Im Jahr des KI-Booms ist man astronomische Zahlen aus dem Silicon Valley gewöhnt: Es geht eigentlich nur noch um Multi-Milliarden-Investments, sogar einem einzelnen Entwickler soll schon ein Milliarden-Gehalt angeboten worden sein. Die Tech-Pioniere im Silicon Valley glauben – oder versprechen zumindest – dass sie kurz vor dem ganz großen Durchbruch stehen. Meta-Chef Mark Zuckerberg spricht schon gar nicht mehr von „AI“, sondern von einer „Superintelligence“, die jeder bald mit seiner neuen Daten-Brille auf der Nase tragen könne.
Tatsächlich fußen die Milliarden-Deals der KI-Industrie größtenteils auf dem Glauben, dass die Branche irgendwann ganz bald Abermilliarden an Umsätzen generieren wird: Die Stars der Branche wie Sam Altman von OpenAI werben damit Investments wie nun vom Chiphersteller Nvidia ein. Doch wie sich die Bonanza jemals rechnen soll, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptsache, der Kreislauf bleibt am Laufen:
Im aktuellen Fall kauft OpenAI mit Nvidias-Investitionsgeld in Höhe von 100 Mrd. Dollar neue Chips – und zwar die seines Investors Nvidia. Dieser Kreislauf hat Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht haben. Die genauen Summen scheinen den Beteiligten auch relativ egal zu sein. „Ob wir nun 500 Millionen Dollar im Jahr verbrennen, 5 Milliarden oder 50 Milliarden – mir ist’s egal, wirklich egal“, sagte OpenAI-Chef Sam Altman im vergangenen Jahr an der Universität Stanford. „Solange wir einen Weg finden, die Rechnungen zu bezahlen, bauen wir AGI [„artificial general intelligence“, Anm. d. Redaktion]. Es wird teuer werden.“
KI-Industrie dreht sich um sich selbst
Solch ein Denken zeigt vor allem eines: Während die entsprechenden astronomischen Umsätze noch auf sich warten lassen, dreht sich die KI-Industrie zunehmend um sich selbst. Da ist der Deal zwischen Chiphersteller Nvidia, der 100 Mrd. Dollar in OpenAI investiert, nur das jüngste Beispiel. Nvidia soll dafür Anteile an OpenAI bekommen. OpenAI wiederum will mit dem Geld neue Rechenzentren bauen und dafür Chips von Nvidia einkaufen. Anders ausgedrückt: Nvidia kauft Anteile an dem eigenen Kunden – damit der weiter bei Nvidia einkaufen kann.
In der kritischen Finanzpresse wird dieser Deal eher skeptisch beobachtet. So schrieb der „Economist“ über den Deal: „Silicon Valley wird inzestuöser als je zuvor.“ Die „Financial Times“ hingegen überlegte, dass der Wert des Deals gerade darin liegen könnte, dass er „performativ“ sei. Beide Seiten würde davon profitieren, wenn sie den Eindruck erweckten, dass die KI-Industrie immer höher, weiter, schneller aufsteige. Die große Frage dabei ist nur: wie lange noch?
Wann sich Nvidias Investitionen rechnen – völlig unklar
Zuletzt häuften sich die Nachrichten darüber, dass die Industrie vor allem in sich selbst investiert: So hatte Nvidia erst vor ein paar Tagen bekannt gegeben, für 5 Mrd. Dollar Anteile am Chiphersteller und Konkurrent Intel zu kaufen. Selbst im eher KI-skeptischen Europa kaufte ASML, Europas wertvollste AG und der Hersteller von Maschinen zur Produktion von Chips, für einen Milliardenbetrag elf Prozent von Mistral, Europas größter KI-Hoffnung.
Wann KI all die Umsätze generiert, die die Investments rechtfertigen würden, ist völlig unklar. Kürzlich veröffentlichte die „Financial Times“ jedenfalls eine Studie zu der Frage, was eigentlich all die Unternehmen aus dem US-amerikanischen Index S&P 500, die sich gerade mit KI beschäftigen, damit machen. Das Fazit: Viele haben Angst, etwas zu verpassen. Wenige können sagen, wie KI gerade konkret ihrem Geschäft hilft.