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Köpfe Straßenökonom – der Kioskbetreiber

Theorien sind kompliziert. Wirtschaft kann einfach sein. Diesmal ­erklärt der Moskauer Sergej Rebrow Convenience am Beispiel des Brot-Kiosks.
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Zur Person: Sergej Rebrow, 46, hat eigentlich eine pharmazeutische Ausbildung. 2002 ging er trotzdem mit seiner Firma Chlebnyj Service (Brotservice) ins Lebensmittel­geschäft. In seinen sechs Kiosken im Zentrum Moskaus beschäftigt er derzeit zwölf Mitarbeiter.

„Es gibt in Russland eine Standardauswahl an Brot, und die verkaufen wir an unseren sechs Kiosken. Unsere Landsleute bevorzugen klassisches Weißbrot, Roggenbrot oder Graubrot, traditionelle sowjetische Sorten. Wir machen also nichts Spezielles.

Auch über den Preis konkurrieren wir nicht, das können wir auch nicht. Ein Kiosk ist kein Discounter. Unser Vorteil ist, dass wir den Leuten gut in den Kram passen. Unsere Kioske haben wir gezielt in der Nähe der ­U-Bahnhöfe im Zentrum Moskaus platziert. Es ist bequem, bei uns zu kaufen und nicht für ein Brötchen oder einen Laib Brot in den Supermarkt zu müssen. Da verschwendet man viel Zeit, und wenn man da einmal drin ist, bleibt es nicht nur bei dem Laib Brot.

Der Staat aber mag uns nicht. Zuerst hatte die Moskauer Stadtverwaltung die Idee, alle Kioske zu schließen, weil sie angeblich das Stadtbild stören. Der Bestand an Kiosken sollte jedes Jahr um 25 Prozent abnehmen. Davon haben sie sich jetzt verabschiedet. Jetzt soll ein Teil der Kioske bleiben und ihre Verteilung „geordnet“ werden. Was das heißen soll, weiß nur die Verwaltung selbst. Das letzte Mal, als sie kleine Geschäfte „geordnet“ haben, wurden Kioske zusammen mit ihren Besitzern abgeräumt und zum Abschlepphof gebracht. Und zwar völlig unabhängig davon, ob sie dort, wo sie waren, rechtmäßig standen oder nicht.

Ich bin trotzdem fest davon überzeugt, dass es in Russland immer Kioske geben wird. Der Staat hat ­versucht, diese Form des Handels auf offiziellem Weg zu vernichten, und trotzdem hat sie überlebt. Also hat dieser Handel einfach seinen Platz in der Gesellschaft erkämpft. Die Menschen sind bequem, das ist ein ökonomisches Gesetz. Und der Staat kann die ökonomischen Gesetze ebenso wenig ändern, wie er die Newton’schen Gesetze ändern kann.“

Der Kiosk-Ticker

Das Wort Kiosk stammt aus dem Persischen und bedeutete ursprünglich so viel wie „Ecke“. +++ Hier einige Eckdaten. +++ In Moskau stehen 10 500 legal gemeldete Kioske. +++ In ganz Deutschland etwa dreimal so viele. +++ Regensburg hat einen, der aussieht wie ein Fliegenpilz. +++ Er steht unter Denkmalschutz. +++ Fliegenpilz. +++ Na ja. +++ Das gleiche Modell gibt es aber auch in Lindau und ­Bregenz. +++ Wer gern einen normalen Kiosk hätte: Allein über den Immobilienteil von Ebay werden Dutzende verkauft. +++ Ab 1 Euro!

Im ersten Teil der Reihe stellten wir den Berliner Imbissbudenbesitzer Mario Ziervogel vor.

Foto: © Gafina Natasha

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