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Bernd Ziesemer Xi Jinpings schizophrener Wirtschaftskurs

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Mit ihrem neuen Fünf-Jahres-Plan kann die KP Chinas die Probleme des Landes nicht lösen. Deutsche Konzerne müssen mit noch mehr Gegenwind rechnen

Wie definiert man Wahnsinn? Immer das Gleiche zu tun, aber ein anderes Ergebnis zu erwarten. Diese Erkenntnis von Albert Einstein kann man auch auf Chinas neuen Fünf-Jahres-Plan anwenden: Xi Jinping will einen schizophrenen Wirtschaftskurs weiter verfolgen, der China bereits einen Haufen großer Probleme beschert hat. Die Volksrepublik will, so meldete es das Regierungsorgan „Global Times“, die „Qualität wichtiger Industrien verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit von Branchen wie der Chemie, des Maschinenbaus und des Schiffbaus verstärken und kraftvoll fortgeschrittene Fertigungscluster in China entwickeln“.

Zwar kündigte die Führung des Landes am Freitag auch eine Stärkung des privaten Konsums und der Binnennachfrage an. Aber die herrschende KP Chinas legt ihren Schwerpunkt weiter auf die Industrie. Und weil der Binnenmarkt all das, was in China produziert wird, nicht aufnehmen kann, muss die Volksrepublik nach der Logik des Fünf-Jahres-Plans weiter um jeden Preis exportieren. Technologisch strebt China nach Autarkie, wirtschaftlich auf die Überflutung ausländischer Märkte mit chinesischen Produkten. Diese Gleichung kann langfristig nicht aufgehen.

China will Deutschland den Rang ablaufen

China will seine Wettbewerbsfähigkeit auf einigen Gebieten steigern, auf denen in früheren Jahren deutsche Unternehmen dominierten. Das gilt zum Beispiel für die Chemie, aber auch für den Maschinenbau. Unternehmen wie BASF müssen sich auf einen weiteren Ansturm gefasst machen: Der Bau des zweiten Verbundstandorts in China wird für den deutschen Konzern zu einer immer größeren Belastung. Über die Autoindustrie, das große Wettbewerbsfeld in China und auf der Welt, findet sich in den ersten Verlautbarungen aus Beijing nichts Neues. Dass es leichter werden könnte für die deutschen Hersteller, erwartet aber so gut wie niemand.

Interessant an dem neuen Fünf-Jahres-Plan ist, dass es ihn überhaupt immer noch gibt. Glaubt man vielen Apologeten des chinesischen Systems, dann herrscht doch längst eine lupenreine Marktwirtschaft in China. Und der Rückgang deutscher Absatzzahlen in der Volksrepublik ist angeblich allein der Tatsache geschuldet, dass „die Chinesen besser“ sind und auf vielen Gebieten „technologisch aufgeholt“ haben. In vielen Analysen, die man in deutschen Medien liest, spielen die staatlichen Wirtschaftsplaner keine Rolle. In der Wirklichkeit aber sieht das ganz anders aus.

Bei dem jetzigen Fünf-Jahres-Plan gibt Xi Jinping zum zweiten Mal in seiner Karriere die Parameter vor. Vor ihm gab es nur einen Parteiführer, der die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik so stark prägen konnte wie Xi: Mao Zedong. Die Fünf-Jahres-Pläne des Großen Führers stürzten China in den fünfziger Jahren in die größte Hungerkatastrophe der neueren Geschichte, danach ins Chaos und am Ende in die wirtschaftliche Stagnation. Erst nach dem Tod Maos ging es bergauf. Eine Katastrophe müssen die Chinesen unter Xi Jinping wohl nicht fürchten – es sei denn, der Diktator startet einen militärischen Angriff auf Taiwan. Auf jeden Fall deutet aber alles darauf hin, dass dem Alleinherrscher nichts mehr einfällt, um die Probleme des Landes zu lösen.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

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