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Billigimporte Von Reifen bis Mode: Chinas Importflut sorgt für Ärger in Europa

Clemens Zimmermann mit Teilen eines Autoreifens
Die Runderneuerung von Autoreifen sind das Geschäft von Clemens Zimmermann. Durch chinesische Billigimporte wird es zunehmend schwerer für ihn und seine Firma 
© Jonas Walzberg/Reuters
Ärger um Billigimporte aus China: Immer mehr Waren aus Fernost landen in Europa. Das betrifft auch die Autoreifenfirma von Clemens Zimmermann, die unter Billigkonkurrenz leidet. Der Ruf nach Gegenmaßnahmen wird lauter

Clemens Zimmermanns Betrieb im Umland von Hamburg ist auf das Geschäft mit der Runderneuerung von Reifen spezialisiert, doch derzeit läuft nicht alles rund. Die von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Zollspirale gegen China sorgt für Ärger. Die Eskalation habe zu einem noch stärkeren Anstieg der Importe zu immer niedrigeren Preisen aus der Volksrepublik und asiatischen Ländern geführt, die Drehkreuze für chinesische Firmen sind: „Wenn neue Lkw-Reifen aus Asien rund 40 Prozent des Preises eines Premium-Neureifens kosten, und manchmal sogar günstiger sind als ein Runderneuerter, ist das hart“, klagt Zimmermann, dessen Unternehmen seit 1990 zum italienischen Marangoni-Konzern gehört.

Unter gleichen Bedingungen habe er kein Problem mit Konkurrenz. Doch bestehe keine Waffengleichheit. Wenn die eine Seite mit einem großen schweren Schwert arbeite und die andere nur „ein stumpfes Taschenmesser“ habe, sei das kein fairer Kampf, sagt Zimmermann und verweist auf eine Reihe von Reifenfabrikschließungen in anderen Teilen Deutschlands. Viele europäische Firmen und einige Regierungen wollen, dass die Europäische Union ihre Machtbefugnisse nutzt, um Unternehmen und Jobs vor dem ihrer Ansicht nach eklatanten Preisdumping chinesischer Firmen zu schützen, die verlorene US-Marktanteile durch Geschäfte andernorts kompensieren.

Auch wenn es keinen Beweis dafür gibt, dass China seine Exporte absichtlich umleitet, deuten die von Reuters gesichteten Daten auf eine Veränderung hin, seit Trump nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar einen Handelskrieg anzettelte. In diesem Jahr hat die Europäische Kommission 15 Untersuchungen eingeleitet und endgültige Zölle auf 18 überwiegend chinesische Produkte verhängt, von Weißblech bis hin zu Holzböden. Gegen größere chinesische Exportsektoren vorzugehen, birgt jedoch das Risiko von chinesischen Vergeltungsmaßnahmen. Dies wollen die EU-Staaten tunlichst vermeiden. 

Vor allem Deutschland mahnt zur Vorsicht, da die schwächelnde Wirtschaft auf eine Handelspartnerschaft mit China angewiesen ist. Das asiatische Land hat mittlerweile die USA als wichtigster Handelspartner Deutschlands verdrängt – auch wegen der Importflut von Waren aus der Volksrepublik.

Aus China direkt vor die Tür

Daten zu Paketen mit geringem Wert deuten auf steigende E-Commerce-Sendungen aus dem Reich der Mitte hin, da Online-Plattformen wie Temu und Shein seit Inkrafttreten der US-Zölle ihre Marketingausgaben nach Europa verlagert haben, um dort den Umsatz zu steigern. Diese Online-Plattformen verschicken billige Produkte direkt aus Fabriken in China vor die Haustür der Käufer und nutzen dabei die Zollfreiheit der EU für E-Commerce-Pakete im Wert von unter 150 Euro. Die Zuflüsse in die EU sind sprunghaft angestiegen, seit die USA ihre „De-minimis“-Regelung für Pakete solcher Art unter 800 Dollar abgeschafft haben.

Der deutsche Online-Bekleidungshändler Zalando dringt darauf, dass die EU ihre „De-minimis“-Schwelle von 150 Euro früher abschafft als geplant. Gemäß den aktuellen Zollreformplänen der EU soll dies erst Mitte 2028 der Fall sein.

„Shein, Temu und andere Marktteilnehmer wollen auf dem Markt in Europa wirklich noch einen drauflegen“, sagt Chris Bode, Vizepräsident für globale Luftfracht bei Rhenus Logistics mit Sitz in Bangkok, über die Auswirkungen der US-Handelsbarrieren auf China. Bei einer Veranstaltung zur Eröffnung der Mailänder Modewoche im September zeigte sich der Präsident der Nationalen Kammer für italienische Mode, Claudio Capasa, alarmiert über einen Importschub aus China und fernöstlichen Ländern: „Wir erleben eine regelrechte Invasion von Ultra-Fast-Fashion-Produkten auf unseren Märkten.“

Verkaufen die chinesischen Firmen ihre Waren zu Schleuderpreisen?

Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob es eindeutige Beweise für Dumping gibt – also Schleuderpreise, mit denen Handelswaren aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt unter ihrem normalen Wert im Ausland abgesetzt werden. Ermöglicht wird ein solches unfaires Spiel zumeist durch staatliche Subventionen. 

Jene, die sich Sorgen über das Risiko chinesischer Vergeltung machen, bestehen darauf, dass die Messlatte für Gegenmaßnahmen hoch liegen sollte. Volker Treier, Außenhandelschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), meint, die EU solle zunächst das WTO-Beschwerdeverfahren gegen alle Hinweise auf illegale Subventionen nutzen und nur dann gezielte Handelsmaßnahmen ergreifen, wenn es unbedingt notwendig sei.

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Laut Simon Evenett, Professor für Geopolitik und Strategie an der IMD Business School, gibt es abgesehen von chinesischem Stahl keine schlagenden Beweise dafür, dass Exporte aus der Volksrepublik aufgrund der US-Maßnahmen systematisch nach Europa umgelenkt würden. In Frankreich und Deutschland sind inzwischen mögliche Verpflichtungen zum „Local Content“ und Technologietransferanforderungen für einige chinesische Investitionen im Gespräch.

Ob etwaige Maßnahmen gegen die Importflut für Zimmermanns Betrieb und das europäische Reifengeschäft insgesamt schnell genug kommen, bleibt abzuwarten. Trotz Zöllen auf Lkw-Reifen steigen die Importe aus China seit mindestens fünf Jahren. Eine Antidumpinguntersuchung für Reifen für leichtere Fahrzeuge wurde aber erst im Mai eingeleitet, und solche Untersuchungen dauern in der Regel 14 Monate. EU-Daten zeigen, dass die Importe chinesischer Pkw-Reifen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um weitere 20 Prozent gestiegen sind. „Zumindest ist man sich der Situation bewusst“, meint Florent Menegaux, Vorstandschef des französischen Reifenherstellers Michelin. Aber bisher fehle es an Taten.

Maria Martinez, Helen Reid und Philip Blenkinsop/rtr/kb

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