche Unternehmen sind so in ihrem Innovationsdenken verkrampft, dass sie das Konsolidieren in Form eines gesunden Pragmatismus vergessen: Mach das, was funktioniert und lass alles andere weg: unnötige Prozesse, unnötige Meetings, veraltete Produkte, veraltete Führungsmodelle und so weiter. Dieses „konservative“ Konsolidieren ist aber meiner Meinung nach sogar wichtiger als das hippe „Innovieren“, von dem so oft die Rede ist.

Stellen Sie sich Innovation als Atmung vor: Das Erfinden und Umsetzen neuer Produkte und Dienstleistungen ist das „Einatmen“, das Konsolidieren und Bereinigen das „Ausatmen“. Kein Mensch atmet nur ein oder aus: Es braucht beides, sonst würde man ersticken. Aber genauso verhalten sich viele Unternehmen. Sie wollen ständig „innovieren“, ständig einatmen und vergessen dabei das Konsolidieren, das Ausatmen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Innovation ist sozial erwünscht, Konsolidieren braucht Mut und Konsequenz

Jedes Unternehmen schreibt sich Innovation auf die Fahne – und das ist gut so. Wer nicht innoviert, geht irgendwann unter. Das Problem dabei: Jeder ist gern bei Innovation dabei, das klingt sexy und nach vorn. Konsolidierung klingt schon so langweilig, nach Bremse und Aktenschrank. Dabei braucht es genau diese Konsolidierung, das Weglassen unnötiger Dinge, um der Innovation buchstäblich Platz zum Atmen zu verschaffen. Konsolidierung ist nicht sexy, sie braucht Mut und Konsequenz. 

Unternehmen sind oft verliebt in die Dinge, die sie tun, in Produkte und Abläufe, in Prozesse und Gewohnheiten. Veränderung fällt schwer, da setzt man lieber noch einen drauf. Doch das ist ein Fehler. Wer nicht konsolidiert, erstickt die Innovation im Keim – weil keine Ressourcen dafür freigemacht werden. Deshalb sollten Unternehmen in ihren Kulturen einen Zweiklang verankern: aus Innovation und Konsolidierung:

  • Lassen Sie Ihre Mitarbeiter „Not-To-Do-Lists“ anfertigen, die zeigen, was man auf individueller Ebene weglassen kann.
  • Führen Sie „Bullshit Boards“ in Ihren Teams ein, auf denen Sie festhalten, was an Aufgaben, Prozessen und Dokumentation in Ihren Teams wegfallen kann.
  • Erlassen Sie eine unternehmensweite Meeting Policy, zu deren Inhalten es beispielsweise gehört, Meetings begründet ablehnen zu dürfen, ein Verbot von Cc/Bcc-Mails oder die Einführung Meeting-freier Zeiten.

Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und in der Regel wissen Ihre Mitarbeiter genau, was man konsolidieren könnte. Was fehlt, ist die Erlaubnis dazu, die kulturelle Verankerung. Dafür sind Sie als Führungskraft zuständig – damit Ihr Unternehmen vernünftig ein- und ausatmen kann.

Markus Väth ist Arbeitspsychologe und Schöpfer des Begriffs „Radikal Arbeiten“. Dahinter verbirgt sich eine Philosophie, die Arbeit wieder zu ihrem Kern zurückführen soll: weniger Sinnlosigkeit und Demotivation, mehr Wirksamkeit und Freude. Er ist mehrfacher Buchautor und arbeitet unter anderem als Vortragsredner und Organisationscoach.  

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