Bei der Berliner Fintech-Bank Solaris dürfte so mancher Manager wieder ruhiger schlafen können – der wohl wichtigste Deal der jungen Firmenhistorie steht vor dem Abschluss. Noch in diesem Jahr sollen die Konten von 1,3 Millionen Kreditkartenkunden aus dem Portfolio des ADAC an Solaris übertragen werden, wie das „Handelsblatt“ zuerst berichtete. Zu Nachfragen von Capital wollte sich ein Solaris-Sprecher nicht äußern.
Auf seiner Homepage veröffentlichte der ADAC aber eine Mitteilung, wonach die technische Migration der Konten im dritten Quartal 2024 erfolgen soll. Bislang fungierte die Landesbank Berlin (LBB) als Herausgeber der Kreditkarte mit dem gelben ADAC-Logo. „Mit Solaris haben wir den idealen Partner für das ADAC Kreditkartenprogramm gefunden, mit dem wir unser Portfolio weiterführen und weiterentwickeln können“, ließ sich Mahbod Asgari, Vorstand ADAC SE, dazu zitieren.
ADAC-Deal als Befreiungsschlag
Auch wenn sich Worte des Automobilklub-Chefs anders lesen – hinter der Kooperation mit Solaris steht eine monatelange Zitterpartie. In Finanzkreisen wurde bis zuletzt sogar über ein mögliches Scheitern des Deals spekuliert. Ursprünglich sollte das Kreditkartenportfolio schon im vergangenen Jahr auf das Berliner Fintech übergehen. Die technische Umsetzbarkeit gestaltete sich aber offenbar schwieriger als gedacht. Zudem gab es noch offene Finanzierungsfragen.
Auf Seiten des ADAC etwa soll es Zweifel gegeben haben, ob Solaris überhaupt in der Lage ist, die mit dem Kartenportfolio verbundenen Kredite in Höhe von rund 500 Mio. Euro sicher zu verwalten. Dafür muss das Fintech viele regulatorische Vorschriften erfüllen – und hätte wohl zusätzliches Kapital im dreistelligen Millionenbereich benötigt. Der „Financial Times“ zufolge schaute sich der ADAC daher zwischenzeitlich nach anderen Partnern um, unter anderem bei der Deutschen Bank.
Diese sollte, so offenbar der Plan des ADAC, die bilanziellen Risiken übernehmen. Die Solarisbank wiederum hätte sich als Technikpartnerin weiterhin um die IT, Ausgabe und Abwicklung der Kreditkartentransaktionen gekümmert.
Ob dieses Szenario den Deal nun tatsächlich erst möglich gemacht hat, bleibt offen. Fragen von Capital hierzu ließ Solaris ebenfalls unbeantwortet. Klar ist aber: Für den 2016 gegründete Fintech-Spezialisten kommt die Kooperation mit dem ADAC einem Befreiungsschlag gleich.
Solaris fungiert als Bankdienstleister und bietet vor allem jungen Finanz-Startups eine technische Plattform, um beispielsweise Debitkarten auszugeben oder Kundenkonten zu verwalten. Die Berliner profitierten damit vom langjährigen Hype um Fintech-Gründungen, wurden 2021 nach einer Finanzierungsrunde sogar zum Unicorn – ein Startup mit Milliardenbewertung.
Doch seitdem gibt es vermehrt auch Negativschlagzeilen. Wiederholt gab es Ärger mit der Finanzaufsicht Bafin, dazu schrieb Solaris hohe Verluste. Um die Gewinnzone zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch vor größeren Entlassungsrunden nicht zurück. Der Kreditkarten-Deal mit dem ADAC dürfte die Finanzlage nun deutlich entspannen. Insider rechnen mit zusätzlichen Erträgen in Millionenhöhe.
„Wir sind zu abhängig von der Fintech-Branche geworden“
Für die Solarisbank ist der Deal aber nicht nur finanziell von Bedeutung. Er markiert auch einen Wendepunkt in der Strategie des Banking-Fintechs. Konzentrierte sich das Unternehmen bislang vor allem auf kleine Finanz-Startups, sollen künftig vermehrt auch Großkunden gewonnen werden. Solaris will so offenbar die finanziellen Risiken minimieren, die vom schnelllebigen Fintech-Geschäft ausgehen.
Zwar lohnt es sich anfangs für Finanz-Startups, teure Aspekte wie eine Banklizenz an Partner wie Solaris auszulagern. Werden diese Fintech-Kunden aber zu groß, bevorzugen sie meist ein eigenes Setup. Die Solaris verliert ihre Kunden also dann, wenn sie eigentlich richtig an ihnen verdienen würde. Erst vor wenigen Tagen etwa wurde bekannt, dass das Fintech Vivid Hunderttausende Konten bei Solaris abziehen will.
Solche Szenarien soll es künftig mindestens seltener geben. „Wir sehen, dass wir von der Fintech-Branche zu abhängig geworden sind“, sagte Solaris-Chef Carsten Höltkemeyer schon vergangenes Jahr auf Finance-Forward-Konferenz: „Mit unserem Angebot können wir auch andere Partner gewinnen, insbesondere Corporates.“ Mit Europas größtem Automobilclub scheint ein Anfang nun gemacht.