Früher habe ich in einer Textilfabrik gearbeitet. Die Bezahlung war schlecht. An der Astrologie hatte ich immer ein starkes Interesse, sie war mein Hobby. Irgendwann hat mir ein Wahrsager geraten, selbst Wahrsager zu werden. Es war die richtige Entscheidung, den Job zu wechseln. Auch aus finanzieller Sicht.
Ich arbeite jeden Tag von 9 bis 18 Uhr. Immer unter diesem Baum. In der Regenzeit sitze ich hier mit einem Schirm. Dann läuft das Geschäft schlecht, weil es für die Kunden unbequem ist. Am meisten verdiene ich im März, da gibt es viele Feiertage. Und im Dezember, wenn Ferien sind. Dann reisen alle und haben Familientreffen.
An einem guten Tag habe ich fünf bis acht Kunden, dann mache ich bis zu 10.000 Kyat, ungefähr 8 Euro. Der Preis hängt von der Zeit ab: Wer mehr fragt, zahlt mehr. Diejenigen, die gute Nachrichten erhalten, geben manchmal etwas extra.
Meine Kunden stellen mir Fragen über die Liebe, suchen Rat bei wirtschaftlichen Entscheidungen oder bevor sie auf Reisen gehen. Manche wollen Tipps für das Glücksspiel. Gelegentlich kommen Verwandte von Häftlingen und fragen, wann diese freigelassen werden. Das rechne ich dann aus, mithilfe der Astrologie.
Früher hat in unserem Land die Armee regiert, jetzt haben wir eine neue Regierung. Deswegen ändert sich gerade viel. Aber das beeinflusst mein Geschäft kaum. Ich würde sagen, es ist stabil. Prominente Kunden kommen eh nicht zu mir: Hochrangige Militärs empfangen ihre eigenen Astrologen in ihren Privathäusern.
Aberglaube-Ticker
Myanmars Ex-Diktator Ne Win glaubte an Zahlenmystik und hielt die Neun für seine Glückszahl. +++ Also verfügte er 1987, dass alle Banknoten einen Nennwert von 45 oder 90 Kyat haben sollten. +++ Die alten Scheine wurden ungültig und ganze Vermögen schlagartig wertlos. Die Folge: ein landesweiter Aufstand. +++ In Yangon zahlen Wahrsager für einen Geschäftsraum an der Sule-Pagode umgerechnet 150 Euro Monatsmiete. +++ Das entspricht einem Viertel des durchschnittlichen Jahreseinkommens. +++ Auch 26 Prozent der US-Amerikaner glauben an die Astrologie. +++ Ein ähnlich hoher Anteil glaubt an Hexen. +++ Ein Drittel an Ufos. +++ Dabei hat der Aberglaube gerade einen Rückschlag erlitten: 2012 ist vorbei, und die Welt gibt’s immer noch. +++ Gelohnt hat sich der Hype um die Weltuntergangsprophezeiung der Maya trotzdem. +++ Für Roland Emmerich. +++ Sein Film „2012“ spielte 770 Mio. Dollar ein.
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Weitere Folgen: Der Bestatter, der Sprayer, der Kioskbetreiber und der Imbissbudenbesitzer
Foto: © Sim Chi Yim / VII Photo